Wenn ich still werde
Ich habe immer etwas zu sagen. Ich liebe es, Wissen weiterzugeben, meine Gedanken zu teilen, Dinge – inkl. mir selbst – zu erklären. Und doch werde ich immer mal wieder still, rede für Wochen nur wenig, möchte mich nicht an Gesprächen beteiligen und höre nur noch zu. Reden, schreiben, mich mitteilen ist mir zu viel, denn in meinem Kopf sind einfach zu viele Gedanken. Gedanken, die sich auch noch überschneiden und bei denen ich im Bruchteil von Sekunden von einem Thema zu fünf anderen springe und von dort direkt weiter und immer weiter. Und dann erklären, wieso ich gedanklich wo ganz anders bin? Anstrengend…
Ich schweige also, während mein Kopf versucht, all die vielen Dinge, über die er gerne nachdenken würde, zu Ende zu denken – oder zumindest so weit, dass ich darüber reden kann. Vielleicht passiert das morgen, vielleicht in einer Woche, vielleicht auch erst in einem Monat oder einfach nie.
In der Zwischenzeit dreht sich die Welt aber weiter und neue Ideen werden in meinen Kopf gespült und auch die wollen durchdacht werden, wollen eingehegt werden in das Konstrukt an Gedanken, wollen neue Verbindungen aufbauen, schon Durchdachtes noch einmal verändern, verstärken, erweitern.
Manchmal sind es so viele neue Gedanken, dass ich denke, ich werde nie wieder aus meinem Schweigen herausfinden, weil es endlos dauert, bis alle Gedanken durchgedacht sind und doch, irgendwann ist er da, dieser Moment, in dem sich die Gedanken klären und ich wieder reden, schreiben, mich mitteilen kann.
Ich warte sehnsüchtig darauf und weiß doch, dass sich der Prozess nicht beschleunigen lässt, weil Denken auch eine Sache von Zeit ist, weil es nicht nur aktives Denken ist, sondern auch sich selbst Zeit geben, um die Gedanken zu verarbeiten und zu verdauen. Es braucht Zeit und Raum, in denen Gedanken reifen dürfen – in denen wir reifen dürfen, uns weiterentwickeln dürfen, wir werden dürfen. Ein Leben lang.