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My neurodivergent life is a piece of art

Produktivität bringt dir nichts oder: Warum ich Produktivitätstipps hasse

Produktivität bringt dir nichts oder: Warum ich Produktivitätstipps hasse

25. April 2022 Claudia Unkelbach Comments 0 Comment

Ich hasse Produktivitäts- und Selbstoptimierungstipps. Also eigentlich hasse ich gar nicht die Tipps an sich – manche sind tatsächlich hilfreich -, sondern vielmehr das, was sie einem vermitteln: Dieses permanente Gefühl, nicht gut genug zu sein, verbunden mit der Botschaft, sich einfach mehr anstrengen zu müssen. Darin schwingt immer das stille Versprechen mit: „Wenn du DAS tust, dann wird dein Leben besser! Noch diese eine Maßnahme und du wirst erfolgreich, berühmt und schön und schwimmst in Geld!“ Wirst du nicht und irgendwo weißt du das auch, aber dennoch regt sich die Hoffnung in dir: „Es könnte doch dieses Mal so sein?“

Kein Wunder, dass ganze Ratgeber darüber geschrieben werden, dass „erfolgreiche“ Menschen regelmäßig nach ihren Geheimtipps gefragt werden – oder sie ganz ungefragt geben – oder dass man mit all den Infografiken zum Thema Selbstoptimierung und Produktivitätssteigerung vermutlich ganze Städte tapezieren könnte.

Die meisten dieser Tipps sind recht klein, schlicht und allgemeingültig und ich dachte daher immer, es wäre meine Schuld, dass ich immer noch nicht erfolgreich war und maximal meine große Zehe in Geld baden konnte. Sicher lag es daran, dass ich sie nicht konsequent genug befolgte, nicht hart genug an mir arbeitete und mein Glas Wasser morgens immer vergaß. /s (Tonindikator: Sarkasmus)

Entsprechend erfreut war ich also, als ich das erste Mal auf Tipps speziell für Menschen mit ADHS stieß: „Juchu! Endlich gibt es auch Menschen, die meine Probleme berücksichtigen!“ Ich erfuhr, dass ich mit Timern arbeiten sollte, meine Termine in einen Kalender eintragen sollte, To-Do-Listen schreiben, Aufgaben zerlegen und strenger mit mir sein sollte. „Hm“, dachte ich mir, „hatten wir das nicht alles schon?“

Zusätzlich tauchten jetzt aber auch Tipps auf, wie ich Putzen und Aufräumen organisieren sollte, wie ich auch meine privaten Termine in strikt geführte Kalender eintragen sollte, mein Leben besser durchtakten sollte und was ich tun konnte, um weniger häufig Dinge zu verlegen und zuverlässiger in meiner Kommunikation mit Freund*innen zu sein. Die Produktivitätsanforderungen hatten eindeutig auch das Privatleben erreicht.

Erst wollte ich unbedingt all diese Tipps ausprobieren, wollte eine bessere Freundin und Partnerin, ein besserer Mensch sein… und dann wurde ich wütend.

All diese Selbstoptimierungstipps und Produktivitätsratgeber gaukeln uns vor, dass es unser oberstes Ziel ist, besser zu werden. Konstant. Noch dazu nicht nur in den Dingen, die uns vielleicht tatsächlich an uns stören, sondern einfach in allem, schlichtweg weil es möglich ist und weil sich jemand einen Tipp dafür überlegt hat.

Bei mir – wie bei vielen Menschen mit ADHS – stößt das auf offene Ohren, denn wir haben oft von klein auf gelernt, dass wir ja so viel Potential hätten, es nur leider nicht ausschöpfen würden und uns eben mehr anstrengen müssten. Wir könnten ja so viel erreichen, wenn wir nur mehr an uns arbeiten würden. Wir könnten so viel bessere Kinder, Freund*innen, Partner*innen, Menschen sein, wenn wir uns einfach nur mehr Mühe geben würden.

Ich glaube mittlerweile, dass ich mich mein ganzes Leben mit Produktivitätstipps beschäftigt habe, um „besser“ zu werden und dieses ominöse Potential zu erfüllen, das andere in mir zu sehen meinten. Irgendwann wurde dieser Glaube, dann zu meinem eigenen und ich sagte mir beständig, dass ich mich mehr und immer mehr anstrengen, mein „Potential“ endlich mal ausschöpfen müsste und machte mir die größten Vorwürfe, dass ich es nie schaffte. Also habe ich den nächsten Produktivitätstipp probiert und den nächsten und den nächsten. Gut genug fühlte ich mich dadurch immer noch nicht.

Genau das ist das Perfide an Produktivitätstipps und Selbstoptimierungsratgebern: Für sie sind wir nie gut genug. Wir können immer noch etwas verbessern und danach noch etwas und selbst wenn wir denken „Jetzt reicht es aber mal“, zeigt uns gleich darauf jemand, dass es doch nicht reicht, weil wir noch nicht das neueste Selbstoptimierungs-Allheilmittel ausprobiert haben und das wäre schließlich der ultimative Tipp!

Unser Drang zu mehr Produktivität und Selbstoptimierung führt am Ende vor allem zu zwei Dingen: Jede Menge Stress und ein reduziertes Selbstwertgefühl.

Ich habe irgendwann aufgehört, produktiver und erfolgreicher sein zu wollen. Auch die Jagd nach meinem angeblichen Potential habe ich aufgegeben. Ich versuche heute nur noch, der Mensch zu sein, mit dem ich mich wohlfühle.

Ich lese immer noch Produktivitätstipps, vor allem jene für Menschen mit ADHS, denn manche davon greifen tatsächlich das auf, was auch ich probiere: MIT dem eigenen Gehirn, der eigenen Denkweise, den eigenen Schwächen zu arbeiten, anstatt dagegen anzukämpfen.

Es geht nicht darum, sich immer noch mehr anzustrengen und zu bemühen und einem unerreichbaren Ideal hinterherzulaufen, sondern darum, herauszufinden, was man tatsächlich braucht und möchte: Im Job, im Privatleben, im Zuhause, in der Partnerschaft… – und was realistisch erreichbar ist. Und dann geht es darum, für sich selbst Wege zu finden, das alles möglichst leicht und mit wenig Aufwand langfristig umzusetzen, denn – große Überraschung: Umso WENIGER man sich in seinem Alltag anstrengen und bemühen muss, umso mehr Energie hat man für das, was man liebt, wofür man brennt und wofür man gerne diese Energie einsetzen möchte – und das ist bei mir nun mal einfach nicht „erfolgreich sein“.

Produktivität an sich bringt dir nichts. Sie macht dich nicht zu einem „besseren“ Menschen und sie wird dich auch nicht reich und berühmt machen und an dir selbst zu arbeiten ist zwar toll, aber du musst dich nicht „optimieren“ – es gibt keine Blaupause dafür wie du sein sollst.

Gute Produktivitätstipps machen deinen Alltag besser und einfacher und das bringt dir mehr als jede noch so große Produktivität.

Routinen und ADHS
Routinen und ADHS

Routinen und ADHS

9. April 2022 Claudia Unkelbach Comments 0 Comment

Meine Küche versinkt mal wieder im Chaos. Ungespültes Geschirr, angebrochene Packungen, ein Teil vom letzten Einkauf, leere Gläser… Ich ärgere mich über mich: „Warum kann ich nicht ordentlicher sein?“

Da fällt mir ein: Ich habe vorgestern die komplette Küche aufgeräumt, alles war sauber, die Flächen waren freigeräumt, nichts stand mehr herum. Es war großartig. Aber das war vorgestern. Heute ist schon wieder Chaos.

Irgendwo in mir schimpft eine Stimme: „Du musst einfach jeden Abend vor dem Schlafengehen die Küche aufräumen. Das braucht nur ein wenig Routine!“

Eine Routine! Na klar! Routinen sind schließlich so etwas wie der heilige Gral der Selbstoptimierungswelt: Mit Routinen ließen sich quasi alle Probleme lösen, sie würden einen zu einem besseren, fitteren, erfolgreicheren Menschen machen – also zu genau dem, was wir für erstrebenswert halten.

Eine Routine zu etablieren ist – laut Selbstoptimierungstipps – auch ganz einfach: Fange mit einer kleinen, einfachen Sache an (z.B. jeden Morgen ein Glas Wasser trinken) und baue deine Routinen dann langsam aus.

Ich scheitere schon an dem Glas Wasser.

Es ist nicht so, dass ich gar keine Routinen hätte. Ich stehe z.B. morgens auf, gehe auf die Couch und… eine Stunde später lege ich dann doch mal das Handy weg. Das ist aber nicht die Art von Routine, die die Selbstoptimierungsprofis meinen und ich frage mich: „Warum fallen mir die angepriesenen ‚sinnvollen‘ Routinen so schwer?“

Nun, die Sache ist die: Warum möchte ich überhaupt eine bestimmte Routine etablieren? Warum ist sie „sinnvoll“? Weil sie mich besser, ordentlicher, fitter, erfolgreicher machen soll? Weil das irgendwie wichtig ist in unserer Gesellschaft? Weil es Vorteile mit sich bringt?

Joa, klingt nett, aber um ehrlich zu sein: Das interessiert mich eigentlich gar nicht.

Was so oft als irrelevant abgetan wird ist genau der Punkt: Mein ADHS-Hirn kann schlichtweg nur die Dinge tun, die es tatsächlich interessieren, weil sie z.B. irgendwie spannend sind oder neu oder dringend, weil sie Kreativität miteinbeziehen oder eine Herausforderung darstellen.

Morgens ein Glas Wasser trinken um sich an Routinen zu gewöhnen? Die Küche aufräumen, einfach nur, damit es ordentlich ist? Da guckt mein Hirn nur empört und fragt: „Warum?!“ Das ist einfach uninteressant und motiviert mein Hirn so gar nicht. Auch nicht, wenn es mich eines Tages erfolgreicher oder zu einem besseren Menschen machen könnte. (Ganz abgesehen davon, dass mein ADHS-Hirn auch nichts mit „eines Tages“ anfangen kann.)

Ein ADHS-Hirn schaltet komplett ab, wenn es sich dazu gezwungen fühlt, etwas zu tun. Umso mehr ich also versuche, eine Routine aufzubauen, die für mein Hirn keinen Sinn ergibt, umso mehr blockiert es und ich kann GAR NICHTS mehr machen.

Aufräumen funktioniert bei mir so, dass ich eine ADHS-konforme Motivation dafür suche, z.B.:
Ich möchte kochen, also muss ich vorher aufräumen. (Dringlichkeit)
Ich kann etwas tun. (Aktivität)
Ich könnte ein neues Putzmittel testen. (Neuheit)
Ich könnte etwas neu organisieren. (Kreativität)
Ich könnte schauen, ob es schneller geht, wenn ich den Ablauf ändere. (Herausforderung)

Manchmal finde ich durchaus auch „aufgeräumt“ eine gute Motivation, aber nie so sehr, dass ich dafür eine Routine aufbauen wollte und könnte.

Heißt das jetzt, dass ich gar keine ‚sinnvollen‘ Routinen haben kann? Nein. Ich muss nur MIT meinem ADHS-Hirn arbeiten, anstatt es zu bekämpfen und bei einigen Dingen akzeptieren, dass ich dafür eben keine Routine aufbauen kann – und das ist überhaupt nicht schlimm, denn Routinen sind gar nicht die Lösung aller Probleme und sie machen einem auch nicht zu einem besseren Menschen.

Wenn wir an einer Routine scheitern, passt sie vielleicht nicht zu unserem Hirn.

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