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My neurodivergent life is a piece of art

ADHS und Schlaf

ADHS und Schlaf

14. August 2022 Claudia Unkelbach Comments 0 Comment

Schlaf ist für neurodivergenter Menschen oft ein schwieriges Thema – einschlafen, durchschlafen, erholsam schlafen, all das ist nicht gerade einfach mit einem neurodivergenten Kopf.

Erholsam schlafe ich so gut wie nie. Das Konzept von „erholt aufwachen“ ist mir fremd und ich wundere mich regelmäßig darüber, dass es wohl üblich ist, in der Früh tatsächlich erholt zu sein! Es ist dabei vollkommen egal, wie lange ich schlafe, ob 4 Stunden oder 10 Stunden – oder alles dazwischen –, ob ich mich vom Wecker wecken lasse oder von selbst aufwache: Erholt fühle ich mich nicht.

Mein Fitnesstracker sagt dazu, dass ich nachts sehr unruhig und gestresst bin und ja, so fühlt es sich an.

Auch kurze Nickerchen oder Power-Naps funktionieren bei mir nicht. Diese klassischen 15- bis 30-minüten Power-Naps bekomme ich schlichtweg nicht hin. Ich bin dann 15 bis 30 Minuten mit geschlossenen Augen in Alarmbereitschaft, weil ich nur darauf warte, dass die Zeit um ist und ich aufstehen muss! Für ein Nickerchen muss ich die Gewissheit haben, mindestens eine Stunde schlafen zu können. Alles darunter und ich komme nicht aus dem Alarmmodus.

In Wirklichkeit dauern meine Nickerchen dann aber zwei Stunden, weil ich nach einer Stunde zwar vom Wecker geweckt werde, mich aber so erschlagen fühle, dass ich dann noch eine Stunde schlafe, bis ich von selbst aufwache – ohne fit zu sein.

Die Wissenschaft erklärt das damit, dass die ein, zwei Stunden zu lang sind und man in die Tiefschlafphase kommt und ein Nickerchen sich aber nur in der leichten Schlafphase abspielen sollte, um erholsam zu sein.

Ich schätze, ich bin kein Nickerchen-Mensch.

Auch nachts durchschlafen ist ein eher ungewöhnliches Konzept für mich und die paar Nächte im letzten Jahr, die ich durchschlafen konnte, kann ich an einer Hand abzählen. Ich wache jede Nacht vier- bis fünfmal auf – ein Teil davon ist körperlichen Beschwerden geschuldet, ein Teil meinem Kopf, der mich immer wieder mit „tollen Ideen“ aufweckt. ADHS halt. Die Hyperaktivität lässt auch nachts nicht nach und lässt mich nicht so wirklich schlafen – beschert mir aber auch immer wieder spannende Ideen, die ich dann beim wieder Einschlafen prompt vergessen kann. An manche erinnere ich mich aber irgendwann wieder und ja, doch, mein Kopf hat nachts echt gute Ideen!

Das Einzige, was ich mittlerweile deutlich besser im Griff habe ist die Sache mit dem Einschlafen.

Jahrzehntelang konnte ich abends nicht einschlafen. Während der Ehemann neben mir binnen Sekunden tief und fest schlief, lag ich wach daneben, drehte mich von einer Seite auf die andere und fand keine gute Schlafposition und die Gedanken tobten durch meinen Kopf. Wie Spielfilme liefen Momente des Tages in mir ab, ich versuchte die ungelösten Probleme der letzten Monate zu lösen oder plante den nächsten Tag. Das Einzige, was ich dabei nicht tat, war schlafen und es störte mich ungemein.

Ich probierte vermutlich jeden Einschlaftipp aus, der mir unter die Augen kam, arbeitete an meiner Schlafhygiene, benutzte das Bett ausschließlich zum Schlafen, versuchte es mit White, Pink, Brown und Einhorn-farbenem Noise, hörte Hörbücher, reduzierte die abendliche Bildschirmzeit, verwendete Blaufilter, machte vor dem Schlafengehen Sport – aber nicht zu kurz vor dem Schlafengehen! -, meditierte, führte ein Dankbarkeitstagebuch, probierte Düfte, spezielle Kissen, die angeblich perfekte Temperatur, Melatonin-Spray, -Drops und -Tabletten, CBD-Produkte und Schlaftabletten. Nichts davon half dauerhaft! Nichts!

Dennoch schlafe ich mittlerweile nahezu immer innerhalb von fünf bis zehn Minuten ein!

Das, was mir hilft, hat sich für mich im Laufe der Jahre durch Zufall ergeben. Am Anfang habe ich abends oft ganz bewusst den Tag Revue passieren lassen, habe mir die schönen Momente in Erinnerung gerufen, versucht, mich mit schönen Gedanken zur Ruhe zu bringen. Alles sollte schön und positiv und beruhigend sein und für mich den Schlaf mit etwas Angenehmen verbinden.

In Wirklichkeit habe ich damit jedoch das Gegenteil erreicht.

Mein ADHS-Kopf braucht nur einen Gedanken-Funken, um darauf anzuspringen. Zu jedem noch so kleinen Gedanken, findet er Zusammenhänge, Geschichten, Erinnerungen, Ideen und alles davon möchte beachtet und betrachtet und durchgedacht werden. Während ich also versuchte, meinen Kopf mit schönen Gedanken zu füttern, war mein Kopf damit beschäftigt, all diese Gedanken auszubauen und zu erweitern und mich damit wachzuhalten, denn da war doch NOCH etwas, worüber ich dringend nachdenken sollte!

CN: Tod, Trauer für den nächsten Absatz
2019 starb mein bester Freund gänzlich unerwartet und es ging mir monatelang sehr, sehr schlecht. Meine schönen Einschlafgedanken waren nicht mehr schön, sondern durchzogen von traurigen Erinnerungen, von Vermissen und Trauern und auch die Vorfreude auf den nächsten Tag war getrübt von dem Wissen, dass es ein weiterer Tag ohne ihn werden würde.

Ich suchte für mich verschiedene Hilfen und probierte unter anderem Achtsamkeits-Training und Meditation.

Das Achtsamkeits-Training fand ich irgendwo zwischen faszinierend und albern, zwischen spannend und nutzlos und fühlte mich von der Umsetzung überfodert. Die Meditationen wiederum halfen mir für eine Weile sehr und ich nutzte lange Zeit eine Einschlaf-Meditation statt meiner jetzt nicht mehr so schönen Gedanken.

Irgendwann brauchte ich die Hilfsmittel immer weniger und als mir die Einschlaf-Meditation schließlich nichts mehr gab, ließ ich sie sein und nahm stattdessen meine Schöne-Gedanken-Gewohnheit wieder auf. Schlief ich damit besser? Nein. Aber ich hatte ja ohnedies noch nie wirklich besser geschlafen.
Monate vergingen. Ich versuchte mich immer wieder in neuen Maßnahmen für besseres Einschlafen, doch nichts half dauerhaft und so lag ich im Bett, der Ehemann neben mir schlief, und meine Gedanken beschäftigten sich damit, wie ich das Schlafzimmer am besten umbauen könnte oder ob ich mich nicht vielleicht vor 3 Wochen unangemessen verhalten hatte.

Plötzlich sagte ich in Gedanken „Stopp!“ und „Wir schlafen jetzt!“ und das nächste, an das ich mich erinnerte war, wie ich nachts wie üblich aufwachte.

Erst war mir das gar nicht wirklich bewusst, es passierte einfach und als es mir bewusst wurde, fand ich es absurd: Seit wann hörte mein Kopf auf mich? Doch er tut es.

Ich gehe inzwischen davon aus, dass es eine der Achtsamkeitsübungen ist, die mir dabei hilft. Die Übung nennt sich Gedanken-Stopp und funktioniert so, dass man ein Stopp-Schild oder eine ausgestreckte Hand visualisiert und sich gleichzeitig in Gedanken ein nachdrückliches „Stopp“ zuruft. Dadurch unterbricht man den aktuellen Gedankenstrom. Danach lenkt man die Gedanken auf etwas Positives und vermeidet dadurch, dass der ursprüngliche Gedanken wieder zurückkommt.
Ich habe mir offenbar angewöhnt, diese Umleitung sein zu lassen – mein ADHS-Kopf würde ja ohnedies nur in einem neuen endlosen Gedankenzug landen – und mich schlafen zu schicken.

Das funktioniert heute (3 Jahre nachdem ich die Technik kennengelernt habe) tatsächlich fast immer! Ich glaube aber, dass dazu noch etwas anderes beiträgt, dass ich mir aus der Einschlaf-Meditation abgeleitet habe.

In den Meditationen sprach mich immer wieder ein Satz an, der aussagte, dass ich alles für diesen Tag erledigt hatte und das, was ich nicht erledigt hatte auf einen anderen Tag warten würde. Für mich hieß das: „Du darfst den Tag jetzt beenden.“

Ich nutze es heute so, dass ich mich etwa eine Stunde vor dem Schlafengehen frage, ob es noch etwas gibt, dass ich unbedingt heute erledigen möchte/muss. Früher war da immer eine ganze Liste an Dingen, die ich unbedingt noch tun wollte: Malen, Häkeln, Basteln, Spielen, Fernsehen, Lesen… Alles, was ich gerne mochte und wofür ich am Tag keine Zeit oder Energie gehabt hatte. Ich „musste“ das doch noch tun! Wer weiß, ob ich am nächsten Tag dazu kommen würde!
Heute sage ich mir fast immer: „Das kann ich auch ein anderes Mal tun.“ Vielleicht ist dieses „andere Mal“ dann tatsächlich am nächsten Tag, vielleicht stelle ich aber auch am nächsten Tag fest, dass mir gerade etwas anderes wichtiger ist – oder das, was mir am Abend noch so dringend und unaufschiebbar schien, jetzt doch nicht mehr so wichtig für mich ist.

Ich schließe dadurch den Tag für mich ab, beende ihn und gehe ohne Drängendes „aber ich will doch noch…“ schlafen. Auch Gedanken oder Pläne verschiebe ich auf ein anderes Mal. Manchmal schreibe ich sie mir auf, damit ich sie nicht vergesse, aber oft sind es Dinge, die wirklich überhaupt nicht wichtig sind oder mich unnötig belasten.

Ich meine, ich muss ja wohl echt nicht darüber nachdenken, ob ich mich vor x Wochen im Gespräch mit einer mir völlig fremden Person unpassend verhalten habe! Auch, wenn der Kopf das gerne genau vor dem Einschlafen dringend tun wollen würde.

Ich gehe mit der Überzeugung schlafen, dass ich alles erledigt habe und nichts so wichtig ist, dass es nicht bis zur nächsten Gelegenheit warten kann. Und wenn der Kopf dann anfängt, doch über irgendetwas nachdenken zu wollen, dann sage ich ihm „Stopp!“ und erinnere ihn daran, dass „heute“ gar nichts mehr zu tun oder zu denken ist und dass wir jetzt schlafen. Und dann schlafen wir. Manchmal auch erst nach der zweiten oder dritten Erinnerung, aber wir schlafen.

Nach wie vor nicht durch und nicht erholsam, aber wir schlafen, anstatt stundenlang wach zu liegen und über unnötige Dinge nachzudenken und auch, wenn ich nachts aufwache, weil da wohl doch noch etwas durchdacht werden wollte, kann der Kopf das ja wohl auch ohne meine bewusste Anwesenheit und ich kann so lange schlafen!

Selbst so ein ADHS-Kopf hat Stellschrauben! Vielleicht hat deiner ganz andere, aber der Punkt ist: Sie existieren und du kannst sie für dich finden. Nicht, indem du einer vorgegebenen Lösung folgst, sondern indem du deinen Kopf inspirierst, herumprobierst und ihn seine eigene Lösung bauen lässt, denn genau darin, sind ADHS-Köpfe echt gut!

Das wird nicht alle deine Probleme lösen, aber vielleicht hilft es dir dabei einzuschlafen oder durchzuschlafen oder erholsam zu schlafen – oder bei etwas ganz anderem; Hauptsache, es macht dein Leben ein kleines bisschen einfacher für dich.

Ein behinderter Blick: Online-Shops vs. lokaler Handel

Ein behinderter Blick: Online-Shops vs. lokaler Handel

14. August 2022 Claudia Unkelbach Comments 2 comments

Kennt ihr diese Schlagzeilen, dass die Innenstädte veröden, die lokalen Einzelhändler sterben und an allem der böse, böse Onlinehandel Schuld hat? Ja? Aber kennt ihr auch die Schlagzeilen, dass der Onlinehandel so zugänglich und behindertenfreundlich ist und zu Recht immer größeren Zulauf erhält? Nein? Verständlich, weil darüber berichtet nämlich niemand.

Ich bin Autistin, habe ADHS, eine soziale Angststörung, eine (komplexe) posttraumatische Belastungsstörung, chronische Schmerzen, Fatigue, bin dick und noch ein paar Dinge mehr, die hier aber nicht so wichtig sind. Was wichtig ist: Meine verschiedenen Probleme führen dazu, dass klassisches Shopping für mich voller Probleme und Hürden steckt.

Das beginnt schon damit, dass ich nicht ohne weiteres zum nächstgelegenen Laden komme. Wir wohnen am Stadtrand, bis zu einem Basic-Lebensmittelladen ist es ein Kilometer. An guten Tagen laufe ich das – aber die guten Tage sind gerade sehr selten.

Brauche ich mehr als Lebensmittel wird es schon komplizierter, denn schon alleine der nächste Schuhladen ist fußläufig nicht mehr wirklich erreichbar. Ich könnte also den Bus nehmen, aber der Bus ist als Autistin mit sozialer Angststörung jedes Mal eine enorme Belastung und ich bin nach der Busfahrt so erschöpft, dass ich eigentlich direkt wieder ins Bett müsste, um mich dort den Rest des Tages zu erholen.

Also Auto? Ja, funktioniert, aber dann kommt das nächste Problem: Sensorische Überreizung.

Läden sind hell, laut und oft voller Menschen und ich kann nichts davon ausblenden, weil mein Kopf Reize nicht filtert, sondern jeden einzelnen davon verarbeiten möchte. Das ist so, als würden 10 wichtige Menschen gleichzeitig mit dir reden und du MUSST allen zuhören, weil ihre Informationen wichtig sind und sie von dir erwarten, dass du sie beachtest. Sie werden sie nicht wiederholen, du bekommst sie auch nicht schriftlich und Fehler darfst du dir nicht erlauben, also hörst du besser zu. Allen! Klingt anstrengend? Ja! Genau das ist es.

Und jetzt stell‘ dir vor, du musst, während diese Menschen mit dir reden, auch noch entscheiden, was du in dem Laden kaufen möchtest. Du musst Schuhe anprobieren (noch mehr Reize!), du musst sie vergleichen, Preise nachschauen und schließlich eine Entscheidung treffen – und immer noch reden diese zehn Menschen mit dir und du darfst nichts von dem, was sie sagen verpassen!

Währenddessen bereitet das grelle Licht dir Kopfschmerzen, deine Ohren tun weh vom Lärm, deine Haut fühlt sich an, als wärst du durch ein Brennnessel-Feld gelaufen und innerlich möchtest du am liebsten explodieren, weißt aber, dass das gerade nicht geht.

Irgendwann schaffst du es in dem ganzen Trubel, dich für ein paar Schuhe zu entscheiden, du schaffst es, sie zu bezahlen und jetzt musst du nur noch mit ihnen nach Hause kommen – und hoffen, dass deine Entscheidung nicht allzu schlecht war, denn sonst musst du sie zurückbringen und neue aussuchen und das ganze Drama geht von vorne los!

Aber selbst, wenn du es irgendwie geschafft hast, tolle Schuhe mit denen du echt glücklich bist zu finden: Der Preis dafür ist hoch, denn dieser eine Einkauf hat deine Energie für den ganzen Tag erschöpft – und oft auch für den nächsten und den übernächsten. Ja, du hast deine Schuhe, aber du wirst heute nichts mehr kochen können, dich nicht mit Freund*innen unterhalten können – von treffen reden wir gar nicht erst -, nicht mehr arbeiten können und dein geliebter Sport? Vergiss ihn – du hast doch ein paar Schuhe!

Ja, es gibt Läden, die angenehmer sind. Sie sind vielleicht kleiner oder leiser oder du hast das Glück zu einem Zeitpunkt dort zu sein, zu dem kaum andere Menschen unterwegs sind und das ganze Einkaufserlebnis ist dadurch deutlich weniger anstrengend.

Jetzt kommt aber noch dazu, dass ich dick bin und dass ich oft sehr spezielle Interessen habe und dafür sehr spezielle Dinge benötige. Kleidung in meiner Größe vor Ort kaufen? Schwierig. Sehr schwierig. Eine sehr spezielle Silikonform für mein Spezialinteresse Backen vor Ort kaufen? Unmöglich. Ernsthaft. Unmöglich.

Das, was ich möchte, gibt es oft vor Ort nicht. Auch, wenn ich einen echt guten Tag habe und es schaffe, 3, 4, 5 Läden abzuklappern – es gibt diese Dinge nicht und noch nicht mal etwas Vergleichbares! Online tippe ich das, was ich möchte in eine Suchmaschine ein und in 9 von 10 Fällen werde ich fündig und kann das Gewünschte direkt bestellen – manchmal habe ich Pech und es ist in Deutschland nicht verfügbar (oder die Lieferkosten sind mir hoch).

Ich bekomme also das, was ich gerne hätte und es kostet mich auch noch deutlich weniger Energie.

Für mich ist Onlineshopping einfach so, so viel zugänglicher!

  • Ich bin nicht darauf angewiesen, dass ich körperlich dazu in der Lage bin, das Haus zu verlassen, zu einem Laden zu kommen und ihn zu betreten.
  • Ich muss nicht mit sensorischen Problemen im Laden kämpfen, denn der „Laden“ ist direkt in meinem Wohnzimmer und dort bestimmte ich die Umgebungsparameter.
  • Ich muss nicht mit fremden Menschen kommunizieren um das, was ich gerne hätte, auch zu bekommen, denn Onlineshops haben dafür Suchfunktionen.
  • Ich bekomme Dinge, die ich vor Ort einfach nicht bekommen kann.
  • Ich kann Preise direkt zwischen verschiedenen Shops vergleichen.
  • Ich kann über Produkte recherchieren und bekomme oft bessere Informationen als im Laden.
  • Ich bekomme alles nach Hause geliefert.
  • Ich kann zuhause ganz ohne Stress alles an- und ausprobieren.
  • Ich habe Zeit, um mich zu entscheiden, ob ich etwas möchte oder nicht und reduziere damit Impulskäufe.
  • Ich kann Fehlkäufe zurückschicken.

Ja, Onlineshopping hat Probleme, viele sogar! Aber ich habe so die Nase voll davon, dass der „lokale Einzelhandel“ als besonders schützenswert angesehen wird, während darüber nachgedacht wird, wie man Onlineshopping unattraktiver machen kann!

Ich erwarte überhaupt nicht mehr, dass der lokale Einzelhandel für mich zugänglich – geschweige denn attraktiv – ist, aber die Sache ist doch die: Entweder der lokale Einzelhandel passt sich an mich als Kundin an oder er lebt damit, dass ich mir eine Alternative suche!

Einzelhändler*innen haben immer weniger Kundschaft, weil alle lieber online kaufen? Ich verrate euch was: Es liegt nicht an den günstigen Preisen. Online ist oft überhaupt nicht billiger. Aber es ist zugänglicher, verfügbarer, einfacher, energiesparender und nervenschonender!

Natürlich kann der lokale Einzelhandel nicht alle Wünsche abdecken – ich verstehe total, dass meine ganz spezielle Silikonform vor Ort nicht verfügbar ist -, aber ist es wirklich so, dass 90 % der Menschen im Gegensatz zu mir gerne helle Lichter und laute Musik beim Einkaufen haben? Oder stört es sie nur einfach nicht und der Handel freut sich, weil er dann nichts verändern muss und die Marketing-Bibeln doch alle sagen, dass Dauerbeschallung zu mehr Einkäufen führt? Dann freut euch, aber wundert euch nicht länger, dass Menschen, die mit lauter Musik nicht zurechtkommen, nicht bei euch einkaufen wollen – ihr wollt sie ja offensichtlich überhaupt nicht als Kund*innen haben!

Wollt ihr doch? Dann werdet verdammt noch mal zugänglicher für Menschen wie mich, bevor sie euch alle davonlaufen!

Bei mir ist es schon zu spät, denn ich genieße die Vorteile des Onlineshoppings mittlerweile viel zu sehr, als dass ich mich wieder auf den ach so guten, alten lokalen Einzelhandel einlassen wollen würde, aber es gibt Menschen, die tatsächlich gerne vor Ort einkaufen und es wird Zeit, dass der lokale Einzelhandel sich für deren Bedürfnisse interessiert!

Zerstört mein Verhalten den lokalen Einzelhandel? Nein. Der lokale Einzelhandel zerstört sich selbst und das tut mir so leid für die Menschen, die auf ihn angewiesen sind!

PS: Ja, Mitarbeiter*innen im Onlinehandel und Paketzusteller*innen haben es oft hart und das finde ich echt Mist – nur glaubt bitte nicht, dass Mitarbeiter*innen im lokalen Einzelhandel es so viel besser haben. Die Probleme sind oft andere – und oft auch die gleichen.

PPS: Ja, große Onlinehändler, die ihre Steuern möglichst klein rechnen sind scheiße. Aber glaubt ihr, dass euer lokaler Einzelhändler vor Ort – der ja in den meisten Fällen auch nur Teil einer größeren Kette ist -, das nicht auch macht – soweit es ihm halt möglich ist?

Das ist meine Sicht und meine Gründe, warum ich lieber online einkaufe. Es gibt aber genau so auch behinderte Menschen, für die vor Ort einkaufen Vorteile gegenüber Online-Shopping hat!

Unsere Probleme und Lösungsansätze sind einfach unterschiedlich. Gemeinsam haben wir, dass wir uns wünschen würden, dass unsere Bedürfnisse besser berücksichtigt werden und das Einkaufen – wie und wo auch immer – dadurch für uns einfacher werden und uns weniger Energie kosten würde.

Urlaub zuhause?

Urlaub zuhause?

9. August 2022 Claudia Unkelbach Comments 0 Comment

Ich habe im letzten Teil der neurodivergenten Urlaubstipps angesprochen, dass ein Urlaub zuhause vielleicht die bessere Entscheidung sein kann – oder auch gar nicht anders möglich ist. Jetzt ist Urlaub ohne wegfahren aber immer mit einer gewissen Enttäuschung und Unzufriedenheit verbunden, denn irgendwie verbinden wir Urlaub mit Wegfahren und sich zu Hause erholen, dort, wo ohnedies schon viel zu viel Stress herrscht – wie soll das gehen?

Deswegen jetzt meine Ideen für Urlaub zuhause!

Was macht Urlaub zu Urlaub?

Für mich heißt Urlaub erstmal „frei haben“ und ja, das klingt vielleicht ein bisschen merkwürdig von einer Person, die keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Wovon sollte ich frei haben? Vom Nichtstun?

Die Sache ist aber die: Ich tue ja überhaupt nicht nichts!

Ich organisiere mein und unser Leben, arbeite quasi konstant an meiner psychischen Gesundheit, manage meine Schmerzen, kümmere mich um den Haushalt und schreibe solche Texte. Frei haben heißt für mich daher: Ich lasse die Dinge, die ich ruhen lassen kann, ruhen.

Natürlich hören meine Schmerzen nicht einfach so auf, nur weil ich jetzt Urlaub habe, und auch meine Psyche hält sich nicht unbedingt an Urlaubszeiten, sondern wird auch im Urlaub getriggert und dann muss ich mich darum kümmern – hilft ja nichts. Und auch der Alltag ist ja nicht einfach weg – noch weniger, wenn ich nicht wegfahre, sondern zuhause bleibe.

Es läuft also auf eine Minimal-Lösung hinaus: So wenig wie möglich, so viel wie nötig.

Bei mir heißt das, ich kümmere mich für meine festgelegte Urlaubszeit nicht um E-Mails, Briefe, Telefonate, organisiere keine Termine und lege den Urlaub – oder die Termine – so, dass ich keine Termine IM Urlaub habe.

Frage dich also: Wo kannst du deinen Alltag in eine Art Urlaubsmodus versetzen? Was kannst du vielleicht für eine Weile ignorieren? Worum musst du dich nicht ständig oder sofort kümmern und kannst es auf später verschieben? Der Alltag geht natürlich nicht weg, aber vielleicht kannst du ihn dennoch auf „später“ verschieben.

Dir würde das im Nachhinein mehr Stress bereiten? Dann finde deine persönliche Variante davon!

Stressfaktoren herausfinden und reduzieren

Was stresst dich in deinem Alltag? Ja, ich weiß, das stressigste sind die Dinge, die nicht von dir beeinflussbar sind und die wirst du natürlich auch im Urlaub nur bedingt los, aber ich denke, wir alle haben auch Stressfaktoren, die wir selbst beeinflussen können.

Das sind die Dinge, die oft mit unserer eigenen Einstellung zusammenhängen. Vielleicht denkst du, dass es wichtig wäre, eine ordentliche Wohnung zu haben, aber in Wirklichkeit stresst dich das Aufräumen viel mehr, als dir die aufgeräumte Wohnung zurückgibt. Vielleicht kochst du zwar total gerne, aber es täglich tun zu müssen, bedeutet für dich Stress. Vielleicht steigst du täglich auf die Waage und wenn sie sich in die falsche Richtung bewegt, ist dein Tag schon gelaufen.

Was ich sagen möchte: Finde die Kleinigkeiten heraus, die dafür sorgen, dass du dich gestresst oder schlecht gelaunt fühlst und schmeiße sie (mindestens) für den Urlaub aus deinem Leben – es ist total okay, die Wohnung nicht aufzuräumen, zu snacken statt täglich zu kochen oder die Waage einfach mal zu ignorieren.

Entspannungsfaktoren suchen und verstärken

Hier geht es jetzt genau in die andere Richtung: Was tut dir gut? Was erholt dich? Was beruhigt dich? Wann fühlst du dich wohl?

Ich weiß, das sind oft Dinge, die wieder andere Sachen voraussetzen und auf umso mehr Arten wir eingeschränkt sind – finanziell, körperlich, sensorisch… -, umso mehr Möglichkeiten fallen natürlich weg. Ich möchte dich aber dazu anregen, nach den Dingen zu suchen, die dir trotz deiner Einschränkungen möglich sind, denn die gibt es, selbst wenn sie manchmal nur ganz klein und unscheinbar wirken.

Wenn du erstmal weißt, was dir guttut, dann nutze deinen Urlaub dafür, umso viel davon zu machen wie möglich – und das so oft wie es nur geht.

Ein zusätzlicher Tipp: Halte dich nicht an den Dingen fest, die dir früher möglich waren, es jetzt aber nicht mehr sind. Ich weiß, das ist unheimlich bitter und frustrierend und du musst darüber trauern. Du möchtest dir aber gerade etwas Gutes tun und deswegen: Schiebe das zumindest für jetzt beiseite!

Mach‘ es dir schön

Bist du gerne bei dir zuhause? Fühlst du dich dort wohl? Oder ist es eher so, dass du selbst bei dir zuhause nie ganz zur Ruhe kommst?

Dein Zuhause sollte der Ort sein, wo du wirklich gerne bist, wo du entspannen kannst und möglichst keinen Stress hast – nicht nur, wenn du den Urlaub dort verbringst, sondern immer. Es ist dein Rückzugsort.

Deswegen frage dich, ob und was dir fehlt, um zuhause wirklich zuhause zu sein. Vieles lässt sich nicht beeinflussen – die ewig lauten Nachbar*innen wirst du nicht loswerden und wenn du seit Wochen eine Baustelle vor der Tür hast, wird sie auch nicht einfach so verschwinden, weil dir das guttun würde.

Anderes aber kannst du verändern: Du fühlst dich in deinem Bett nicht wirklich sicher? Vielleicht hilft es dir, es an einen anderen Platz zu schieben? Du würdest gerne einem neuen Hobby nachgehen, aber dir fehlt der Platz? Vielleicht kannst du etwas umräumen oder ausmisten und dir so den Platz schaffen?

Oft reichen Kleinigkeiten aus, um etwas zu ermöglichen oder besser zu machen – du musst sie nur finden.

Schließe Frieden mit deiner Entscheidung

Ich weiß, es ist hart, wenn du gerne in den Urlaub fahren würdest – und das vielleicht auch alle um dich herum machen -, du es aber nicht kannst. Es ist vielleicht nicht wirklich (d)eine Entscheidung oder du triffst sie nur aus Vernunftgründen, leidest aber dennoch darunter.

Schließe Frieden damit.

Das klingt so banal, ist es aber überhaupt nicht. Sich mit ungewollten Entscheidungen zu arrangieren ist hart. Da steckt viel Trauer darin, viel Wut, viel Hilflosigkeit. Nichts ist so schwer auszuhalten, wie nichts tun zu können!

Das Problem ist nur: Du stresst dich damit! An der Situation ändert sich nichts, aber umso mehr du sie verabscheust, dich darüber ärgerst und darunter leidest, umso mehr stresst sie dich.

Ich sage nicht, dass in jeder Situation etwas Positives ist und du es nur finden musst; dem ist nicht so. Was du aber tun kannst, ist, für dich einen – vielleicht ja auch nur vorübergehenden – Frieden damit schließen. Ärgere dich nach deinem Urlaub wieder darüber, wenn du das möchtest, aber IM Urlaub, willst du dir Gutes tun und dich zu ärgern tut dir nicht gut.

Mach‘ es dir leicht

Weißt du, was einer der Hauptgründe ist, warum wir Wegfahren als Urlaub empfinden? Dass wir uns an weniger Regeln halten, die Dinge lockerer sehen, über die Stränge schlagen, uns etwas gönnen, nicht so sehr darüber nachdenken, ob wir das 2. oder 3. oder 4. Eis wirklich noch essen sollten, sondern es einfach tun.

Deswegen: Sei großzügig zu dir selbst und mache es dir leicht.

Du hast keinen Bock zu duschen, dabei ist das letzte Mal schon zwei, drei Tage her? Solange sich deine Mitbewohner*innen nicht beschweren oder du dich selbst damit unwohl fühlst: Dann duschst du halt morgen! Du möchtest Kuchen zum Frühstück? Ja, dann iss ihn doch! Du willst den ganzen Tag nackt auf der Couch liegen und deine Lieblingsserie gucken? Nur zu!

Solange du damit anderen nicht schadest: Lebe zumindest im Urlaub so, wie du es willst. Du wirst schon nicht verlottern, nur weil du mal ein paar Tage die Dinge locker nimmst und dich nicht an gesellschaftliche Normen und Regeln hältst, nicht fleißig bist und nicht an dir arbeitest.

Die Sache mit der Sehnsucht

Vollkommen egal, wie sehr du mit deiner Entscheidung Frieden geschlossen hast, wie wohl du dich bei dir Zuhause fühlst und was für erholsame Dinge du tust: Du wirst dennoch immer wieder Sehnsucht nach etwas anderem, nach dem, was nicht geht, haben.

Ich habe immer wieder Phasen, wo ich tagelang Reisen plane, weil ich mich so danach sehne – Reisen, die ich aber nie machen werden könne. Ich sage es ganz ehrlich: Das sind nicht meine besten Phasen und es fühlt sich überhaupt nicht gut an – aber sag das mal der Sehnsucht.

Es ist okay, Sehnsucht nach etwas anderem zu haben – auch und gerade, wenn es nicht für dich erreichbar ist und vielleicht auch nie sein wird. Verliere dich nur nicht in dieser Sehnsucht und versinke nicht in deiner eigenen Hilflosigkeit gegenüber der Situation.

Achtsamkeit und der Gedanken-Stopp

Wenn du merkst, dass deine Sehnsucht nach etwas unerreichbarem immer größer wird, gewöhne dir an, sie bewusst zu stoppen. Setze dir selbst ein klares, inneres Stopp-Zeichen. Das kann zum Beispiel so aussehen, dass du dir in Gedanken selbst sagst: „Stopp jetzt! Ja, das wäre alles total schön und ich denke auch gerne darüber nach, aber JETZT will ich mein Leben weiterleben!“ Und dann tust du das auch! Beschäftige dich mit etwas, denk‘ über etwas ganz anders nach, lass‘ die Gedanken nicht wieder rein.

Ich weiß, ich weiß, das klingt schräg! Es funktioniert aber! Wahrscheinlich nicht beim ersten Mal und auch nicht beim zweiten, aber nach einer Weile wird dir auffallen, dass es tatsächlich wirkt. Es ist eine Methode aus dem Achtsamkeitstraining und nennt sich „Gedanken-Stopp“ und ich setze sie mittlerweile sehr vielfältig ein – zum Beispiel auch um abends einschlafen zu können.

Das Bild von Urlaub verändern

Zuhause Urlaub zu machen ist oft keine wirklich freie Entscheidung. Sie ist den Umständen geschuldet, den eigenen eingeschränkten Möglichkeiten und Behinderungen. Zuhause Urlaub zu machen ist nicht das, was wir uns unter Urlaub wirklich vorstellen.

Ich will dich aber einladen, dein Bild von Urlaub zu verändern. Urlaub sollte deiner Erholung und Entspannung dienen. Erholung und Entspannung findest du aber auch außerhalb dessen, was uns als Urlaub verkauft wird!

Definiere Urlaub für dich neu! Finde die Dinge, die dir gut tun und dir (problemlos) möglich sind. Finde heraus, was dir Stress bereitet und von dir beeinflussbar ist und dann reduziere es, soweit du kannst. Halte dich nicht mit dem auf, was du nicht beeinflussen und verändern kannst, sondern suche nach dem, worauf du Einfluss hast!

Ich weiß, dass das alles nicht einfach ist und das eingeschränkte Möglichkeiten – egal aus welchem Grund – immer auch mit Schmerz, Trauer und Leid verbunden sind. Lass‘ dich davon aber bitte nicht abhalten, auch glücklich zu sein – auch wenn du andere Wege dafür brauchst.

Neurodivergente Urlaubstipps – Teil 3

Neurodivergente Urlaubstipps – Teil 3

5. August 2022 Claudia Unkelbach Comments 0 Comment

Das hier ist eine Aufstellung an Tipps, die MIR (mit ADHS, Autismus, einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung, einer sozialen Angststörung und chronischen Schmerzen) im und für den Urlaub helfen. Mir ist klar, dass vieles davon nicht für jede*n machbar ist – zum Beispiel aus finanziellen Gründen, weil Kinder mitbedacht werden müssen oder die persönlichen Bedürfnisse einfach ganz andere sind. Auch wird das, was für mich gut ist, nicht zwingend auch für dich gut sein. Neurodivergenz ist individuell und genauso sind unsere Probleme (und das, was uns keine Probleme bereitet) sehr individuell.

Verstehe das hier also bitte mehr als: „Da könnte ich mal darüber nachdenken, ob das auch was für mich wäre, oder wie ich es für mich anpassen könnte.“ anstatt als direkte oder ultimative Lösung.

Dieses Mal geht es darum, wie du deinen Urlaub für dich passend gestaltest.

Erholungszeit

Ich habe das schon in Teil 1 kurz angesprochen: Ich brauche mehr Zeit als andere, um mich von der Anreise zu erholen und einzugewöhnen. Es ist tatsächlich so, dass ich erstmal zwei bis drei Tage so gut wie gar nichts tue und erst dann offen für Urlaubserlebnisse bin.

In diesen ersten Tagen kümmere ich mich um Essen und verbringe die übrige Zeit mit den Dingen, die mir gerade gut tun. Und ja, das ist oft einfach nur herumliegen und fernsehen oder durch Instagram scrollen und daran ist überhaupt nichts schlecht. Körper und Geist brauchen einfach Erholung von den Reisevorbereitungen und der Reise selbst und möchten sich langsam an die neue Umgebung gewöhnen.

Aber auch danach brauche ich oft mehr Erholung als andere. Ich verbringe zwischen Unternehmungen oft Stunden mit „Nichtstun“, bin mal ganze Vor- oder Nachmittage nicht ansprechbar und bei langen Urlauben kommt es auch schon vor, dass ich zwischendurch einfach für zwei Tage nichts mehr tun kann: Erholungsmodus.

Jetzt ist das Bild von Urlaub natürlich durchaus, dass man sich dabei erholt, aber die Vorstellung, wie diese Erholung auszusehen hat, ist eher nicht, dass man im Bett oder auf der Couch herumliegt und fernsieht – da hätte man ja auch gleich zuhause bleiben können /hj (Tonindikator: half-joking) Wir stellen uns Erholung eher so vor, dass das gesamte Urlaubserlebnis Erholung zu sein hat: Ein anderer Ort, spannende Erlebnisse, gutes Essen, vielleicht am Strand liegen – das prägt unser Bild von Erholung(surlaub)!

Ich weiß nicht ob das bei anderen Menschen eher zutrifft, bei mir ist es definitiv nicht so. Urlaub ist Stress. Urlaub ist ohne Zweifel auch toll, er bringt mir viele tolle Momente und Erinnerung, aber als Erholung würde ich ihn wirklich nicht bezeichnen.

Mein Rat wäre daher: Freunde dich mit dem Gedanken an, dass du DEINE persönliche Form von Erholung finden musst und vollkommen egal, was für dich tatsächlich erholsam ist, es ist richtig! Auch im Urlaub.

Lass den Gedanken los, dass du im Urlaub etwas erleben oder Dinge tun musst. Höre auf deine Bedürfnisse! Du fühlst dich nicht so richtig fit? Mach‘ Pause! Du bist überreizt und überfordert? Mach‘ Pause! Dir ist gerade nicht nach einer Unternehmung? Mach‘ Pause!

Ehrlich. Du musst in deinem Urlaub keinen Besichtigungsrekord aufstellen oder alles, was nur irgendwie möglich erscheint, in deine Urlaubstage pressen. Es ist DEIN Urlaub und du holst das für dich Beste dadurch heraus, dass du auf dich und deine Bedürfnisse achtest – und wenn das bedeutet, dass du die Hälfte deines Urlaubs verschläfst, dann ist das eben so. Dein Wohlbefinden ist das Wichtigste.

Das ist unheimlich schwierig, weil wir es so gewohnt sind, vorgelebt zu bekommen, wie Urlaub angeblich zu sein hat – mit Party und Abenteuern und Erlebnissen -, dass wir denken, genau diese Dinge wären es, was einen Urlaub toll machen würde. Das stimmt aber überhaupt nicht. Urlaub ist dann toll, wenn es dir gut geht – und das hat meistens überhaupt nichts mit unserem Bild von Urlaub zu tun.

Wenn das bedeutet, dass der für dich beste Urlaub darin besteht, gar nicht erst in Urlaub zu fahren ist das übrigens genauso gut!

Urlaubserlebnisse

Wenn wir jetzt aber tatsächlich an einem anderen Ort sind und Lust haben, etwas zu tun – was wollen wir überhaupt tun?

Mein großer Tipp: Orientiere dich an deinen Spezialinteressen und an dem, was dir grundsätzlich Freude bereitet!

Bei mir ist das zum Beispiel nahezu alles, was mit Nahrungsmitteln und Kochen zu tun, dazu liebe ich Natur und Wasser, Säugetiere und Farben. Ich habe kein großes Interesse an den meisten klassischen Sehenswürdigkeiten und Touristenattraktionen – ganz abgesehen davon, dass diese sowieso oft total überlaufen sind und ich Menschenmassen hasse.

Klassische Reiseführer bringen mir daher nicht gerade viel. Was ich aber oft toll finde, sind Reiseführer, die Routen anbieten, um eine Stadt zu Fuß zu erkunden – da gibt es oft richtig spannende Orte zu entdecken.

Meistens gehe ich im Urlaub aber so vor, dass ich mir überlege, worauf ich gerade Lust habe und dann einen Ausflug mit Hilfe Google Maps plane. Ich habe Lust auf Wasser? Dann scrolle ich durch die Umgebung und suche nach Teichen oder Seen und wie ich dort hin komme. Ich hätte jetzt gerne ein Eis? Dann suche ich nach Eisdielen und wähle eine aus, die vielleicht ein Stück weiter weg ist, um mich auf dem Weg von der Umgebung überraschen zu lassen.

Ganz grundsätzlich folge ich oft Wegen, die spannend aussehen, auch wenn sie nicht direkt zum Ziel führen. Manchmal sind sie ein unnötiger Umweg, manchmal entdecke ich dabei großartige Orte, die ich sonst wahrscheinlich nie gesehen hätte.

Letzten Endes geht es immer nur um eines: Was würde dir gerade gut tun?

Du machst Urlaub, vergiss das nicht. Du hast nichts zu erledigen oder abzuarbeiten. Auch wenn du am historisch bedeutendsten Ort der Welt Urlaub machst: Es ist nicht deine Aufgabe, all die historischen Orte auch zu besichtigen! Selbst wenn du historische Orte liebst! Schau dir jene an, die dir am wichtigsten sind und selbst davon nur so viele, wie du wirklich genießen kannst – und den Rest kannst du vielleicht bei einem weiteren Urlaub in der Zukunft sehen.

Dir läuft nichts davon! Ehrlich. Auch wenn du mal irgendein Ereignis verpasst: Es wird andere dafür geben. Es geht nicht um ein spezielles, umwerfendes, einmaliges Urlaubserlebnis. Es geht um schöne Erinnerungen und die bekommst du in den Momenten, wo du es am wenigstens erwartest.

Planen oder nicht planen?

Meine ersten Urlaube als Erwachsene waren immer vollgestopft mit Plänen und Erlebnissen. Ich kaufte Reiseführer, las sie sorgfältig durch und dachte dann, ich müsste ganz, ganz viel aus diesem Reiseführer auch tatsächlich tun, alles besichtigen, alles erleben. So, als wäre der Reiseführer eine To-Do-Liste, die ich abzuarbeiten hatte.

Irgendwann fing ich dann – sehr zur Verwirrung anderer Menschen – damit an, KEINE Pläne mehr zu machen. Wenn man mich fragte, was ich am Urlaubsort alles geplant hätte, antwortete ich immer, dass ich keine Pläne hätte und einfach alles auf mich zukommen lassen würde. Nur um dann prompt eine Liste an Dingen zu bekommen, die ich unbedingt tun sollte, wenn ich dort wäre! Urlaubs-To-Do-Listen! It’s a thing!

Ich plane heute also eigentlich nicht mehr – ich recherchiere aber sehr, sehr viel. Egal also ob vorab oder erst direkt im Urlaub: Kommen wir zur Recherche.

Recherche

Mein bester Freund für die Recherche ist Google Maps. Nicht nur, dass ich darüber Wasserflächen und Parks – und auch gleich den Weg dorthin – finden kann, ich kann auch nach Lokalen und Geschäften suchen und bekomme bereits einen Einblick in das Angebot.

In Städten, in denen Street View funktioniert, ist auch das eine tolle Möglichkeit, um sich schon mal umzusehen und herauszufinden, wie zugänglich ein Ort ist.

Ich stöbere auch sehr gerne auf den Internetseiten von Unternehmen und Veranstaltern, denn so kann ich mich im Voraus auf das, was mich erwartet, vorbereiten – manchmal führen die Informationen (oder ihre Abwesenheit) aber auch dazu, dass ich einen Ort von Anfang an meide, weil ich bereits ahne, dass ich dort nicht klarkommen – oder mich nicht willkommen fühlen – werde.

Städte selbst bieten auf ihren Internetseiten oft Infos für Touristen an – die Qualität ist sehr unterschiedlich und natürlich stark an klassischen Touristeninteressen orientiert, aber es gibt dennoch immer wieder spannende Tipps. Auch Veranstaltungstermine finden sich meistens auf den Internetseiten der Städte – vielleicht ist ja was für dich dabei?

Wenn du ein Spezialinteressen hast, empfehle ich eine Internetsuche nach „Spezialinteresse + Reiseziel“. Oft findest du dann Tipps von anderen Menschen, die das selbe Interesse haben und vor Ort wohnen oder schon mal dort im Urlaub waren und lernst dadurch coole Orte kennen, die du sonst nicht gefunden hättest.

Planen!

So wenig ich auch ein Freund von festen Plänen für den Urlaub bin: Manchmal möchte man etwas unternehmen, für das man sich bereits im Vorfeld anmelden muss, Tickets benötigt oder was nur zu bestimmten Zeiten möglich ist. Da hilft dann alles nichts und das entsprechende Event muss im Voraus festgelegt werden.

Ich weiß mittlerweile aber, dass fixe Termine für mich sehr, sehr schwierig sind – ich kann einfach nie vorher wissen, ob ich zum entsprechenden Termin auch tatsächlich fit genug sein werde. Ich verzichte daher (zumindest derzeit) komplett auf so etwas.

Abgesehen davon bietet es sich oft an, Tickets für Sehenswürdigkeiten und Museen bereits im Voraus zu buchen. Oft kann man dann die lange Schlange am Eingang umgehen und eine „Fast Lane“ benutzen. Manchmal sind vorab gebuchte Eintrittskarten auch günstiger.

Viele Museen bieten darüber hinaus freien Eintritt an bestimmten Tagen – zum Beispiel montags oder am ersten Sonntag im Monat.

Von A nach B

Eine fremde Umgebung stellt immer gewisse Anforderungen an die Fortbewegung. Ich bin meistens zu Fuß unterwegs und freue mich sehr über die vielen unerwarteten Dinge, die ich so zu sehen bekomme. Zur Navigation nutze ich meistens Google Maps – allerdings ohne mich tatsächlich navigieren zu lassen, sondern mehr wie eine gute, alte Landkarte.

Ich bin aber nicht nur wegen der schönen Umgebung zu Fuß unterwegs oder weil ich halt einfach gerne zu Fuß gehe, sondern auch, weil ich immer erst meine Scheu vor Menschen und öffentlichen Verkehrsmitteln bekämpfen muss. Zu Fuß ist der Unternehmungsradius allerdings etwas begrenzt und so schaffe ich es meistens erst im späteren Verlauf des Urlaubs, auch Dinge, die weiter weg sind zu unternehmen.

Die meistens Städte habe ein eigenes System an öffentlichen Verkehrsmitteln mit eigenen Abrechnungssystemen und man muss sich an jedes einzelne davon erst einmal gewöhnen. Normalerweise gibt es aber eine dazugehörige App, die auch eine Fahrplanauskunft beinhaltet und über die man Tickets kaufen kann. Es kann sich lohnen, sich die App schon im Vorfeld zu installieren, sich eventuell anzumelden und sich schon einmal mit ihr vertraut zu machen.

In manchen Städten benötigt man spezielle Karten, um die öffentlichen Verkehrsmittel zu benutzen. Diese kann man meistens an Automaten am Bahnhof oder an größeren Haltestellen kaufen und eventuell aufladen. In London zum Beispiel genügt aber auch eine Kreditkarte mit NFC, um jederzeit Fahrkarten zu lösen.

Google Maps ist auch für öffentliche Verkehrsmittel hilfreich und bietet inzwischen in vielen Städten und Regionen Fahrplanauskünfte!

Falls Leih-Räder oder -Roller eine Möglichkeit für dich sind: Auch die gibt es in vielen Städten und du kannst sie über Apps ausleihen.

Essen im Urlaub

Obwohl ich unheimlich gerne neues Essen ausprobieren, bin ich halt trotzdem Autistin und umso gestresster ich bin, umso eher möchte ich mein Safe Food. Da gerade die ersten Urlaubstage immer Stress bedeuten ernähre ich mich an diesen Tagen oft sehr eingeschränkt.

Ich mag es, noch am ersten Urlaubstag – nachdem ich das Reisegepäck in der Unterkunft abgestellt habe – in einen Laden zu gehen und etwas zu essen zu kaufen. Das ist dann erstmal nur Safe Food und vielleicht ein bisschen Obst, aber damit komme ich über die ersten paar Tage.

Wenn einkaufen für dich stressig ist: Nimm dir doch was von zuhause mit, mit dem du dich ganz sicher wohl fühlst!

Im späteren Urlaubsverlauf gehe ich dann durchaus auch mal essen – zumindest, wenn der Ehemann dabei ist, denn alleine fällt mir das oft sehr schwer. In den meisten Urlauben koche ich aber in erster Linie selbst oder esse Brot/Brötchen mit Belag – deswegen ist es für mich bei der Unterkunft auch so wichtig eine Küche, oder zumindest einen Kühlschrank zu haben!

Ich denke, die Essensfrage im Urlaub ist sehr stark davon abhängig, was für dich weniger Stress ist (selber kochen oder essen gehen) und was dir an Geld zur Verfügung steht, denn Essen ist leider auch immer eine Preisfrage.

Wenn du dich sowieso schon gestresst fühlst und das ganze Thema Essen dich noch zusätzlich stresst: Es ist auch total in Ordnung einen ganzen Urlaub lang, nur dein(e) Safe Food(s) zu essen! Echt. Das ist ja kein dauerhafter Zustand, sondern ein vorübergehender Urlaub und wie immer ist das wichtigste dabei, dass du dich wohlfühlst. Wenn das über dein Safe Food funktioniert, dann iss es!

Wenn du gerne kochst sind lokale Läden und Märkte immer ein toller Ort – und wenn du vom Schauen und Riechen schon total überfordert bist, dann kaufst du dort vielleicht trotzdem nichts, sondern bleibst lieber bei deinem Safe Food. Auch das ist überhaupt nicht schlimm.

Auch Convenience Food – vorgeschnittenes Obst, fertige Salate, belegte Brote – ist oft extrem praktisch im Urlaub!

Trinken – auch für unterwegs

Ich trinke hauptsächlich Wasser und habe auch immer eine Wasserflasche mit, die ich einfach mit Leitungswasser fülle. Manchmal schmeckt mir das Wasser am Urlaubsort aber nicht und nachdem ich mich einmal tagelang damit gequält habe, dieses Wasser trotzdem zu trinken, mache ich es jetzt so, dass ich in so einem Fall eben Wasser oder andere Getränke kaufe. Klingt total simpel, aber manchmal braucht ein neurodivergentes Gehirn dafür eine Erlaubnis.

Auch unterwegs habe ich meine Wasserflasche mit – manchmal nur halb gefüllt, wenn ich nicht so viel tragen kann. Man kann die Wasserflasche meistens unterwegs auffüllen, zum Beispiel am Waschbecken von (öffentlichen) Toiletten, bei speziellen Trinkbrunnen oder es gibt Läden, wo man die Wasserflasche wieder füllen lassen kann – und die ich wegen meiner sozialen Angststörung natürlich noch nie ausprobiert habe. Aber es gibt sie!

Ansonsten: Kauf dir was zu trinken! Echt. Kopfschmerzen wegen zu wenig Flüssigkeit sind uncool.

Die Comfort Zone (nicht) verlassen

Ich weiß, viele Menschen nutzen den Urlaub, um aus ihrer „Comfort Zone“ zu kommen. Wenn du neurodivergent oder auf andere Weise marginalisiert bist, ist es aber häufig so, dass ohnedies große Teile deines Lebens außerhalb deiner Comfort Zone ablaufen. Daher bitte: Stresse dich im Urlaub nicht zusätzlich damit, dass du dich dazu zwingst, Dinge zu tun, die dir schwerfallen. Bleibe ruhig IN der Comfort Zone. Tue das, von dem du weißt, dass du dich damit wohlfühlst. Urlaub ist Erholung, kein Selbstoptimierungstrip!

Dein Urlaub hat nur eine Aufgabe: DIR gut zu tun. Alles, was dazu beiträgt ist eine gute Maßnahme und es ist vollkommen egal, wie passend das für einen Urlaub erscheint. Wenn es für dich passt, dann ist es richtig.

Schlusswort

Urlaub stellt uns vor viele Herausforderungen und selbst wenn wir wissen, was uns gut tut, sind uns oft finanzielle – oder andere – Grenzen gesetzt und wir können unseren Urlaub nicht so gestalten, wie wir das brauchen würden.

Gerade dann ist es aber umso wichtiger, herauszufinden, was für dich persönlich wichtig ist und was du benötigst, um dich erholen zu können, deswegen will ich dich darin bestärken, deine ganz eigene Art von Urlaub für dich zu (er)finden. Wenn es dir hilft, dann fahre alleine, mache Urlaub „gleich ums Eck“, liege drei Tage im Bett und schaue fern und iss dabei nichts als dein Safe Food!

Wenn Geld, Zeit und Nerven aber gar keinen Wegfahr-Urlaub zulassen – oder du so viele Abstriche machen müsstest, dass er mehr Stress als Urlaub wäre: Vielleicht kannst du dein Zuhause für die Urlaubszeit so gestalten, dass du dort Abstand vom Alltag bekommst.

Das ist nämlich das, was Urlaub für uns zum Urlaub macht: Alles für eine Weile zurücklassen, Post, Termine und Verpflichtungen ignorieren und die Außenwelt einfach außen sein lassen, denn im Urlaub geht es um uns. Nur um uns.

Neurodivergente Urlaubstipps – Teil 2

Neurodivergente Urlaubstipps – Teil 2

4. August 2022 Claudia Unkelbach Comments 0 Comment

Das hier ist eine Aufstellung an Tipps, die MIR (mit ADHS, Autismus, einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung, einer sozialen Angststörung und chronischen Schmerzen) im und für den Urlaub helfen. Mir ist klar, dass vieles davon nicht für jede*n machbar ist – zum Beispiel aus finanziellen Gründen, weil Kinder mitbedacht werden müssen oder die persönlichen Bedürfnisse einfach ganz andere sind. Auch wird das, was für mich gut ist, nicht zwingend auch für dich gut sein. Neurodivergenz ist individuell und genauso sind unsere Probleme (und das, was uns keine Probleme bereitet) sehr individuell.

Verstehe das hier also bitte mehr als: „Da könnte ich mal darüber nachdenken, ob das auch was für mich wäre, oder wie ich es für mich anpassen könnte.“ anstatt als direkte oder ultimative Lösung.

Die Urlaubstipps beziehen sich auf Urlaub mit dem Auto oder dem Zug, in erster Linie innerhalb Deutschlands, mit Übernachtung in einem Airbnb und mit einer Aufenthaltsdauer von einer Woche oder mehr.

Reisegepäck

Sofern du nicht mit dem Auto in Urlaub fährst, versuche immer, dein Gepäck so weit wie möglich zu reduzieren! Ich verreise normalerweise mit einem Koffer, einem Rucksack und einer kleineren Tasche oder einem kleineren Rucksack, die ich aber im Koffer transportiere, um nicht zu viele Gepäckstücke zu haben.

Wähle Gepäckstücke aus, die du gut transportieren kannst und in denen dein Gepäck sicher verstaut ist. Ich bevorzuge Koffer, am liebsten mit 4 Rollen – weiche Rollen machen weniger Lärm, gehen aber schneller kaputt. Es gibt auch Reisetaschen mit Rollen, wobei ich zwar die Rollen praktisch finde, aber in Taschen fliegt meistens alles wild herum. Als „Handgepäck“ liebe ich Rucksäcke, weil sich das Gewicht gut verteilt und man immer die Hände frei hat.

Wenn ich mein Gepäck unterwegs nicht ständig im Auge haben kann, weil es zum Beispiel auf einer Sammelablage im Zug liegt oder ich es für den Flug aufgebe, dann verwende ich Schlösser. Mein Lieblingskoffer hat ein integriertes Schloss, für den Rucksack habe ich ein kleines Vorhängeschloss, dass sich mit Fingerabdruck entsperren lässt.

Außerdem verwende ich als kleine Tasche für den Urlaubsalltag (und auch für den normalen Alltag) eine Tasche von Pacsafe. Die haben sich auf Taschen mit Diebstahlsicherung spezialisiert und zum Beispiel Drähte in den Umhängeschlaufen, ein Drahtgewebe unter dem Stoff oder clevere Reißverschluss-Lösungen, die man sicherer verschließen kann. Seit mir in Paris mein Portemonnaie aus einer ganz normalen Handtasche geklaut wurde, verwende ich nur noch Pacsafe-Taschen und fühle mich damit deutlich sicherer.

Koffer packen

Ich kann Koffer packen nicht ausstehen und schiebe es meistens bis zum letztmöglichen Zeitpunkt hinaus – sprich bei Autofahrten bis zum Tag der Abfahrt, bei Zugfahrten bis zum Vorabend. Ich mache mir allerdings im Vorfeld schon oft Gedanken darüber und weiß dadurch bei vielen Dingen schon, dass sie mitkommen sollen – oder nicht.

Grundsätzlich: Ich erstelle Stapel für alles, was ich mitnehmen möchte und ordne es dabei in Kategorien, die für mich Sinn ergeben. Erst, wenn ich alle Stapel fertig habe, packe ich sie in den Koffer – ohne Packwürfel, weil ich die nicht mag.

Normalerweise passt das. Manchmal muss ich danach noch reduzieren – und reduzieren heißt, dass ich schaue, dass ich nach dem Packen noch freien Platz im Koffer habe, denn es gibt immer Urlaubsmitbringsel und wir haben bereits mehr Taschen, als wir je verwenden können, weil wir regelmäßig IM Urlaub welche nachgekauft haben, weil wir keinen Platz mehr hatten.

Meine Stapel (die beziehen sich auf Auto- oder Zugfahrten, beim Fliegen ist es oft komplizierter wegen Handgepäck und Flüssigkeiten usw.):

Medikamente

Meine Medikamente sind super wichtig und ich darf sie auf keinen Fall vergessen, daher ist das der allererste Stapel, um den ich mich kümmere. Ich packe alle meine täglichen Medikamente in Tablettenboxen und ich verwende so viele, wie ich brauche, um den gesamten Urlaub abzudecken. Dazu kommen ein paar Hilfsmittel (z.B. Nadeln für den Insulin-Pen), die ich in Zip-Lock-Beuteln transportiere. Wenn du Medikamente hast, die gekühlt werden müssen: Ein Kühlkissen hilft da schon.

Ansonsten nehme ich Medikamente mit, die ich häufig benötige, wie:

  • Wund- und Heilcreme (z.B. Bepanthen)
  • Aciclovir (Herpescreme)
  • Schmerzmittel
  • Fenistil (bei Insektenstichen und allergischen Reaktionen)
  • Otriven (Nasenspray)
  • Pflaster

Alles, was rezeptfrei ist, lässt sich aber meistens auch problemlos vor Ort in einer Apotheke kaufen, wirklich wichtig sind deine rezeptpflichtigen Medikamente.

Wichtig! Denke rechtzeitig daran, Rezepte und Medikamente nachzubestellen, damit du über den gesamten Urlaub kommst!

Kleiner Hinweis für Auslandsreisen mit Medikamenten, die unter das Betäubungsmittelgesetz fallen (alles, wofür du ein Betäubungsmittel-Rezept bekommst): Es gibt dafür bestimmte Regeln und du benötigst eine Bescheinigung. Die Bescheinigung muss dein*e Arzt*Ärztin ausfüllen und sie muss von der für dich zuständigen Behörde beglaubigt werden! Du findest die Bescheinigung und eine Liste der zuständigen Stellen beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Grundsätzlich darfst du im Schengen-Raum Betäubungsmittel für bis zu 30 Tage mitnehmen. Kümmere dich frühzeitig um diese Bescheinigung!

Kulturbeutel

Wir haben einen Kulturbeutel, in dem der Reisebedarf dauerhaft verstaut ist: Vor allem Zahnbürsten und -creme, Rasierbedarf, Bürste, Shampoo, Sonnencreme, Nagelset (super praktisch). Ich schaue diesen Kulturbeutel vor der Abreise noch mal durch, aber es ist bei den wenigsten Dingen dramatisch, wenn sie fehlen, denn man kann sie im Normalfall vor Ort nachkaufen.

Von daher: Achte darauf, dass du die Produkte, die schwierig zu besorgen sind, mit hast, bei allen anderen ist es nicht so wichtig.

Klamotten

Du brauchst weniger als du denkst. Wenn du eine Waschmaschine in deiner Unterkunft hast, brauchst du noch weniger.

Wann immer ich kann, wähle ich eine Unterkunft mit Waschmaschine, dadurch muss ich deutlich weniger mitnehmen. Ich verreise meistens im Frühsommer oder -herbst und dafür packe ich ein:

  • 4 x Unterwäsche + Socken
  • 2 x Hosen
  • 1 x Rock (weil ich Röcke mag, sonst einfach weglassen)
  • 4 x Shirts
  • 1 x Schlafshirt
  • 2 x „Schlumpf“-Klamotten (Sachen, die ich nur zuhause trage, die super bequem sind und die gerne auch dreckig werden dürfen)
  • 1 x Schuhe
  • 1 x Jacke oder Cardigan

Die Shirts müssen zu allen Hosen und Röcken passen, ebenso die Socken und Schuhe. Alles (außer Schlaf- und Schlumpf-Sachen) muss miteinander kombinierbar sein, so dass ich beliebig wechseln kann. Und alles müssen Dinge sein, die ich WIRKLICH gerne trage! Es ist hübsch, aber unbequem? Es bleibt da! Das gilt auch für Schuhe.

Nimm unbedingt bequeme Schuhe mit! Am besten sowohl die, die du im Koffer hast, als auch die, die du für die Reise anziehst. Bei mir ist das meistens ein paar bequeme Sandalen und ein Paar Sportschuhe. Lass Schuhe, bei denen du dir nicht sicher bist, ob du blasenfrei längere Strecken laufen kannst, direkt zuhause – egal, wie hübsch sie sind! (Ich spreche aus Erfahrung xD)

Periodenzeit

Wenn ich weiß, dass ich im Urlaub meine Periode bekommen werde, kommen zusätzlich meine Menstruationstasse und Menstruationsunterwäsche mit, sowie ein Badetuch, das ich nachts im Bett unterlegen kann. Ich fühle mich dann sicherer, auch wenn ich dank Menstruationstasse kaum noch Probleme habe.

Technik

Eine Mehrfachsteckdose ist im Urlaub oft praktisch – wir verwenden mittlerweile aber ein USB-Ladegerät, das je zwei USB-C- und USB-A-Anschlüsse hat und zwei Ladekabel, die USB-C- und Mikro-USB-Anschlüsse kombinieren, so dass wir Laptop, Handys, Tablets und Noise-Cancelling-Kopfhörer damit laden können. Zusätzlich nehmen wir die Ladekabel für unsere Smartwatches mit (die leider jeweils ein ganz eigenes System haben).

Außerdem haben wir ein bis zwei einzelne USB-Netzteile mit für alles, was vielleicht an einer anderen Stelle Strom bekommen soll.

An Geräten nehmen wir unsere Smartphones, die Laptops, die Tablets und die Noise-Cancelling-Kopfhörer mit. Wir sind allerdings ein Geek-Haushalt und so kommen bei uns auch noch ein kleiner Echo und ein Chromecast mit in den Urlaub.

Bei langen Ausflügen kann eine Powerbank echt hilfreich sein.

Wenn ich genug Platz habe, packe ich auch gerne noch anderen technischen Kram ein (der Insektenvernichter ist z.B. echt toll!), gebe aber zu, dass das nicht unbedingt notwendig ist.

Unterhaltung + Stim Toys

Meine liebsten Stim Toys kommen mit in den Urlaub, ebenso wie ein paar Dinge für meine aktuellen Hyperfixierungen. Dieses Mal waren das Stifte und Papier und Sachen zur Schmuckherstellung, letztere habe ich dann aber überhaupt nicht verwendet und eigentlich hatte ich das auch beim Packen schon vermutet, aber konnte sie dennoch nicht zuhause lassen.

Bücher lesen wir fast nur noch elektronisch, das geht auf dem Tablet sehr gut, wobei der Ehemann seinen E-Book-Reader mithatte.

Durch den Chromecast können wir auch im Urlaub am Fernseher Serien oder Filme streamen – geht natürlich auch am Laptop.

Nimm Dinge mit, die dir guttun, die dich entspannen und ausgleichen und die dir vertraut sind – und es sollten die Dinge sein, die du tatsächlich aktuell gerne verwendest, sonst geht es dir wie mir mit Schmucksachen, die ich einfach nur einmal hin und her transportiert habe.

Dokumente

Die meisten solcher Listen beginnen ja mit den Dokumenten, die man mitnehmen soll, aber für mich sind das entweder Dinge, die ich sowieso bei mir habe (Personalausweis oder Krankenkassenkarte sind zB im Portemonnaie und das kommt sowieso mit) oder die ich in digitaler Form habe. Buchungsbestätigungen habe ich als E-Mails vorliegen, im Voraus gekaufte Tickets funktionieren meistens direkt über QR-Code oder lassen sich notfalls vor Ort ausdrucken.

Vor größeren Reisen mache zusätzlich Fotos meiner wichtigsten Dokumente und speichere sie in der Cloud.

Sonstiges

Ich finde es immer praktisch, eine Wasserflasche dabei zu haben, außerdem einen Stift und irgendeine Form von Papier und in meiner Tasche finden sich immer ein bis zwei kleine, zusammenlegbare Taschen für Einkäufe.

Wenn ich weiß, dass ich eine Küche haben werde, packe ich immer mein liebstes Kochmesser (in Geschirrtücher gewickelt) ein. Meistens auch noch ein kleines Messer und meinen Kartoffelschäler (weil ich da ein bestimmtes Modell bevorzuge, aber die Einzige zu sein scheine, die dieses Modell mag) und den verstellbaren Hobel. Dieses Mal hatte ich auch noch mein Schneidebrett dabei, aber das geht wirklich nur, wenn wir mit dem Auto in Urlaub fahren.

Die Frage ist einfach: Was brauchst du für diesen Urlaub sonst noch?

Was vergessen?

Es ist nicht weiter schlimm, wenn du etwas vergisst, weil sich die meisten Dinge im Notfall vor Ort beschaffen lassen – gerade Körperpflegeartikel sind – sofern du nicht ganz spezielle verwendest – überhaupt kein Problem. Klamotten sind für mich auf Grund meiner Kleidergröße schwieriger, Schuhe wiederum sind unproblematisch. Deine elektronischen Geräte solltest du nicht vergessen – Ladekabel wiederum kannst du einfach vor Ort kaufen.

Gibt es das, was du benötigst nicht vor Ort, hast du – selbst ohne Postanschrift am Urlaubsort – die Möglichkeit, online zu bestellen.

Packstation

Innerhalb Deutschlands kannst du als registrierte*r Packstation-Kund*in jede beliebige Packstation nutzen, um deine Pakete dorthin liefern zu lassen. Du brauchst dafür die Post&DHL-App und musst dich VOR der Reise als Packstation-Kund*in registrieren – du bekommst im Registrierungsvorgang eine PIN per Brief.

Wenn du registriert bist, kannst du jede beliebige Packstation verwenden und musst nur die Nummer der gewünschten Packstation (findet sich auf der Packstation oder online) und deine Postnummer (die findet sich in der App unter „Mehr“) angeben.

Es liefern allerdings nicht alle Shops an Packstationen.

Amazon Locker

Die zweite Möglichkeit ist eine Bestellung über Amazon mit Lieferung an einen Amazon Locker. Davon gibt es meistens mehrere pro Stadt und du kannst dir den für dich am besten gelegenen aussuchen und deine Bestellung einfach dorthin schicken lassen.

Wenn sie geliefert wurde, bekommst du eine Benachrichtigung per Mail, in der du einen Abholcode findest, den gibst du am Locker ein, das entsprechende Fach geht auf und du bekommst dein Paket.

Gerade bei vergessenem Elektronikzubehör ist das oft eine großartige Lösung.

Voraus denken

Was du bereits vor dem Packen erledigen solltest:

  • Dauermedikation für die gesamte Urlaubsdauer nachbestellen
  • Evtl. Betäubungsmittelbescheinigung besorgen
  • Schauen, ob dein Personalausweis oder Reisepass noch gültig sind
  • Tickets für Veranstaltungen buchen und evtl. ausdrucken
  • Evtl. für den Packstation-Service anmelden

Teil 3

Alles was „im Urlaub“ betrifft, packe ich mal in einen dritten Teil – das hier wird schon wieder deutlich länger, als ich dachte.

Neurodivergente Urlaubstipps – Teil 1

Neurodivergente Urlaubstipps – Teil 1

31. Juli 2022 Claudia Unkelbach Comments 0 Comment

Das hier ist eine Aufstellung an Tipps, die MIR (mit ADHS, Autismus, einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung, einer sozialen Angststörung und chronischen Schmerzen) im und für den Urlaub helfen. Mir ist klar, dass vieles davon nicht für jede*n machbar ist – zum Beispiel aus finanziellen Gründen, weil Kinder mitbedacht werden müssen oder die persönlichen Bedürfnisse einfach ganz andere sind. Auch wird das, was für mich gut ist, nicht zwingend auch für dich gut sein. Neurodivergenz ist individuell und genauso sind unsere Probleme (und das, was uns keine Probleme bereitet) sehr individuell.

Verstehe das hier also bitte mehr als: „Da könnte ich mal darüber nachdenken, ob das auch was für mich wäre, oder wie ich es für mich anpassen könnte.“ anstatt als direkte oder ultimative Lösung.

Reisezeit

Meine perfekte Reisezeit ist der September, alternativ Mitte April bis Mitte Mai. Da ist das Wetter meistens ziemlich gut und die Temperaturen sind angenehm. Im Sommer (Mitte Mai bis August) ist es mir zu heiß, im Winter (November bis Februar) mag ich selten nach draußen – in diesen Monaten versuche ich Reisen also grundsätzlich zu vermeiden.

Die grundsätzliche Frage dabei ist: Zu welcher Jahreszeit fühlst du dich am wohlsten? Bist du eher Typ „Sommer und warm“ oder magst du Temperaturen um die 20 Grad? Wähle deine Reisezeit so aus, dass Wetter und Temperaturen am Reiseziel für dich passen (sollten).

Aufenthaltsdauer

Ich habe früher immer Kurz-/Wochenendtrips unternommen, weil ich dachte, das wäre perfekt, um mein Zuhause nicht zu lange zu vermissen. Inzwischen weiß ich aber: Das Gegenteil ist der Fall. Kurztrips stressen mich SEHR!

Ich brauche nach der Anreise erstmal mindestens zwei, eher drei Tage, um mich von der Reise zu erholen und mich in einer neuen Umgebung einzuleben. Meine optimale Reisedauer liegt also schon mal bei mehr als vier Tagen, weil ich sonst schlichtweg gar nichts vom Urlaub habe. Optimal für mich sind 10 bis 14 Tage, ich verreise aber wenn es möglich ist auch gerne noch länger. Das längste waren bisher 4 1/2 Wochen und das gefiel mir sehr.

Die wichtige Frage ist hierbei: Wie lange brauchst du, um wirklich anzukommen? Wenn du das bisher nicht in deinen Urlaub einplanst, versuche vielleicht mal deine übliche Urlaubsdauer um diese Zeit (am besten plus einen zusätzlichen Tag) zu verlängern und schau, ob das für dich gut ist, oder du es doch lieber kürzer (oder vielleicht noch länger) magst.

Und dann nimm dich an deinen „Ankunftstagen“ tatsächlich zurück: Ruh‘ dich aus, erhole dich, komm‘ an. Du hast noch genug Zeit um alles zu erleben!

Grundsätzlich: Umso mehr dich Urlaubsvorbereitungen und Anreise stressen, umso eher würde ich selteneren, aber dafür längeren Urlaub empfehlen.

Urlaubsort

Ich bevorzuge Großstädte – sofern sie nicht ZU groß sind. So von 200.000 bis max. 2 Millionen Einwohner*innen fühle ich mich (im Urlaub) am wohlsten. Wenn es dann noch Wasser und viele Parks gibt und vieles fußläufig erreichbar ist, bin ich glücklich. Am meisten mochte ich Bordeaux, Paris und Wien und auch Wiesbaden ist echt toll. London und Berlin waren mir hingegen zu groß (sie sind trotzdem cool).

Ich mag keinen reinen „Badeurlaub“, sondern will was „sehen“, wobei ich mir nichts aus Sehenswürdigkeiten mache, aber halt auch nichts aus am Strand herumliegen – bei 7 Tagen am Strand würde meine ADHS wahrscheinlich vor Langeweile toben. Am liebsten laufe ich einfach durch die Stadt, folge vielleicht grob einem Ziel oder einer spannend aussehenden Straße – oder dem Klang von Musik oder der Aussicht auf Wasser.

Die Hauptfrage hierfür ist: Was macht dir in deinem Alltag Freude? Was interessiert dich? Was stresst dich? Du willst deinen Urlaub so gestalten, dass du Dinge tun kannst, die dir IMMER Spaß machen. Keine Experimente – außer natürlich, du liebst Experimente.

Badeurlaub ist nichts für Menschen, die es schon hassen, einen Nachmittag im Freibad zu verbringen und ruhiges Landleben kann für ADHSler*innen schnell mal zu langweilig werden. Großstädte wiederum überfordern reizüberflutete Autist*innen sehr leicht.

Unterschätze nicht den Faktor Erreichbarkeit! Wenn du lange Fahrten hasst, wirst du mit einem Urlaub in deiner Nähe deutlich glücklich sein. Wenn du mit der Bahn anreist, suche dir ein Urlaubsziel, das für dich gut und unproblematisch mit dem Zug erreichbar ist.

Wichtig ist: Du wirst im Urlaub nicht plötzlich an den Dingen Freude haben, die dich sonst langweilen, nur weil sie zu deinem Bild von Urlaub dazugehören. Ich mag zum Beispiel das Bild von einem Urlaub, wo ich auf einer einsamen Almhütte bin und den ganzen Tag über die Wiesen schaue und nichts tue. In Wirklichkeit würde ich mich furchtbar langweilen (und dann vielleicht wandern gehen und mich ärgern, dass ich das nicht gleich in einer flacheren Umgebung angefangen habe).

Reisebegleitung

Klingt vielleicht hart, aber meine beste Reisebegleitung ist: Niemand.

Nicht nur brauche ich sehr viel Ruhe und Zeit nur für mich, ich mag noch zusätzlich, dass ich mich nicht an andere Menschen anpassen muss, mich nicht um ihre Vorlieben sorgen muss, mich nicht mit ihnen abstimmen muss, sie schlichtweg einfach nicht berücksichtigen muss. Ich fahre gerne mit dem Ehemann in Urlaub, denn es ist auch schön, Erlebnisse zu teilen (und momentan hilft seine Anwesenheit mir enorm bei meiner Angststörung), aber am liebsten ist mir dennoch ein Urlaub ganz alleine und ich hoffe, dass auch das irgendwann wieder für mich möglich sein wird.

Frage dich auch hier, wie du dich am wohlsten fühlst: Wenn du viel Zeit alleine brauchst und möchtest, kann ein Urlaub alleine großartig für dich sein. Ich liebe es, alleine in Urlaub zu fahren, kann das momentan wegen meiner sozialen Angststörung aber nicht. Bei mir ist der Ehemann aber ein sehr guter Reisepartner.

Hast du – so wie ich derzeit – Angst, alleine unterwegs zu sein, dann nimm jemanden mit, aber achte darauf, dass du dich in der Nähe deiner angedachten Reisebegleitung auch wirklich entspannt fühlst, dass du deine Bedürfnisse kommunizieren kannst und dich nicht schlecht fühlst, wenn du gerade etwas nicht kannst, Unterstützung brauchst oder andere auf dich Rücksicht nehmen sollen.

Es kann auch hilfreich sein, bereits im Vorfeld darauf hinzuweisen, dass du Zeit alleine brauchen wirst, oder vielleicht nicht jeden Tag etwas unternehmen wirst wollen, dass du dich vielleicht häufiger ausruhen möchtest oder bei manchen Dingen Unterstützung brauchen wirst.

Unterkunft

Ich fühle mich am wohlsten, wenn keine anderen Menschen in der Nähe sind. Das schließt viele Unterkunftsmöglichkeiten von Anfang an aus. Wenn der Ehemann dabei ist (und im absoluten Notfall auch alleine), ist Hotel akzeptabel, meine liebste Variante ist aber Airbnb (und Vergleichbares) – noch lieber, wenn man eigenständig einchecken kann und somit gar keinen Kontakt mit Menschen haben muss.

Weitere Vorteile daran sind, dass ich eine Küche zur Verfügung habe und ich achte meistens darauf, auch eine Waschmaschine zu haben – das spart enorm viel Gepäck und erleichtert das Leben sehr. Außerdem sind es Vermieter*innen auf Airbnb gewohnt, dass man schriftlich mit ihnen kommuniziert, man sieht vor dem Buchen sämtliche Kosten und Verfügbarkeiten. Die Option „sofort buchen“ ist dabei deutlich angenehmer, als Buchungen anfragen zu müssen – letzteres ist für mich sehr anstrengend.

Ich suche mir meistens Unterkünfte, die entweder in (fußläufiger) Zentrumsnähe sind oder so gelegen, dass sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln leicht zu erreichen sind – bei Anreise mit dem Auto auch so, dass sie Parkmöglichkeiten haben (siehe auch unter „Anreise“). Auch ein Park oder Wasser in der Nähe ist immer gut.

Grundsätzlich ist die Unterkunft natürlich der Faktor, der am meisten ins Geld geht und mit dem ich mich am wohlsten fühlen muss und damit auch der, mit dem ich am längsten beschäftigt bin. Ich stöbere oft wochenlang auf Airbnb, bis ich etwas finde, mit dem ich zufrieden bin.

Grundsätzlich: Länger im Voraus zu planen hilft sehr! Und das bei allen möglichen Formen von Unterkünften.

Billiger wird es natürlich, wenn Jugendherbergen oder Campingplätze für dich okay sind. Auch Hotels können (vor allem wenn man alleine reist) zum Teil deutlich günstiger sein. Airbnb-Vermieter*innen bieten aber oft Rabatte für längere Aufenthalte an.

Anreise

Ich reise äußerst ungern mit dem Flugzeug (obwohl ich fliegen an sich liebe). All das „Drumherum“ stresst mich enorm. Da muss ich auch noch überlegen, wie ich denn zum Flughafen komme, dann muss ich einchecken, durch die Security, aufs Boarding warten, auf den Start warten und so weiter. Fliegen ist in so viele einzelne Schritte aufgeteilt, dass ich quasi schon beim Gedanken daran Stress empfinde.

Ich mag dafür Bahnfahren sehr gerne – allerdings unter der Voraussetzung, dass ich maximal zweimal umsteigen muss, dafür ausreichend Zeit habe und am besten ICE fahren kann und das außerhalb von üblichen Urlaubs- oder Reisezeiten (Dienstag bis Donnerstag ist zum Beispiel toll). Regionalzüge finde ich anstrengend – während der Urlaubszeit noch viel mehr.

Autofahren ist je nach Ziel auch in Ordnung, sollte dann aber nicht länger als zwei, maximal drei Stunden dauern und ich brauche eine im Voraus geplante Parkoption. In Wiesbaden haben wir das zum Beispiel so gelöst, dass wir erstmal in ein Parkhaus gefahren sind, das Auto danach auf einen Park+Ride-Parkplatz gestellt haben und am Ende des Urlaubs wieder abgeholt haben.

Sei dir in jedem Fall bewusst, dass die Anreise IMMER stresst – vollkommen egal, welches Verkehrsmittel du wählst. Die Frage ist also: Welches Verkehrsmittel stresst dich am wenigsten und wie kannst du Stress zumindest reduzieren?

Flug:
Vermeide Flüge. Ehrlich. Flüge sind einfach immer stressig.

Wenn du sie nicht vermeiden kannst/willst: Bei frühen Flügen kann es den Stress reduzieren, wenn man bereits am Vortag in die Stadt des Flughafens reist (und eventuell den Vorabend-Checkin nutzt).

Suche dir frühzeitig die Verbindungen zum und vom Flughafen heraus und plane Puffer ein – ein ausgefallener oder stark verspäteter Zug zum Flughafen führt unter Garantie zu Panik!

Echt… vermeide Flüge einfach. Der Stress ist enorm.

Bus:
Ich halte das wie mit Flügen, aber sie sind zumindest etwas weniger stressig, weil man sich zumindest Security & Co. spart.

Zug:
Suche eine Reisemöglichkeit mit möglichst wenig Umstiegen, auch auf den „letzten Metern“. Wenn du von x Stunden Fahrt total erschöpft bist, möchtest du nicht auch noch 3 verschiedene öffentliche Verkehrsmittel nehmen müssen, um zu deiner Unterkunft zu gelangen.

Fernzüge sind angenehmer als Regionalzüge, weil sie zum einen bequemer sind und natürlich auch schneller am Ziel.

Plane großzügige Pufferzeiten – vor allem bei komplizierten Umstiegen oder wenn eines der Verkehrsmittel nur selten fährt.

Bei Zug-, Bus- und Flugreisen helfen Noise Cancelling Kopfhörer ENORM. Sie unterdrücken nicht nur den Lärm des Verkehrsmittels, sondern filtern auch die Mitreisenden zum Teil aus.

Wenn du nicht mit dem Auto anreist:
Reduziere dein Gepäck soweit es geht und nimm nicht mehr als zwei Gepäckstücke mit. Auch keine zusätzlichen Taschen! Umso öfter du umsteigen musst, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass du was vergisst.

Auto:
Suche dir ein Ziel, das nicht weiter weg ist, als du als Fahrtzeit angenehm findest und informiere dich frühzeitig über Parkmöglichkeiten. In Städten kann es eine Möglichkeit sein, zum Aus- und Einladen bis zur Unterkunft zu fahren und das Auto später auf einen Park+Ride-Parkplatz etwas außerhalb zu parken.

Grundsätzlich:
Wähle (wenn möglich) deine Reisetage so, dass weniger andere Menschen unterwegs sind. So ist Dienstag bis Donnerstag bei Fernzügen oft gut und außerhalb der Ferienzeiten zu verreisen ist grundsätzlich deutlich entspannter (natürlich nicht für alle möglich, schon klar).

Plane die Anreise. Wirklich – auch wenn du Planung hasst.

Und vor allem: Berücksichtige die Anreise bei deiner gesamten Urlaubsplanung. Ein Reiseziel, das weniger Stress bei der Anreise verursacht, wird den gesamten Urlaub viel erholsamer machen – und auch eine entspannte Rückreise ist nicht zu verachten!

Zwischenfazit

Urlaub, der auf die Bedürfnisse neurodivergenter Menschen abgestimmt ist, ist oft teurer und erfordert viel Planung im Voraus. Beides ist für neurodivergente Menschen oft problematisch. Mein bester Tipp ist: Mache lieber selten Urlaub, aber wenn möglich, (etwas) länger. Du planst jeden Urlaub nur EINMAL, du hast nur einmal die Anreise, nur einmal Packen und so weiter.

Bonustipp: Wenn du dich wo wohlfühlst, überlege, ob du dort nicht wieder Urlaub machen möchtest. Das reduziert oft viel Planung und Unsicherheit – kann aber natürlich auch langweilig für dich sein.

Teil 2

Um hier nicht noch mehr auf einmal zu schreiben, gibt es dann irgendwann auch noch einen zweiten Teil zum Thema Reisegepäck und Urlaubserlebnisse.

Let’s talk about: Exekutive Dysfunktion

Let’s talk about: Exekutive Dysfunktion

5. Juli 2022 Claudia Unkelbach Comments 0 Comment

Viele unserer Tätigkeiten passieren ganz oder großteils automatisch, man spricht auch vom Autopiloten. Wenn du etwas trinken möchtest, gehst du zum Beispiel zum Schrank, nimmst ein Glas heraus und füllst es mit deinem üblichen Getränk. Du denkst normalerweise nicht darüber nach, welches Glas du nimmst, wo du es abstellst, um es zu füllen oder wie voll du es machen wirst. All das passiert ganz von selbst.

Die meiste Zeit kann ich das auch, aber wenn meine exekutiven Funktionen gerade nicht auf der Höhe sind, setzt dieser Autopilot aus.

Das beginnt dann schon damit, dass ich darüber nachdenke, wie ich denn den Schrank mit den Gläsern überhaupt öffne. Muss ich meinen Arm heben? Aber tut mir nicht die Schulter weh? Wird der Schmerz schlimm sein? Wo greife ich die Schranktür an? Wie viel Kraft brauche ich, um sie zu öffnen?

All das, was eigentlich eine ganz automatisch ablaufende Handlung ist, wird mit einem Mal in lauter einzelne Teile zerlegt.

Oder ich muss ganz bewusst darüber nachdenken, in welcher Reihenfolge ich etwas mache. Erst die Schranktür öffnen? Oder erst den Wasserhahn aufdrehen?

Stell dir vor, dich würde jemand fragen, ob du beim Händewaschen erst das Wasser aufdrehst und die Hände nass machst oder erst die Seife nimmst. Oder drehst du vielleicht das Wasser auf, nimmst aber erst Seife und machst die Hände dann nass?

Wenn du die Aufgabe in einzelne Schritte zerlegst, wird sie plötzlich kompliziert, du musst sie dir vielleicht genau vorstellen und vielleicht bekommst du sogar Zweifel, ob du es wirklich so machst, wie du denkst.

Bei einer Beeinträchtigung der exekutiven Funktionen entsteht genau dieses Nachdenken und diese Unsicherheit. Gerne noch zusätzlich verbunden mit konstantem Hinterfragen: Mache ich das richtig? Brauche ich das wirklich? Geht es nicht vielleicht doch anders? Was kommt als nächstes?

Du wäschst dir nicht mehr einfach die Hände, holst dir nicht mehr einfach ein Glas Wasser, sondern die simple Tätigkeit wird zu einer riesengroßen Aufgabe.

Es gibt verschiedene Hilfen dafür.

Manchen hilft es, wenn sie visuelle oder auditive Anweisungen bekommen, zum Beispiel Zeichnungen, wie man Zähne putzt.

Anderen hilft es, die einzelnen Schritte aufzuschreiben, um das Chaos im Kopf ein wenig zu sortieren und sich einen Plan zurechtlegen zu können.

Bei mir hilft am Besten, nicht darüber nachzudenken.

Ich versuche, den Moment der Verwirrung und des Planens zu überspringen und doch wieder in den Automatismus zu kommen, indem ich an einer „späteren“ Stelle ansetze.

Vielleicht kennst du die Taktik von der Eingabe von Passwörtern oder PINs.

Wenn du ein Passwort häufig benutzt, tippen es deine Finger quasi automatisch, du denkst nicht bewusst darüber nach. Wenn du aber längere Zeit im Urlaub warst, fällt dir vielleicht am Abend des letzten Urlaubstags ein: „Mist, ich habe mein Passwort vergessen!“ Du denkst darüber nach und es fällt dir einfach nicht ein oder du erinnerst dich an alte Passwörter oder die für ganz andere Accounts.

Am nächsten Tag öffnest du trotzdem das Anmeldefenster, willst noch ein letztes Mal darüber nachdenken und mit einem Mal tippen deine Finger ganz automatisch das Passwort ein. Das richtige Passwort. Du hast nicht darüber nachgedacht, dich nicht bewusst erinnert, deine Finger wussten einfach, was zu tun ist. Das ist das Muskel- oder Körpergedächtnis.

Genau das nutze ich bei Phasen von exekutiver Dysfunktion. Ich denke nicht über das, was ich tun möchte, nach, sondern überlasse dem Körper die Führung.

Es funktioniert nicht bei Tätigkeiten, die ich noch nicht oft genug gemacht habe oder die ganz neu sind oder wenn ich einer Anleitung folgen muss. Deswegen kann ich in solchen Phasen zum Beispiel nicht backen. Ich kann aber damit zum Beispiel trotz exekutiver Dysfunktion die Küche aufräumen – WENN es mir gelingt, den Schritt des Nachdenkens zu überspringen und das Muskelgedächtnis aktiviert wird.

Wenn nicht… tja, dann kann ich für eine ganze Weile gar nichts mehr tun, weil ich einerseits versuche, mich dazu zu bringen, diese Sache zu machen, es aber andererseits nicht schaffe und quasi „feststecke“.

Wichtig für mich ist also immer: NICHT NACHDENKEN! TUN!

… und mich nicht darüber ärgern, wenn es mal wieder nicht funktioniert. Dann räume ich die Küche halt ein anderes Mal auf und backe den Kuchen dann, wenn die exekutiven Funktionen besser sind.

Produktivität bringt dir nichts oder: Warum ich Produktivitätstipps hasse

Produktivität bringt dir nichts oder: Warum ich Produktivitätstipps hasse

25. April 2022 Claudia Unkelbach Comments 0 Comment

Ich hasse Produktivitäts- und Selbstoptimierungstipps. Also eigentlich hasse ich gar nicht die Tipps an sich – manche sind tatsächlich hilfreich -, sondern vielmehr das, was sie einem vermitteln: Dieses permanente Gefühl, nicht gut genug zu sein, verbunden mit der Botschaft, sich einfach mehr anstrengen zu müssen. Darin schwingt immer das stille Versprechen mit: „Wenn du DAS tust, dann wird dein Leben besser! Noch diese eine Maßnahme und du wirst erfolgreich, berühmt und schön und schwimmst in Geld!“ Wirst du nicht und irgendwo weißt du das auch, aber dennoch regt sich die Hoffnung in dir: „Es könnte doch dieses Mal so sein?“

Kein Wunder, dass ganze Ratgeber darüber geschrieben werden, dass „erfolgreiche“ Menschen regelmäßig nach ihren Geheimtipps gefragt werden – oder sie ganz ungefragt geben – oder dass man mit all den Infografiken zum Thema Selbstoptimierung und Produktivitätssteigerung vermutlich ganze Städte tapezieren könnte.

Die meisten dieser Tipps sind recht klein, schlicht und allgemeingültig und ich dachte daher immer, es wäre meine Schuld, dass ich immer noch nicht erfolgreich war und maximal meine große Zehe in Geld baden konnte. Sicher lag es daran, dass ich sie nicht konsequent genug befolgte, nicht hart genug an mir arbeitete und mein Glas Wasser morgens immer vergaß. /s (Tonindikator: Sarkasmus)

Entsprechend erfreut war ich also, als ich das erste Mal auf Tipps speziell für Menschen mit ADHS stieß: „Juchu! Endlich gibt es auch Menschen, die meine Probleme berücksichtigen!“ Ich erfuhr, dass ich mit Timern arbeiten sollte, meine Termine in einen Kalender eintragen sollte, To-Do-Listen schreiben, Aufgaben zerlegen und strenger mit mir sein sollte. „Hm“, dachte ich mir, „hatten wir das nicht alles schon?“

Zusätzlich tauchten jetzt aber auch Tipps auf, wie ich Putzen und Aufräumen organisieren sollte, wie ich auch meine privaten Termine in strikt geführte Kalender eintragen sollte, mein Leben besser durchtakten sollte und was ich tun konnte, um weniger häufig Dinge zu verlegen und zuverlässiger in meiner Kommunikation mit Freund*innen zu sein. Die Produktivitätsanforderungen hatten eindeutig auch das Privatleben erreicht.

Erst wollte ich unbedingt all diese Tipps ausprobieren, wollte eine bessere Freundin und Partnerin, ein besserer Mensch sein… und dann wurde ich wütend.

All diese Selbstoptimierungstipps und Produktivitätsratgeber gaukeln uns vor, dass es unser oberstes Ziel ist, besser zu werden. Konstant. Noch dazu nicht nur in den Dingen, die uns vielleicht tatsächlich an uns stören, sondern einfach in allem, schlichtweg weil es möglich ist und weil sich jemand einen Tipp dafür überlegt hat.

Bei mir – wie bei vielen Menschen mit ADHS – stößt das auf offene Ohren, denn wir haben oft von klein auf gelernt, dass wir ja so viel Potential hätten, es nur leider nicht ausschöpfen würden und uns eben mehr anstrengen müssten. Wir könnten ja so viel erreichen, wenn wir nur mehr an uns arbeiten würden. Wir könnten so viel bessere Kinder, Freund*innen, Partner*innen, Menschen sein, wenn wir uns einfach nur mehr Mühe geben würden.

Ich glaube mittlerweile, dass ich mich mein ganzes Leben mit Produktivitätstipps beschäftigt habe, um „besser“ zu werden und dieses ominöse Potential zu erfüllen, das andere in mir zu sehen meinten. Irgendwann wurde dieser Glaube, dann zu meinem eigenen und ich sagte mir beständig, dass ich mich mehr und immer mehr anstrengen, mein „Potential“ endlich mal ausschöpfen müsste und machte mir die größten Vorwürfe, dass ich es nie schaffte. Also habe ich den nächsten Produktivitätstipp probiert und den nächsten und den nächsten. Gut genug fühlte ich mich dadurch immer noch nicht.

Genau das ist das Perfide an Produktivitätstipps und Selbstoptimierungsratgebern: Für sie sind wir nie gut genug. Wir können immer noch etwas verbessern und danach noch etwas und selbst wenn wir denken „Jetzt reicht es aber mal“, zeigt uns gleich darauf jemand, dass es doch nicht reicht, weil wir noch nicht das neueste Selbstoptimierungs-Allheilmittel ausprobiert haben und das wäre schließlich der ultimative Tipp!

Unser Drang zu mehr Produktivität und Selbstoptimierung führt am Ende vor allem zu zwei Dingen: Jede Menge Stress und ein reduziertes Selbstwertgefühl.

Ich habe irgendwann aufgehört, produktiver und erfolgreicher sein zu wollen. Auch die Jagd nach meinem angeblichen Potential habe ich aufgegeben. Ich versuche heute nur noch, der Mensch zu sein, mit dem ich mich wohlfühle.

Ich lese immer noch Produktivitätstipps, vor allem jene für Menschen mit ADHS, denn manche davon greifen tatsächlich das auf, was auch ich probiere: MIT dem eigenen Gehirn, der eigenen Denkweise, den eigenen Schwächen zu arbeiten, anstatt dagegen anzukämpfen.

Es geht nicht darum, sich immer noch mehr anzustrengen und zu bemühen und einem unerreichbaren Ideal hinterherzulaufen, sondern darum, herauszufinden, was man tatsächlich braucht und möchte: Im Job, im Privatleben, im Zuhause, in der Partnerschaft… – und was realistisch erreichbar ist. Und dann geht es darum, für sich selbst Wege zu finden, das alles möglichst leicht und mit wenig Aufwand langfristig umzusetzen, denn – große Überraschung: Umso WENIGER man sich in seinem Alltag anstrengen und bemühen muss, umso mehr Energie hat man für das, was man liebt, wofür man brennt und wofür man gerne diese Energie einsetzen möchte – und das ist bei mir nun mal einfach nicht „erfolgreich sein“.

Produktivität an sich bringt dir nichts. Sie macht dich nicht zu einem „besseren“ Menschen und sie wird dich auch nicht reich und berühmt machen und an dir selbst zu arbeiten ist zwar toll, aber du musst dich nicht „optimieren“ – es gibt keine Blaupause dafür wie du sein sollst.

Gute Produktivitätstipps machen deinen Alltag besser und einfacher und das bringt dir mehr als jede noch so große Produktivität.

Routinen und ADHS
Routinen und ADHS

Routinen und ADHS

9. April 2022 Claudia Unkelbach Comments 0 Comment

Meine Küche versinkt mal wieder im Chaos. Ungespültes Geschirr, angebrochene Packungen, ein Teil vom letzten Einkauf, leere Gläser… Ich ärgere mich über mich: „Warum kann ich nicht ordentlicher sein?“

Da fällt mir ein: Ich habe vorgestern die komplette Küche aufgeräumt, alles war sauber, die Flächen waren freigeräumt, nichts stand mehr herum. Es war großartig. Aber das war vorgestern. Heute ist schon wieder Chaos.

Irgendwo in mir schimpft eine Stimme: „Du musst einfach jeden Abend vor dem Schlafengehen die Küche aufräumen. Das braucht nur ein wenig Routine!“

Eine Routine! Na klar! Routinen sind schließlich so etwas wie der heilige Gral der Selbstoptimierungswelt: Mit Routinen ließen sich quasi alle Probleme lösen, sie würden einen zu einem besseren, fitteren, erfolgreicheren Menschen machen – also zu genau dem, was wir für erstrebenswert halten.

Eine Routine zu etablieren ist – laut Selbstoptimierungstipps – auch ganz einfach: Fange mit einer kleinen, einfachen Sache an (z.B. jeden Morgen ein Glas Wasser trinken) und baue deine Routinen dann langsam aus.

Ich scheitere schon an dem Glas Wasser.

Es ist nicht so, dass ich gar keine Routinen hätte. Ich stehe z.B. morgens auf, gehe auf die Couch und… eine Stunde später lege ich dann doch mal das Handy weg. Das ist aber nicht die Art von Routine, die die Selbstoptimierungsprofis meinen und ich frage mich: „Warum fallen mir die angepriesenen ‚sinnvollen‘ Routinen so schwer?“

Nun, die Sache ist die: Warum möchte ich überhaupt eine bestimmte Routine etablieren? Warum ist sie „sinnvoll“? Weil sie mich besser, ordentlicher, fitter, erfolgreicher machen soll? Weil das irgendwie wichtig ist in unserer Gesellschaft? Weil es Vorteile mit sich bringt?

Joa, klingt nett, aber um ehrlich zu sein: Das interessiert mich eigentlich gar nicht.

Was so oft als irrelevant abgetan wird ist genau der Punkt: Mein ADHS-Hirn kann schlichtweg nur die Dinge tun, die es tatsächlich interessieren, weil sie z.B. irgendwie spannend sind oder neu oder dringend, weil sie Kreativität miteinbeziehen oder eine Herausforderung darstellen.

Morgens ein Glas Wasser trinken um sich an Routinen zu gewöhnen? Die Küche aufräumen, einfach nur, damit es ordentlich ist? Da guckt mein Hirn nur empört und fragt: „Warum?!“ Das ist einfach uninteressant und motiviert mein Hirn so gar nicht. Auch nicht, wenn es mich eines Tages erfolgreicher oder zu einem besseren Menschen machen könnte. (Ganz abgesehen davon, dass mein ADHS-Hirn auch nichts mit „eines Tages“ anfangen kann.)

Ein ADHS-Hirn schaltet komplett ab, wenn es sich dazu gezwungen fühlt, etwas zu tun. Umso mehr ich also versuche, eine Routine aufzubauen, die für mein Hirn keinen Sinn ergibt, umso mehr blockiert es und ich kann GAR NICHTS mehr machen.

Aufräumen funktioniert bei mir so, dass ich eine ADHS-konforme Motivation dafür suche, z.B.:
Ich möchte kochen, also muss ich vorher aufräumen. (Dringlichkeit)
Ich kann etwas tun. (Aktivität)
Ich könnte ein neues Putzmittel testen. (Neuheit)
Ich könnte etwas neu organisieren. (Kreativität)
Ich könnte schauen, ob es schneller geht, wenn ich den Ablauf ändere. (Herausforderung)

Manchmal finde ich durchaus auch „aufgeräumt“ eine gute Motivation, aber nie so sehr, dass ich dafür eine Routine aufbauen wollte und könnte.

Heißt das jetzt, dass ich gar keine ‚sinnvollen‘ Routinen haben kann? Nein. Ich muss nur MIT meinem ADHS-Hirn arbeiten, anstatt es zu bekämpfen und bei einigen Dingen akzeptieren, dass ich dafür eben keine Routine aufbauen kann – und das ist überhaupt nicht schlimm, denn Routinen sind gar nicht die Lösung aller Probleme und sie machen einem auch nicht zu einem besseren Menschen.

Wenn wir an einer Routine scheitern, passt sie vielleicht nicht zu unserem Hirn.

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