Der Tag, als ich mein Spezialinteresse verlor
Vor vielen, vielen, vielen Jahren war mein Spezialinteresse PHP, eine Skriptsprache, mit der sich viele Online-Anwendungen realisieren lassen. Nicht, dass ich damals schon wusste, was ein Spezialinteresse ist, aber rückblickend, war es definitiv genau das.
Ich hatte 2001 mit PHP angefangen, mich sofort darin vertieft und alles darüber gelernt und ausprobiert, was mir irgendwie in den Sinn kam. Nach kurzer Zeit schrieb ich ein Tutorial dazu – eigentlich nur, um einem Freund PHP zeigen und erklären zu können – und es entwickelte sich zu einer Anlaufstelle für all jene Menschen, die mit den üblichen Programmier-Tutorials nicht zurechtkamen.
In den folgenden Jahren programmierte ich viel für mich selbst, aber auch für andere. Ich liebte die Herausforderung, die Probleme und die Wege zu einer Lösung. Ich liebte die Art zu denken und was mein Gehirn damit machte. Ich suchte mir immer neue Aufgaben, experimentierte mit Dingen, die so gut wie gar nicht dokumentiert waren und probierte einfach herum, bis etwas für mich funktionierte.
PHP war für mich ein ganz großer, wichtiger Teil meines Lebens, ja meiner Identität. Wenn ich mich damit beschäftigte, schien alles zu glitzern und zu funkeln, in meinem Kopf leuchteten die Verbindungen auf, lockten mich, führten mich. Alles war fließend und wunderschön…
… und dann kam ein Tag, an dem alles verschwand.
Ich steckte in einem größeren Projekt, eine Internetseite mit stark personalisiertem Content Management System, hatte viele tolle Ideen, die ich noch einbringen wollte, spannende Überlegungen… und plötzlich verstand ich nichts mehr. Nicht meine eigenen Gedanken, nicht meine Pläne, nichts von dem bereits geschriebenen Code.
Da stand etwas, ja, ich konnte es auch lesen, aber ich verstand nicht mehr, was es tun würde. Ich verstand nicht mehr, was ich davor oder danach oder drumherum brauchte, um etwas damit zu erreichen. Ich verstand nicht mehr, was ich tun musste, um ganz simple Dinge, die ich schon hunderte Mal gemacht hatte, wieder zu machen.
Mein Kopf fühlte sich gleichzeitig komplett leer und übervoll an, alle Verbindungen, die darin immer vorhanden waren und die so wunderschön und verlockend geglitzert hatten, waren abgerissen, nichts leuchtete mehr und diese dunkle Leere schien mich zu verschlucken, während all die kaputten Fetzen mich erdrückten.
Ich quälte mich durch das Projekt – es musste ja fertig werden -, behalf mir mit Copy&Paste und ein paar ziemlich unsauberen Stellen, die meinem Verständnis von mir selbst und meiner Arbeit sehr, sehr zuwider liefen. Gleichzeitig war mir aber klar: Es ging nicht anders.
Jedes Mal, wenn ich versuchte, auch nur aus den Augenwinkeln auf mein ehemals glitzerndes Netz zu schauen, bekam ich Kopfschmerzen, alles schien sich zusammenzuziehen, wie in einem Krampf, jeder Gedanke an Code, Funktionen, Aufgaben, Lösungen war wie ein Schlag ins Gesicht.
Das Projekt habe ich noch abgeschlossen, aber danach hieß es, damit klarzukommen, dass ich einen Teil von mir selbst verloren hatte. Ich liebte coden! Ich liebte diese Denkweise! Ich sehnte mich danach. Aber sie gehörte nicht mehr zu mir….
Ich erinnere mich nicht mehr an die Zeit danach, sie ist für mich wie gelöscht. Meine einzige Erinnerung ist die daran, dass jede Bitte um Wartung einer Internetseite, die ich entwickelt hatte, mich in ein dunkles Loch schleuderte, ich total verzweifelt war und diese Barriere, die da in meinem Kopf war, mich unendlich quälte.
Es waren zum Glück immer nur Kleinigkeiten, die sich dann am Ende doch lösen ließen – mit einem absolut nicht gerechtfertigten Aufwand, aber irgendwie bekam ich sie hin; und war unendlich froh, als die Anfragen immer seltener wurden.
Ich kann bis heute nicht mehr wirklich programmieren. Manchmal versuche ich es noch, sehe eine spannende Aufgabenstellung, mit der ich mich beschäftigen möchte und hin und wieder ist dann für einen Moment sogar wieder das Spielerische, Faszinierende da. Das glitzernde, funkelnde, fließende Netzwerk ist aber nie wieder zurückgekommen und Anfragen zum Thema PHP führen immer noch zu Angst vor der großen, dunklen, alles lähmenden Klammer in meinem Kopf.
Ich weiß bis heute nicht, was da passiert ist, neige aber inzwischen dazu, es als Form eines autistischen Burnouts zu verstehen. Ich weiß nicht, was dazu geführt hat, erinnere mich nur an viel Stress und Druck und Angst und Hilflosigkeit – die meisten Erinnerungen an diese Zeit sind aber einfach weg.
Es fehlt mir immer noch hin und wieder: Das Programmieren, dieser Teil von mir, das wunderschöne Netzwerk, das in meinem Kopf glitzerte, die Zufriedenheit, wenn ich ein Problem lösen konnte, diese Klarheit, die im Code lag… Es war wunderschön.