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Unkelbach Art

My neurodivergent life is a piece of art

Picture-perfect love🤍

Picture-perfect love🤍

14. Februar 2023 Claudia Unkelbach Comments 0 Comment

Wenn du an Liebe denkst, wie stellst du sie dir vor? Was für ein Bild hast du im Kopf? Wie sieht ein verliebtes Paar für dich aus? Wie siehst du dich als Teil eines solchen Paares? Und was willst du jetzt am liebsten an dir oder deinem Leben verändern, um diese Liebe zu bekommen?

Liebe basiert für uns alle ganz stark auf Bildern und diese Bilder sind in erster Linie geprägt von der medialen Darstellung, von dem, was wir in Büchern lesen oder in Filmen sehen, von dem, wie Liebe von Promis und Influencern zelebriert wird, wie sie online zur Schau gestellt wird oder wie darüber erzählt wird. Ganz automatisch orientieren sich unsere Erwartungen an Liebe daran und ebenso automatisch versuchen wir, unsere Liebe entsprechend zu erleben und auszuleben und ganz automatisch übernehmen wir dabei auch ganz klassische Bilder von Paaren: Mann und Frau.

Also EIN Mann und EINE Frau. Nicht-(cis-)heteronormative oder nicht-monogame Beziehungen sind nach wie vor eher selten sichtbar und damit in den meisten Köpfen als „falsch“ abgelegt (was sie NICHT sind!). Immerhin werden gleichgeschlechtliche Beziehungen zwischen cis-binären Personen inzwischen eher als solche anerkannt, aber immer noch ist es höchst problematisch für allen anderen Formen von Beziehungen.

Dabei sind all diese Bilder von Liebe ohnedies eher Unsinn, als wahr und das, was wir als Liebe und Beziehung gezeigt bekommen, ist in erster Linie ein Mittel für Kommerz. Wir wollen daran glauben, dass Liebe unabhängig vom Kapitalismus funktioniert, dass sie „natürliche Chemie“ ist, unschuldig, zart und rein. Liebe passiert einfach, setzt keine Leistung voraus, keine Selbstoptimierung, keine finanzielle Investition und doch haben natürlich weder Kapitalismus noch Leistungsgesellschaft die Finger davon gelassen und sagen uns, dass es genau das aber doch bitte braucht, damit wir geliebt werden können!

Da braucht es dann weniger Gewicht, mehr Fitness und die richtigen Klamotten, um die richtige Person anzuziehen. Oder Erfolg, Geld und Reisen an die richtigen Orte. Und wenn man diese „richtige“ Person gefunden hat, dann geht es weiter damit: Auf das Gewicht „achten“, sich fit halten, pflegen und natürlich wohl kuratierte Zeit zu zweit: Reisen, romantische Erlebnisse, oder wie wäre es direkt mit dem kuscheligen, zweisamen Van-Life, gerne ergänzt um eine ebenso kuschelige Katze. Was einem halt so – gegen entsprechendes Geld – verkauft werden kann.

Alles natürlich für den „Höhepunkt“ der Liebe: Die Hochzeit.
Oder vielleicht doch lieber erstmal noch die Sterne befragen und am richtigen Mindset arbeiten? (Das ist massiver Sarkasmus! Haltet euch bitte fern von Menschen, die euch erklären, dass ihr an eurem Mindset arbeiten müsst. Ehrlich.)

Aber ernsthaft: Ist euch schon mal aufgefallen, dass so ganz typische Liebesgeschichten in Büchern und Filmen meistens bei der Hochzeit enden? Alles führt zu diesem Ziel, das entsprechend groß und besonders auszufallen hat und danach kommt… ja, was eigentlich? Was kommt denn nach dem Filmende?

Wir bekommen auch da natürlich ein paar Bilder präsentiert und können uns daraus neue Ziele zusammenbauen: Wie wäre es mit einem Haus? Und dann vielleicht ein Hund? Ein Kind. Oder mehrere.

Oder doch erstmal die Karriere und Reisen und die Welt entdecken?

Und dann irgendwann: Gemeinsam alt werden. Das Bild von zwei weißhaarigen Menschen, die immer noch Händchen halten oder sich küssen, denn DAS, das ist doch jetzt wahre Liebe, nicht wahr?

Sorry, auch das ist nichts als ein Bild.

Das ALLES ist Teil unseres Bildes von Liebe und auch, wenn wir das unrealistisch finden: Irgendwo in unserem Inneren leben diese Bilder dennoch und beeinflussen, wie wir uns Liebe vorstellen, wie wir uns Beziehungen, ja unser ganzes Leben vorstellen. Wir träumen davon, so zu lieben, so geliebt zu werden, wie wir es gezeigt bekommen, denn am Ende erleben wir das, was wir am häufigsten sehen, als Normalität und irgendwo wollen dann doch die meisten von uns Normalität.

In Wirklichkeit spielen diese Bilder aber überhaupt keine Rolle und ich glaube, viel mehr Menschen, könnten anfangen ihre eigenen Bilder zu malen, wenn ihnen überhaupt erstmal klar werden würde, wie eingeschränkt die Bilder sind, die wir gezeigt bekommen – oder, dass hinter einem Bild oft viel mehr stecken kann, als wir wahrnehmen. Ich will an der Stelle nur so viel sagen: Der Ehemann und ich wirken nach außen wie ein ganz normales heteronormatives Pärchen. Wir sind es aber nicht. Und ja, ihr dürft euch jetzt gerne alle ausmalen, was das genau bedeutet, vielleicht erzähle ich irgendwann mal ja auch mehr dazu.

Liebe ist kein Bild und du kannst Liebe nicht nach Bildern gestalten.

Liebe hat nichts damit zu tun, welches Geschlecht du oder jemand anderes hat. Liebe ist nicht gemeinsam ausgehen, Blumen schenken und sich zu küssen. Liebe ist kein Ehering, kein gemeinsames Bett und auch kein Sex.

Und doch kann alles davon zu Liebe dazugehören.

Für mich ist Liebe, die gleichen Werte zu teilen, das Wohlbefinden und die Bedürfnisse des anderen zu achten den anderen Menschen ernstzunehmen und da sein zu wollen, wenn er etwas braucht – auch, wenn es vielleicht nicht immer geht. Liebe ist für mich, Ängste ansprechen zu können, traurig sein zu dürfen, anzuerkennen, dass man nicht die einzige wichtige Person im Leben eines anderen Menschen ist. Liebe ist auch Freiraum zu geben, Interesse aneinander zu haben, einander wachsen zu lassen, auch wenn die Wege manchmal in unterschiedliche Richtungen verlaufen. Liebe ist für mich, zu lächeln, weil ich an jemanden denke und überhaupt, ganz häufig an wen zu denken, auch wenn die Person gar nicht um mich herum ist* und Liebe ist zum Teil auch einfach, geliebt zu werden.

Liebe ist immer anders und das auf unendlich viele Arten und Liebe braucht viel weniger, als wir denken und das, was sie braucht, ist meistens nicht das, was wir auf Bilder bannen könnten. Liebe IST und Liebe hat keinen vorgegebenen Look.

Picture-perfect love existiert nicht – außer du malst dir dein eigenes Bild <3

* Mit-ADHSler*innen verstehen vermutlich, wie das gemeint ist.

Wir und die anderen

Wir und die anderen

27. November 2022 Claudia Unkelbach Comments 0 Comment

CN: Klassismus, Fettfeindlichkeit, Ableismus

Unser Adventskranz sieht fast so aus wie letztes Jahr. Es ist ein alter Spiegel, dessen Rahmen ich weiß gestrichen habe und den ich als Unterlage verwende. Darauf kommen von mir gefaltete Fröbelsterne – um die Weihnachtszeit bekomme ich immer Lust auf Papierfalten -, eine Lichterkette, Glasnuggets, metallene Kugeln und schwarz-weiße Kugeln, Zuckerstangen und natürlich Kerzen. Große, rote Kerzen.

Die Kerzen vom letzten Jahr waren – wie das halt oft so mit Adventskranz-Kerzen ist – nicht komplett heruntergebrannt und natürlich zu schade zum Wegwerfen und ich hatte im Januar noch gedacht: „Ich lasse sie einfach draußen und dann können wir sie immer wieder anzünden, bis sie heruntergebrannt sind. Das wird schön.“ Ich habe sie nie angezündet. Nach Weihnachten sind Kerzen irgendwie egal und so standen sie zwar herum und waren ein hübscher Farbtupfer, aber sie waren eben immer noch nicht heruntergebrannt und wegwerfen wollte ich sie nach wie vor nicht.

Wie ich dann den diesjährigen Adventskranz zusammenbaute, stellte ich die alten Kerzen darauf – frische hatte ich gerade nicht und ohne Kerzen sah er so kahl aus – und witzelte, dass ich doch eigentlich die Kerzen wiederverwenden könnte. War es wirklich ein Witz? Ich kann es bis heute nicht sagen, denn einerseits finde ich den Gedanken, die Kerzen eben tatsächlich „aufzubrauchen“ total gut, andererseits macht er mir aber Angst.

Ein Adventskranz mit bereits angebrannten Kerzen! „Das geht doch nicht“, ruft eine Stimme in mir ganz laut. Es ist die Stimme meiner Mutter, die Stimme, die immer unheimlich viel Wert daraufgelegt hat, nicht „so“ zu sein. „So“, das waren Menschen, die kein Geld hatten, Menschen, die dick waren, Menschen, die anders waren als die meisten. „So“, das waren die Menschen, die wir waren.

Wir hatten wenig Geld in meiner Kindheit und Jugend, oder nein, wir hatten phasenweise gefühlt viel Geld und im nächsten Moment überhaupt keines. Ich erinnere mich noch daran, als es hieß, jeder von uns dürfe sich zu Weihnachten Geschenke im Wert von (umgerechnet) 200 Euro aussuchen! 200 Euro! Ich wusste überhaupt nicht, was ich mir von so viel Geld wünschen sollte! Am Ende gab es aber zu Weihnachten sowieso nichts von dem Gewünschten, denn das Geld, von dem es die Weihnachtsgeschenke geben sollte, gab es am Ende nämlich auch nicht.

So war das häufig. Geld – oder etwas, das man mit Geld kaufen konnte – wurde in Aussicht gestellt und am Ende gab es nichts davon und es wurde vielleicht sogar der Strom oder das Telefon abgestellt, weil auch dafür das Geld nicht dagewesen war. War es nie da oder zerrann es meinen Eltern einfach in den Händen? Ich kann es nicht sagen. Die Erinnerung an meine Kindheit und Jugend ist aber geprägt von dem ständigen Gefühl, bloß nichts kaputtzumachen, bloß nichts zu verlieren, bloß keine Kosten zu verursachen – aber immer so, dass es nach außen nicht auffiel.

Als ich bei der Planung für einen Schulausflug angab, nicht mitfahren zu können, weil wir das Geld dafür nicht hatten – was stimmte – und ein Fonds der Schule die Kosten übernehmen wollte, gab es zuhause unheimlichen Ärger: Wie hatte ich sagen können, dass wir kein Geld hätten?! Wir hatten kein Geld. Aber das sollte niemand wissen.

Wie oft ging ich mit Hosen in die Schule, deren Oberschenkel-Innenseiten Löcher hatten und verdeckte das mit langen Shirts und Pullovern, damit es niemand merkte, hatte Angst davor, mich im Turnunterricht umzuziehen, weil es da ja wem auffallen hätte können, ignorierte die von den Stoffrändern wundgescheuerte Haut. Damit es niemand merkte. Damit niemand wusste, dass wir uns keine neuen Hosen für mich leisten konnte. Damit niemand wusste, dass ich meine Hosen durchscheuerte, weil ich dick war. Denn auch das hatte ich nicht zu sein.

Also grundsätzlich natürlich nicht dick, aber das war ja schwer zu übersehen, aber dann doch zumindest niemand von „diesen“ Dicken. Denen, die „nicht ordentlich“ angezogen waren. Denen, die faul waren. Denen, die in der Öffentlichkeit aßen. So waren wir nicht! Nein, nein.

Wir waren auch nicht die, die mit Plastiktüten herumliefen, denn Plastiktüten, die verwendeten nur „die anderen“, die GANZ schlechten Menschen, die, auf die wir irgendwie herabsehen konnten, weil doch ohnedies alle auf uns herabsahen. Aber darin, in diesen Plastiktüten, in diesem Vorgeben, Geld zu haben, das wir gar nicht hatten, in der „guten“ Kleidung… darin lag das, was uns zu unterscheiden schien, das, was uns zu „besseren“, „wertvolleren“ Menschen machte. Oder wovon wir es zumindest glauben wollten.

Es gab viele dieser „das macht uns besser“-Dinge. Rucksäcke auf beiden Schultern tragen. Niemals geflickte Sachen tragen. Keine gebrauchten Dinge annehmen. Nichts Gestricktes anziehen. Nichts Selbstgemachtes verschenken. Immer „ordentliche“ Kleidung tragen. Keine bunten Fingernägel. Keine Tattoos. Kein Fast Food in der Öffentlichkeit. Keine Süßigkeiten. Am besten gar nichts essen. Nicht laut atmen. Nicht schnaufen. Nicht weinen. Nicht rot werden. Nicht um Hilfe fragen. Nicht den Eindruck erwecken, Hilfe zu brauchen.

Die Liste ist endlos und vieles ist mir bis heute gar nicht bewusst, sondern einfach nur ein fest integriertes „SO macht man das“, das ganz automatisch abläuft und bei dem sich alles in mir sträubt, ich Magenschmerzen bekomme, Angst, Panik… „Ich bin nicht SO“, möchte ich dann schreien, „Ich bin eine von den Guten!“

Ich weiß heute, wie schlimm diese Denkweise ist. Wie verletzend. Wie herablassend. Wie klassistisch. wie ableistisch. Und ich muss jedes Mal wieder dagegen ankämpfen, denn diese automatische Abgrenzung von denen, die ich irgendwie als „schlechter als ich“ sehen kann, steckt tief.

Bis heute sehe ich auf Menschen herab, die im Jogginganzug einkaufen. „Das macht man doch nicht“, denke ich ganz automatisch – und dann rufe ich mich zurück. Bis heute denke ich mir: „Puh, zum Glück bin ich nicht SO!“ und schaue schnell weg, wenn Menschen in der Öffentlichkeit schwanken, stolpern, stürzen – immer verbunden mit der Scham über den Tag, als ich selbst gestürzt bin und mich Menschen auslachten: „Ha ha, die Dicke kann nicht mal laufen!“ Wie peinlich! Ich war „SO eine“!

Ich kämpfe damit, dass ich körperliche Beschwerden habe, die man mir anmerken könnte, weil ich eben schwanke oder stolpere, weil ich eine Pause brauchen könnte, weil ich nicht mehr klar sehen kann vor Schmerzen. Ich kämpfe damit, den guten Schein nicht mehr aufrecht erhalten zu können und endgültig jemand von „denen“ zu sein, jenen, die ich gelernt habe, zu verachten, denn wenn du nichts hast, hast du doch immer noch deinen Stolz, nicht wahr?

Ich verrate euch was: Stolz ist Mist.

Ich bin keinen Deut besser als irgendjemand. Es macht mich nicht besser, dass ich Schuhe mit Schnürsenkeln, statt welche mit Klettverschluss trage, dass ich meine Einkäufe in einem hübschen Queerdinx-Stoffbeutel statt einer Plastiktüte nach Hause trage, dass ich eine Treppe nehme statt dem Aufzug – oder dann halt doch den Aufzug, weil ich mich ganz fest zusammenreiße und an mich und meine Gesundheit denke und nicht daran, ob ich jetzt jemand von „denen“ oder „denen“ oder „denen“ sein könnte.

Es macht niemanden besser einer Erwerbsarbeit nachzugehen, nicht krank zu sein, Kinder zu haben, nur nachhaltige Kleidung zu kaufen, vegan zu leben, auf Konsum verzichten zu können, weiß zu sein, dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht zu entsprechen, die „richtigen“ Sprachen zu beherrschen, mit christlichen Bräuchen aufgewachsen zu sein, ein Dach über dem Kopf zu haben oder nicht auf Medikamente angewiesen zu sein.

Wir sind auf so viele Dinge stolz, weil sie uns vermeintlich zu besseren Menschen machen, uns abgrenzen und „nicht SO“ sein lassen, doch in Wirklichkeit tun sie überhaupt nichts davon. Sie SIND einfach nur. Wir SIND einfach nur. Vollkommen egal, wie sehr wir uns an alle Regeln halten – oder an gar keine -, wie sehr wir uns anpassen, ändern, bemühen, abmühen… wir sind trotzdem kein bisschen besser als jemand, der das alles nicht kann oder nicht will.

Egal, wie viele internalisierte -ismen – Klassismus, Ableismus, Rassismus… – uns weismachen wollen, dass und wofür wir besser sind: Wir sind es nicht.

Wir sind genauso gut, genauso wertvoll wie der Mensch, den wir am meisten verachten.

Das heißt nicht, dass wir uns ab sofort alle verachten sollen – wir sollten nur anfangen, diese Dynamiken wahrzunehmen, unseren internalisierten Rassismus, Klassismus, Ableismus, Sexismus usw. zu erkennen und gegen sie anzuarbeiten.

Auch wenn es manchmal nur so eine Kleinigkeit ist, wie die alten Adventskranz-Kerzen im nächsten Jahr wieder zu verwenden – weil wir es wollen und nicht, weil wir dadurch zu besseren oder schlechteren Menschen werden.

Let’s talk about: PMDS – Prämenstruelle dysphorische Störung

Let’s talk about: PMDS – Prämenstruelle dysphorische Störung

13. November 2022 Claudia Unkelbach Comments 0 Comment

In der Nacht wache ich auf. Alles ist dunkel. Ich bekomme Angst. Ich taste nach dem Ehemann. Ist er noch da? Ich berühre seinen Körper. Bin für einen Moment beruhigt, doch dann der nächste Schreckmoment. Ich lausche. Versuche, seinen Atem wahrzunehmen, denn ich habe unendliche Angst, Angst, dass er vielleicht nicht mehr da ist.

Jahrelang war diese Angst mein Begleiter. Viele, viele Nächte bin ich aufgewacht, hatte Angst, dass mein Kater gestorben sein könnte, mein Ehemann, ein Freund. Und nicht nur davor: Ich hatte immer wieder unbeschreibliche Angst vor allen möglichen Dingen. Ohne Grund. Von einem Moment auf den anderen. Es gab keinen Auslöser, keine Erfahrung. Es gab einfach nur diese Angst.

Dazu immer wieder intensive depressive Phasen. Phasen, in denen ich das Gefühl hatte, von der Unerträglichkeit der Welt erdrückt zu werden, nicht mehr atmen zu können, nicht mehr atmen zu wollen. Phasen, in denen alles schon in Gedanken zu viel war, in denen ich mich tagsüber wieder und wieder in den Schlaf geflüchtet habe, weil Wach-sein eine Qual war und Schlaf das einzige Entkommen war.

Depression. Angststörung.

Ich arbeitete daran. Trainierte Skills. Suchte Hilfsmittel. Aber nichts half gegen diese Wellen an psychischem Chaos in mir. Sie kamen und sie gingen. Unvorhersehbar. Unbeherrschbar. Und die Angst vor dieser Willkür war fast noch größer als die Angst vor den Phasen selbst.

Bis mir irgendwann auffiel, dass es gar nicht willkürlich war.

Zuerst wurde mir bewusst, dass die Angst immer in Phasen kam, in denen ich ganz furchtbar leicht wütend wurde. Phasen, die ich bereits mit meinem Zyklus verband – PMS! Und tatsächlich, die Angst kam immer einige Tage vor dem Einsetzen meiner Periode auf und hatte die Depression im Schlepptau. Manchmal nur 3 oder 4 Tage vorher, manchmal auch 10 oder 12, aber immer verschwanden beide am 1. oder spätestens am 2. Zyklustag wieder – komplett und ohne, dass ich irgendetwas dagegen getan hätte.

Was ich für willkürlich hielt, richtete sich in Wirklichkeit nach meinem Körper!

Mir glaubte das damals niemand. Es wurde als Einbildung abgetan. Ich hatte ja offensichtlich psychische Probleme, also war ich doch ganz offensichtlich nicht zurechnungsfähig und außerdem war ich ja keine Fachperson, also hatte ich auch ganz sicher keine Ahnung.

Hatte ich aber sehr wohl. Ich beobachtete mich ja. Ich erlebte, was da in mir abging und wann und auch, wie es wie von Zauberhand einfach wieder verschwand! Und doch war ich es so gewohnt, Fachleuten zu vertrauen, dass ich ihnen glaubte! Ich glaubte ihnen, dass ich mir das alles einbildete! Ich glaubte ihnen, dass ich keine Ahnung von meinem eigenen Körper hatte! Ich glaubte ihnen, dass ich gar keine Hilfe bräuchte…

… bis ich so verzweifelt war, weil mich Angst und Depression mal wieder so unbarmherzig überrannten, dass ich im Internet nach meinen Problemen suchte. Das, was doch nur ganz, ganz schreckliche Patient*innen machen und was man besser keinem Arzt und keiner Ärztin verrät. Ich verriet es auch nicht, aber ich suchte dennoch danach.

Das Internet erzählte mir dann das erste Mal etwas von PMDD: Premenstrual dysphoric disorder (zu Deutsch: PMDS – Prämenstruelle dysphorische Störung).

Die Zusammenfassung ist oft „PMS nur schlimmer“ und das trifft es durchaus, aber das Ausmaß des „schlimmer“ ist doch… unerwartet. Mit PMS verbindet man vor allem „schlechte Laune“, „Gereiztheit“ und ein paar körperliche Dinge, wie spannende Brüste oder Pickel. „Schlimmer“ klingt also mehr nach „das alles, aber halt ein bisschen stärker“.

In Wirklichkeit umfasst das „schlimmer“ bei PMDS aber teils deutlich mehr und vor allem auch in sehr starker Ausprägung.

Psychisch finden wir da:

  • Nervosität
  • Unruhe
  • Schlaflosigkeit
  • Angstzustände
  • Verwirrung
  • Vergesslichkeit
  • Paranoia
  • Erschöpfungszustände
  • Depressionen
  • und einiges mehr…

Und auch physisch ist die Liste lang, umfasst natürlich die „normalen“ PMS-Symptome, geht aber darüber hinaus und beinhaltet auch neurologische Probleme. Auf der Webseite von John Hopkins Medicine gibt es zum Beispiel eine ausführliche (englischsprachige) Auflistung an Symptomen.

Meine Einbildung war also doch keine Einbildung, nur das Wissen über meine angeblich eingebildeten Probleme war bei meinen Ärzt*innen einfach nicht präsent genug!

Wenn ich mich heute im deutschsprachigen Internet umschaue, ist das Wissen um PMDS zum Glück endlich deutlich verbreiteter.

In den USA ist PMDD seit 2013 eine offizielle Diagnose und in Deutschland wird es das zukünftig auch endlich sein, denn die ICD-11, die (irgendwann) in den nächsten Jahren auch in Deutschland eingeführt werden wird, enthält mit GA34.41 tatsächlich einen Diagnoseschlüssel für PMDS!

Das ganze Thema wird endlich bekannter! Es gibt Forschung in dem Bereich und es wird inzwischen vermutet, dass das in der 2. Zyklushälfte gebildete Progesteron vom Körper „falsch“ verarbeitet wird und es darüber hinaus Abweichungen im Serotoninhaushalt gibt. Und sogar Medikamente sollen speziell für PMDS entwickelt werden.

Noch sieht es allerdings so aus, dass die einen versuchen, ihre menstruierenden Patient*innen zu „stressreduzierendem Verhalten“ zu bringen und empfehlen ihnen entsprechend Entspannungsübungen (schon wieder…) und ruhigen Sport, während die anderen mit der Unterdrückung des Zyklus durch die dauerhafte Einnahme der Pille arbeiten oder versuchen, die schlimmsten Symptome mit der Gabe von Antidepressiva – entweder dauerhaft oder punktuell – zu verbessern.

Und die dritten – wie mein letzter Gynäkologe – arbeiten mit pflanzlichen Mitteln. So empfahl er mir hochdosiertes Johanniskraut und Mönchspfeffer und das nehme ich jetzt seit einigen Jahren. Tatsächlich reduzieren sie meine Probleme deutlich – wenn auch nicht perfekt, denn diesen Text schreibe ich, weil die nächtliche Angst wieder zu Besuch war. Aber eben doch so gut, dass ich damit klarkomme.

Nachdem ich heute aber doch mal wieder nach dem aktuellen Kenntnisstand recherchiert habe, werde ich vielleicht nächstes Jahr mal die Suche nach einer neuen gynäkologischen Fachperson in Angriff nehmen und schauen, wie weit das Wissen um das Vorhandensein und die Behandlung von PMDS bis dahin vorangekommen sind und davor für eine Weile ein Zyklus-Tagebuch führen – oder es zumindest versuchen, denn mit ADHS ist das ja nicht immer so einfach.

Was ich dir mitgeben mag: Auch wenn dir vielleicht gerade niemand glaubt, dass du Probleme hast, lass‘ dir nicht einreden, dass du sie dir nur einbildest! Die Wahrscheinlichkeit, dass deine Probleme einfach nur noch nicht bekannt genug sind ist deutlich höher als die, dass du sie dir tatsächlich nur einbildest.

Medizin und Psychologie entwickeln sich und werden das vermutlich bis in alle Ewigkeiten so machen. Wir müssen uns alle – Fachkräfte, Patient*innen, Angehörige…. – bewusst machen, dass das heutige Fachwissen bei weitem nicht komplett ist und „Einbildung“ die falsche Antwort auf ein Problem ist.

Stress ist kein individuelles Problem

Stress ist kein individuelles Problem

8. November 2022 Claudia Unkelbach Comments 2 comments

Gehe ich zu Ärzt*innen und erzähle von meinen körperlichen Problemen, taucht früher oder später die Frage auf: „Sind Sie oft gestresst?“ Früher fand ich die Frage immer unangenehm, denn Stress, das war das, was Menschen haben, die beruflich stark eingespannt sind und ich, die gerade mal ein paar Stunden die Woche erwerbsarbeitete – und noch nicht mal auf einer „wichtigen“ Position -, ich konnte doch nicht gestresst sein.

Ich spürte aber, dass die erwartete Antwort ein „Ja“ war- weil es Probleme erklären würde, weil man nicht weiter nach der Ursache suchen würde müssen, weil es doch eine einfache Lösung gab: „Sie sollten mal Entspannungsübungen probieren!“ Also sagte ich brav „Ja“, mir wurden die Entspannungsübungen empfohlen und ich wurde nach Hause geschickt. Problem gelöst! Patientin muss sich einfach besser um sich kümmern.

Irgendwann kam ich zumindest zu dem Punkt, zu realisieren, dass mein Stress nicht von meiner Arbeits- oder Nicht-Arbeits-Situation abhing, sondern von ganz anderen Faktoren. Ich hatte einen Ärzt*innen-Termin? Ich war schon Tage vorher unbeschreiblich im Stress. Ich sollte Formulare ausfüllen? Stress! Ein Handwerker musste in die Wohnung? Stress! Ich lese Nachrichten? Stress! Stress! Stress!

Natürlich war das alles nur meine Schuld, denn ICH reagierte ja so gestresst, dafür kann doch niemand was und sowieso: Alle anderen gehen ja auch zu Ärzt*innen, füllen Formulare aus und informieren sich über das Weltgeschehen… wahrscheinlich sind sie einfach viel besser in ihrem Stressmanagement, machen öfter Entspannungsübungen und wissen einfach, wie man mit stressigen Situationen umgeht. Ich musste das einfach auch lernen!

Ich habe Unmengen an Entspannungsübungen ausprobiert, habe Achtsamkeitstraining gemacht, meditiert, Tiefenentspannung und Atemübungen getestet. Manches mochte ich nicht, anderes gefiel mir sehr, einiges habe ich über Monate hinweg tatsächlich täglich gemacht, bei anderem war ich eher noch gestresster und ließ es daher schnell wieder sein. Wieder anderes mache ich immer noch – in abgewandelter Form oder in bestimmten Situationen. Alles in allem also: Ja, Entspannungsübungen sind wirklich nicht schlecht.

Was sie allerdings alle nicht bewirkt haben: Eine dauerhafte Stressreduktion. Die Tage im Jahr, an denen meine Smartwatch mir attestiert, dass ich entspannt gewesen wäre, lassen sich an einer Hand abzählen. Die meiste Zeit teilt sie mir lapidar mit, dass ich zu gestresst wäre und dauerhafter Stress würde zu Erschöpfung führen. Ach? Wäre mir ja nie aufgefallen… /j (Tonindikator: joking)

Vor ein paar Monaten erst war es mal wieder so schlimm mit mir und dem Stress, dass ich erneut einen Entspannungskurs probierte – irgendwann musste ich doch endlich lernen, entspannt zu sein! Es war ein Audiokurs und der Sprecher ging mir vom ersten Moment an auf die Nerven, wie er da mit salbungsvoller Stimme erklärte, was ich bisher alles falsch machte, denn für ihn war klar: Zu wenig Achtsamkeit war der Schlüssel aller Probleme, wir müssten öfter über unsere Handlungen nachdenken, sie bewusster durchführen und schon wäre der Stress verschwunden.

Versteht mich nicht falsch: Ich bin sehr dafür, Dinge bewusst zu tun und ich nutze tatsächlich ein paar Achtsamkeitsübungen in meinem Alltag, aber Handlungen bewusst durchzuführen IST mein Alltag. Ich denke ständig über alles nach und mir zu sagen, dass es ein Fehler wäre, ganz unterbewusst Zähne zu putzen und nicht über die einzelnen Handlungsschritte nachzudenken, ist eher sinnlos, denn ich würde mir sehnlichst wünschen, unterbewusst Zähneputzen zu können und nicht jeden Tag wieder damit zu kämpfen, weil mein Kopf die einzelnen Schritte sortieren muss. Leider fühlt es sich nicht nach Achtsamkeit und Stressreduktion an, sondern nach Kampf und Stress.

Ich tröstete mich damit, dass dieser Entspannungskurs halt einfach nicht der richtige für mich war und beschloss, es mit Tiefenentspannung zu probieren. Das fand ich sehr angenehm, übte auch fleißig und vertraute auf das Versprechen: „Üben Sie regelmäßig und sie werden deutlich entspannter und gesünder durchs Leben gehen!“

Dann passierte irgendwas, weil ja immer irgendwas passiert – wir müssen nur morgens einen Blick auf die Nachrichten werfen und schon ist klar, dass ein neues Irgendwas passiert ist und es Stress bedeutet. Mal mehr Stress und mal weniger, mal nur kurzfristig und mal für eine nicht absehbare Zeit, aber Stress ist immer irgendwo in diesen Irgendwassen versteckt und entsprechend war ich also doch wieder gestresst, Tiefenentspannung hin oder her.

Ja, natürlich ist es meine Reaktion auf Nachrichten, meine Angst vor Ärzt*innen, meine Panik vor Formularen, mein Unwohlsein gegenüber fremden Menschen, aber das macht meinen Stress nicht zu einem individuellen Problem und von mir zu verlangen, dass ich eben stressresistenter werden müsse, ist nicht die Lösung.

Das Weltgeschehen IST Stress. Kriege, Klima, Menschenrechtslage… die Liste ist endlos und die Lage IST schrecklich. Ich kann mir nicht gleichzeitig der Tatsache bewusst sein, dass es weltweit riesengroße Probleme gibt und gleichzeitig NICHT gestresst davon sein. Es geht einfach nicht! Das ist, als würde ich ganz gechillt auf einem Bahngleis Tee trinken und der Zug würde auf mich zurasen, lautstark hupen, die Gleise würden immer lauter und lauter summen und vibrieren, aber ich würde lieber erstmal in Ruhe meinen Tee austrinken, bevor ich akzeptiere, dass der Zug überhaupt auf diesem Gleis ist!

Wir sind nicht gestresst, weil wir nicht stressresistent genug wären. Wir sind gestresst, weil wir erkannt haben, dass es GRUND gibt, um gestresst zu sein!

Genauso wenig habe ich grundlos Angst vor Ärzt*innen. Meine Erfahrungen sagen, dass jeder einzelne Besuch bei einer medizinischen Fachperson zu einem schlimmen Erlebnis führen kann und ich am Ende wochenlang damit kämpfen werden müssen. Nicht, weil ich nicht stressresistent wäre, sondern weil mich die Person, der ich vertrauen soll, der ich meine Probleme schildern und bei der ich um Hilfe bitten soll, schlichtweg nicht gut behandelt! Ich bin gestresst, weil viel zu viele Ärzt*innen in der Vergangenheit so waren und weil jeder einzelne Ärzt*innen-Besuch das (sehr realistisch auch noch große) Risiko birgt, dass es wieder so läuft.

Stress kommt nicht aus dem Nichts. Stress ist keine komplett sinnlose Reaktion des Körpers. Stress ist die Summe unserer Erfahrungen, angewandt auf unsere gegenwärtige Realität. Umso schlechter deine Erfahrungen, umso mehr Stress. Umso problematischer unsere gegenwärtige Realität, umso mehr Stress!

Vollkommen egal, wie achtsam ich bin, wie oft ich meditiere, wie viel Zeit ich in der Natur verbringe, wie hoch meine Vitamin-Level sind, wie viel Sport ich treibe oder wie oft ich meine Entspannungsübungen mache: Ich werde meinen Stress damit nicht loswerden.

Ich will nicht sagen, dass nichts davon hilft! Natürlich kann einiges oder alles davon ausgleichend sein, dabei helfen, besser mit dem unvermeidbaren Stress unseres Lebens klarzukommen, aber wir müssen endlich akzeptieren, dass diese Dinge nicht die Lösung sind und wir müssen aufhören, Menschen dafür verantwortlich zu machen, wenn sie gestresst sind, weil sie ja „nicht genügend dagegen tun“.

Die Antwort auf unseren Stress ist nicht Entspannung! Die Antwort auf unseren Stress ist es, globale, gesamtgesellschaftliche, systemische Lösungen für unsere Probleme zu suchen!

Wir brauchen eine Gesellschaft, die endlich auf marginalisierte Gruppen achtet, die ihren eigenen Rassismus, Ableismus, Sexismus, Klassismus usw. hinterfragt, erkennt und daran arbeitet. Wir brauchen eine Gesellschaft, die Kapitalismus durchdenkt, durchschaut und auseinandernimmt. Wir brauchen eine Gesellschaft, die den auf uns zurasenden Zug in Form des Klimawandels als so nah und gefährlich wahrnimmt, wie er ist. Wir brauchen eine Gesellschaft, die gestresst ist! So gestresst, dass sie endlich anfängt, etwas dagegen zu tun, anstatt weiterhin auf Entspannungsmaßnahmen zu setzen.

Stress ist kein individuelles Problem. Stress ist ein globales Warnsignal und wir müssen diese Warnung endlich ernstnehmen!

Über Kulturen – oder eben nicht

Über Kulturen – oder eben nicht

27. Oktober 2022 Claudia Unkelbach Comments 0 Comment

In meinem Text „Autismus hat man für immer – ein wirklich moderner Blick auf Autismusspektrumstörungen“ verwende ich Kultur, um zu beschreiben, wie es sich anfühlt, als neurodivergenter Mensch in einer neurotypischen Welt zu leben. Für mich persönlich ist das stimmig, denn ich nehme wahr, in wie vielen verschiedenen Kulturen ich mich selbst bewege, wie ich ein Teil von vielem verschiedenen und doch ein Individuum darin bin und wie leicht oder schwierig der Übergang für mich zwischen „meinen“ Kulturen ist und auch, dass einige dieser Schwierigkeiten eben durch meine Neurodivergenz entstehen.

Was ich dabei aber übersehen habe: „Kultur“ bedeutet nicht für jeden Menschen dasselbe und während es für mich in meinem Verständnis von Kultur ein passender Vergleich ist, habe ich keinerlei Kontrolle darüber, was Kultur – und noch stärker „andere Kultur“ – für dich oder jemand anderen bedeutet, wie es sich anfühlt, was die Assoziationen und Einordnungen dabei sind. Ich habe komplett übersehen, wie sehr wir „fremde Kultur“ zur Ab- und Ausgrenzung nutzen, wie sehr wir Menschen in „Kulturen“ einsortieren, um ihnen Eigenschaften, Denkweisen und Werte zuzuordnen, die aber nur durch ihre vermeintliche „Kulturzugehörigkeit“ legitimiert sind und nicht durch das jeweilige Individuum.

Und so kommt es, dass ich mit meinem Kulturvergleich ungewollt auch Rassismus Raum gegeben habe.

Es nervt mich ungemein. Ich mag den Begriff „Kultur“. Ich mag, was er für mich darstellt. Ich mag ihn, weil er für mich ein wunderbares Konstrukt ist, in dem jeder Mensch sich bewegt – flexibel, vielseitig, groß. So groß, dass ich Kultur auf „Sprache und fremde Gesten, Rituale und Bräuche“ heruntergebrochen habe, um ihn möglichst greifbar zu machen und damit am Ende noch mehr ein rassistisches Bild produziert habe!

Großartig… /s (Tonindikator: Sarkasmus)

Also natürlich nicht großartig, sondern einfach furchtbar ärgerlich. Und ja, natürlich ärgert es mich auch, dass ich „Kultur“ nicht mehr verwenden kann – nicht, weil es mir jemand verbieten würde(!), sondern weil wir Menschen auch diesen Begriff mit unserem uns innewohnenden Rassismus, unserem Drang zur Abgrenzung und zur Bewertung von Leben zu einer Waffe gegen alle, die „nicht wie wir“ sind, gemacht haben. Menschen sind schrecklich. Ja, ich auch.

An dieser Stelle mein aufrichtiger Dank an Solveïg von Intersektionale Bildung, denn hen hat mich darauf aufmerksam gemacht – und mein Dank und vor allem auch meine Entschuldigung an die, mir unbekannte Person, die wiederum Solveïg darauf aufmerksam gemacht hat und an alle, die ich durch meinen Kulturvergleich verletzt und deren Leben und Erleben ich durch mein sorgloses Verwenden von „Kulturen“ nicht mitgedacht habe.

Und jetzt wollen wir versuchen, das besser zu machen! Achtung: Das wird lang!

Wir befinden uns an dieser Stelle, wo ich langsam versuche, begreifbar zu machen, wie es sich anfühlt, als neurodivergenter – hier im speziellen: autistischer – Mensch mit neurotypischen Menschen und Standards konfrontiert zu sein:

Als Autistin bin ich es gewohnt, dass meine Wahrnehmung als falsch oder unpassend empfunden wird. Ich bin es gewohnt, dass ich mich dafür rechtfertigen muss, wenn ich etwas anders wahrnehme, dass ich mich dafür entschuldigen muss, wenn neurotypische Menschen mich mal wieder falsch verstehen oder dass ich mich so verhalten muss, wie es für mich unangenehm ist, nur um andere nicht zu enttäuschen oder als unhöflich empfunden zu werden.

Darauf folgte mein Kulturvergleich, den ich aus heutiger Sicht nicht mehr verwenden möchte. Dafür will ich es so zu erklären versuchen:

Stell dir vor, du hättest eine neue Beziehungsperson. Ihr fühlt euch wohl miteinander, eure Gespräche sind gleichzeitig lustig und ernst und ganz wunderbar leicht zu führen, ihr versteht euch und du kannst dir gut vorstellen, dass ihr längere Zeit zusammen sein werdet. Eines Tages sagt deine Beziehungsperson zu dir: „Meinen Geburtstag feiere ich bei meinen Eltern – du kommst doch mit?“

Du kennst ihre Eltern bisher nicht.

Freust du dich darauf, sie kennenzulernen? Oder bist du vielleicht verängstigt? Machst du dir Sorgen, was die Eltern von dir halten könnten? Denkst du vielleicht gar nicht weiter darüber nach und sagst einfach zu? Grübelst du in den kommenden Tagen darüber, ob das eine tiefere Bedeutung hat? Denkst du, dass es ganz sicher keine hat? Oder vielleicht im Gegenteil, dass es ganz sicher eine hat und bist ein bisschen stolz, weil du das durchschaut hast?

Ist dir überhaupt schon der Gedanke gekommen, dass es unterschiedliche Bedeutungen haben könnte und du – egal, wie gut du deine Beziehungsperson kennst – nicht mit Sicherheit sagen kannst, was es für sie bedeutet?

Du beschließt, es in aller Ruhe angehen zu lassen.

Also zumindest würdest du das gerne, denn umso näher der Geburtstag rückt, umso nervöser wirst du. Dir fällt plötzlich ein, dass du überhaupt nicht weißt, ob deine Beziehungsperson eigentlich ein Geschenk erwartet? Also du gehst eigentlich davon aus, aber dann fällt dir ein, dass ihr mal über unnötige und unpassende Geschenke und über sinnlosen Konsum gesprochen habt und mit einem Mal bist du dir nicht mehr so sicher: Wäre es falsch, ihr etwas zu schenken? Wäre es falsch, ihr NICHTS zu schenken?

Du hast Glück, denn am Abend, als du mit deiner Beziehungsperson plauderst, lässt sie – wohlplatziert oder zufällig? – fallen, dass sie sich eine bestimmte Sache zu ihrem Geburtstag wünschen würde. Du atmest auf. Klare Informationen sind toll! Zeitgleich fragt sie, ob du schon ein Gastgeschenk für ihre Eltern besorgt hast. Du erschrickst! Gastgeschenk? Was denn um alles in der Welt für ein Gastgeschenk? So was hast du noch nie besorgt!

Vielleicht hast du an der Stelle das Glück, dass du mit deiner Beziehungsperson darüber reden und sie fragen kannst. Vielleicht bist du dir sicher, dass du das einfach im Internet herausfinden kannst und fragst gar nicht erst. Vielleicht wirst du dir aber auch einfach etwas überlegen, so schwer kann das ja nicht sein.

Deine Beziehungsperson lässt noch kurz fallen, dass ihre Eltern sich eigentlich immer über handgestrickte Socken freuen und du nickst – nur ein klein wenig verzweifelt. Handgestrickte Socken? Woher sollst du denn bis übermorgen 2 Paar handgestrickte Socken nehmen? Und – fällt dir da noch ein – in welcher Größe denn überhaupt? Wie schnell du wohl stricken lernen kannst?

Den Rest des Abends bist du nicht mehr so richtig aufmerksam. Deine Gedanken kreisen unaufhörlich um Socken und Stricken und Gastgeschenke, darum, was du vielleicht noch alles überhaupt nicht über Eltern-kennenlern-Geburtstagsbesuche weißt und überhaupt: Geburtstage! Bei dir gibt es immer einen Kuchen mit Kerzen und deine Eltern und Freunde singen „Zum Geburtstag viel Glück“. Wie das wohl hier ist?

Der Tag vor dem Geburtstag. Du hast schlecht geschlafen, weil du ständig über handgestrickte Socken und Schuhgrößen nachgedacht hast und irgendwann beugte sich eine riesengroße Socke über dich und lachte dich aus, weil du nicht stricken kannst. „Zum Glück nur im Traum“, denkst du, während du deine Socken – NICHT handgestrickt, Schuhgröße 42 – anziehst und in deine Schuhe schlüpfst. Dir ist inzwischen klargeworden, dass diese Sockengeschichte nicht lösbar ist – und klammheimlich fragst du dich, ob deine Beziehungsperson das tatsächlich ernstgemeint hat oder dich vielleicht damit aufziehen wollte, aber nachfragen kannst du jetzt auch nicht mehr, weil wie stehst du denn dann da? Als ob du keine Witze verstehen würdest! Oder als ob du ihr nicht glauben würdest… Beides nicht wünschenswert.

Direkt nach dem Aufwachen hast du doch ins Internet geschaut. Blumen stand da. Wein. Pralinen. Erst willst du Blumen holen, aber dann fällt dir ein, dass Blumen kompliziert sind, weil ihre Farben Bedeutungen haben und ihre Sorten und wer weiß, ob wirklich alle dieselbe Bedeutung darin sehen? Am Ende löst du einen Eklat aus und ruinierst den ganzen Geburtstag! Nein. Keine Blumen. Also Wein oder Pralinen und da du von Wein keine Ahnung hast, entscheidest du dich für Pralinen. Damit kann man nichts falsch machen. Jeder mag Pralinen!

Am Abend chattest du mit deiner Beziehungsperson über den nächsten Tag und da schreibt sie plötzlich: „Ach, ganz vergessen: Sei nicht überrascht, wenn es keinen richtigen Kuchen gibt. Meine Eltern essen keinen Zucker und deswegen gibt es bei uns immer einen großen Brotlaib mit Kerzen!“ Du starrst auf die Worte. „Ah ja“, tippst du. Dann starrst du weiter. Die Pralinen kommen dir in den Sinn. Ob du vielleicht zuckerfreie Pralinen gekauft hast? Gibt es sowas überhaupt? Du musst das recherchieren!

Bevor du dazu kommst, erscheint ein Video im Chat: Ein Geburtstags-Brotlaib mit flackernden Kerzen, deine Beziehungsperson, die sie auspustet und – vermutlich – ihre Eltern, die „Zum Geburtstag viel Glück“ singen. „Puh“, denkst du erleichtert, „wenigstens ETWAS, das dir bekannt ist!“ In dem Moment singen sie „… zum Geburtstag, zum Geburtstag, zum Geburtstag viel Glück!“ Du bist verwirrt. Bei dir wurde da immer dein Name gesungen!

Du schaust dir das Video noch mal an – der Geburstags-Brotlaib ist eigentlich ziemlich cool – und ja, tatsächlich, bei deiner Beziehungsperson wird „Zum Geburtstag viel Glück“ ohne Namen gesungen. Okay, das bekommst du hin! Also hoffst du zumindest, du wirst einfach ganz konzentriert sein und gut aufpassen, damit du nichts falsch machst. Ihr vereinbart noch, wo ihr euch am nächsten Tag treffen wollt, um dann gemeinsam zu den Eltern deiner Beziehungsperson zu fahren, und wünscht euch eine gute Nacht.

Auch diese Nacht wird alles andere als gut. Dieses Mal verfolgen dich Pralinen durch deine Träume und streuen mit kleinen Pralinen-Armen Zucker auf brennende Brotlaibe. Die Pralinen wirst du definitiv nicht mitnehmen! Sicherheitshalber isst du ein paar zum Frühstück – diese Stärkung kannst du gerade echt gut brauchen. Kurz huscht der Gedanken durch deinen Kopf, dass du das bei der Geburtstagsfeier vielleicht besser nicht erzählen solltest, was würden die Eltern bloß von dir halten?! Dann ärgerst du dich, dass es dir wichtig ist, was die Eltern deiner Beziehungsperson von dir halten.

Missmutig gehst du los, um halt doch Blumen zu holen. „Gelb“, denkst du, „gelbe Blumen sind fröhlich, damit kann man nichts falsch machen.“ Oder solltest du vielleicht doch lieber noch mal nachschauen? Während du unschlüssig stehenbleibst und dein Handy aus der Tasche ziehen möchtest, fällt dein Blick auf ein Schaufenster: Schlüsselanhänger in Sockenform! Du stürzt in den Laden und kaufst zwei – nur unterbrochen von einer kurzen Verunsicherung über die richtigen Farben, die du aber mit aller Kraft beiseiteschiebst: Du hasst Gastgeschenke. Aber: Thema abgehakt!

Auf dem Weg zum Treffpunkt gehst du im Kopf noch einmal alle Punkte durch: Gastgeschenk. Geburtstagsgeschenk. Singen ohne Namen! Brot. Kein Zucker. Wie stellst du dich überhaupt vor? Oder stellt dich deine Beziehungsperson vor? Und siezt du ihre Eltern? Oder duzt du sie? Und sie dich? Ob du wohl deine Schuhe ausziehen solltest? Hättest du Hausschuhe mitnehmen sollen?

Vor Nervosität beginnt dein Bauch zu grummeln. Jetzt nur nicht daran denken, wäre ja super peinlich, direkt aufs Klo zu stürzen, wenn ihr angekommen seid. „Entschuldigung, wo ist denn ihr Klo?“ – zack, weg! Nein, das geht nicht. Aber überhaupt: Was ist denn ein guter Zeitpunkt danach zu fragen? Und ob sie wohl von „Klo“ sprechen? Oder von „Toilette“? Dir wird heiß und dann eiskalt. Dein Bauch tut jetzt echt weh. Ob du vielleicht absagen kannst? Vielleicht könnte dich einfach ein Auto anfahren und du müsstest ins Krankenhaus und dann müsstest du nicht dorthin…

Am Ende wirst du natürlich nicht von einem Auto angefahren und kommst ins Krankenhaus, sondern fährst mit deiner Beziehungsperson zu ihren Eltern – du willst schließlich niemanden enttäuschen, schon gar nicht am Geburtstag! Es geht dir den ganzen Tag nicht gut und du hast ständig Angst, etwas falsch zu machen, etwas Falsches zu sagen, oder etwas NICHT zu sagen, was du aber sagen solltest. Du fühlst dich keinen Moment ruhig oder entspannt, bist ständig hoch konzentriert, beobachtest, analysierst und versuchst, dein Verhalten bestmöglich anzupassen. Deinen weiterhin grummelnden, schmerzenden Bauch ignorierst du, ebenso wie die Magenschmerzen und die im Laufe des Tages immer stärker werdenden Kopfschmerzen. Du reißt dich zusammen. Beim Singen stolperst du dann natürlich doch über den Namen und es ist dir furchtbar unangenehm, auch wenn die anderen nichts dazu sagen. „Vermutlich sind sie einfach nur höflich“, denkst du erschöpft und wünschst dir zum 3600. Mal in der letzten Stunde, dass du doch vom Auto angefahren worden wärst.

Irgendwie überstehst du den Tag. Am Abend fällst du komplett erledigt ins Bett. Du hast keine Energie mehr, um deine Zähne zu putzen oder dein Handy ans Ladekabel zu hängen und willst einfach nur noch schlafen, legst dich ins Bett, schließt die Augen und – bumm – der ganze Tag spielt sich erneut in deinem Kopf ab! Jeder Augenblick läuft wie ein Film an deinem inneren Auge vorbei. Du fühlst dich wieder so furchtbar wie während der letzten Stunden. Jedes Gespräch, jedes Wort, jeder Augenblick wiederholt sich und du denkst darüber nach, ob du dich an dieser Stelle passend verhalten hast und an jener. Immer wieder fällt dir etwas Neues auf, ein weitere Fehler deinerseits, eine Peinlichkeit, eine Ungeschicklichkeit. Du drehst dich im Bett hin und her, du bist müde, du willst schlafen, aber der Schlaf kommt nicht.

Irgendwann spät in der Nacht schläfst du dann doch noch ein. Du träumst wieder einmal wirr und im Traum wird der vergangene Tag noch ein bisschen schrecklicher, noch ein bisschen peinlicher, noch ein bisschen anstrengender.

Am nächsten Tag bist du zu erschöpft für alles. Du bleibst lange im Bett, scrollst durch dein Handy – immerhin hast du es doch noch geschafft, es ans Ladekabel anzuschließen – zwischendurch stehst du ratlos vor dem Kühlschrank, aber alles führt schon beim Gedanken daran, es zu essen, zu Magenschmerzen. Zwischendurch denkst du wieder über deine „Performance“ vom Vortag nach. Du fühlst dich furchtbar.

Auch am übernächsten Tag fühlst du dich nicht gut. Immerhin hast du heute Zähne geputzt und vielleicht wirst du es ja später sogar unter die Dusche schaffen. Du willst mit niemandem reden, niemanden sehen. Vielleicht ja morgen…

Kennst du etwas davon? Vielleicht sogar vieles? Oder alles? Geht es dir hin und wieder auch so? Oder ist quasi jeder deiner Tage ein Teil davon?

So wie „dir“ bei dieser Geburtstageinladung, geht es mir konstant. Ich denke ständig darüber nach, wie ich mich in einer Situation zu verhalten habe, stolpere über mein Nicht-Wissen über gesellschaftliche Gepflogenheiten und die Unsicherheiten, die selbst dann noch da sind, wenn ich Informationen darüber recherchiere. Manchmal helfen mir Hinweise und Informationen – manchmal sorgen sie aber auch dafür, dass ich mir noch mehr Gedanken und Sorgen mache. Ich betrachte alles von mehreren Seiten. Immer. Und manchmal vergesse ich dann doch eine Seite und ärgere mich ganz furchtbar darüber, dass ich nicht ALLES bedacht habe. Ich bin außerhalb von wirklich vertrauten, für mich sicheren Situationen konstant angespannt, nervös, hoch konzentriert und reagiere körperlich darauf. Nicht vertraute Menschen, Orte und Situationen sind für mich Ausnahmesituationen – immer – und ich brauche tagelang Erholung danach. Und am Ende wird analysiert, wiederholt, hinterfragt, dazu gelernt, denn ein Teil von mir will immer, immer nur eines: Einfach dazugehören können.

Ein Hinweis zum Schluss: Das ist meine Beschreibung, meines Erlebens. Für andere neurodivergente Menschen kann das ganz, ganz anders sein, denn wir haben sehr unterschiedliche Profile, unterschiedliche Stärken und Schwierigkeiten, unterschiedliche Erfahrungen und Strategien. Und es ist natürlich keine reale Geschichte – obwohl ich über den Geburtstag-Brotlaib mal nachdenken muss /hj (Tonidikator: half-joking) -, sondern nur der Versuch, verschiedene Erlebensebenen greifbar zu machen. Und mein Humor 😀

Let’s talk about: Faulheit

Let’s talk about: Faulheit

13. August 2022 Claudia Unkelbach Comments 0 Comment

Wenn ich mich in der Wohnung umsehe, sehe ich Dinge, die herumstehen. Den Drucker, den wir einlagern wollen, den wir dafür aber erst mal ordentlich in den Karton bekommen müssen und der so schwer ist, dass mir die Kraft dafür fehlt und dafür, danach auch nur dabei zu helfen, ihn ins Auto zu bekommen.

Den neuen Abfluss fürs Badezimmer-Waschbecken, den ich nicht montieren konnte, weil Werkzeug fehlte und der seit Monaten als Erinnerung daran, dass ich das noch tun muss, herumliegt.

Den Rest Tiefengrund, der vom Badezimmer übrigblieb, weil ich ihn fürs Schlafzimmer brauche, das ich aber noch nicht angefangen habe, weil meine Ideen zu teuer sind und ich ja auch ständig anderes zu tun finde.

Den Wäscheständer, den ich mal wieder seit Tagen ignoriert habe, dann zwar abgeräumt habe, aber der gleich wieder gefüllt werden wird.

Zwei Töpfe von gestern, als ich köstliche Spaghetti mit Karotten und Zucchini gekocht habe, aber nach dem Essen zu erschöpft zum Spülen war.

Ich schaue mich um und ich sehe Dinge, die herumstehen und ich sehe: „Da ist aber jemand faul!“

„Jemand“ bin natürlich ich, denn ich bin ja hier die „Hausfrau“, diejenigen, die nicht lohnarbeitet, die doch den ganzen Tag Zeit hat, die Dinge, die hier herumstehen, nicht herumstehen zu lassen, sondern wegzuräumen, aufzuräumen, sauber zu machen.

Diejenige, die das nicht macht. Diejenige, die faul ist.

Ich bin aber auch diejenige, die heute Morgen trotz richtig schlechter Nacht, einfach mal zwei Stunden lang das Schlafzimmer aufgeräumt hat, inklusive Schränke und Schubladen sortieren und ausmisten.

Ich bin auch diejenige, die gestern Abend gekocht hat, obwohl ich Schmerzen hatte, obwohl ich danach schon beim Essen total erledigt war und den Rest des Abends nur noch auf der Couch verbringen konnte.

Und ich bin diejenige, die sich fünf Wochen lang einfach so um einen anderen Haushalt und einen Garten kümmert.

Mein Leben lang habe ich gelernt, dass ich faul bin.
Weil ich mich nicht „genügend“ anstrenge. Weil es um mich herum nicht „ausreichend“ ordentlich ist. Weil ich dieses oder jenes nicht mache, von dem die Person, mit der ich gerade rede, aber überzeugt ist, dass es meine Priorität zu sein hätte. Oder weil ich es nicht so mache, wie sie es machen würde.

Oh, und natürlich weil ich dick bin und dicke Menschen halt sowieso faul sind. /s

Wenn du das immer und immer wieder gesagt bekommst, dann glaubst du es. Das ist wie mit Falschnachrichten und Lügen: Es geht überhaupt nicht um den Wahrheitsgehalt, sondern nur um die Wiederholung. Hörst du es nur oft genug, glaubst du es auch und wenn du es erstmal glaubst, findest du plötzlich auch „Beweise“ dafür.

Wenn du erstmal fest daran glaubst, faul zu sein, dann kannst du noch so viel tun, noch so umtriebig sein, noch so vieles bewegen du wirst trotzdem die Töpfe vom Vorabend sehen, den Wäscheständer, den Tiefengrund, den Drucker.

Du wirst sie sehen und du wirst dir sagen, dass du faul bist. Schon wieder!

Vielleicht wirst du dich für einen von Grund auf schlechten Menschen halten, weil du auch das wieder und immer wieder zu hören bekommen hast, bis du es geglaubt hast. Du wirst dich schämen, dich hassen, akzeptieren, dass andere Menschen dich schlecht behandeln, weil ist es nicht das, was du verdient hat, du faules Ding?

Dabei bist du gar nicht faul.

Du tust, was dir möglich ist.

Dein Leben besteht nicht nur aus Aufräumen und Sauberhalten und ordentlich sein, aus Sport treiben und alles im Griff haben.

Nur, weil jemand anderes, andere Prioritäten in seinem Leben setzt und vielleicht lieber eine blitzblanke Wohnung hat, anstatt auf der Couch zu liegen, durch Instagram zu scrollen und zur Ruhe zu kommen, bist du nicht faul.

Vielleicht machst du dafür etwas anderes – vielleicht aber auch nicht. Vielleicht brauchst du mehr Pausen. Vielleicht willst du einfach mehr Pausen.

Du bist deswegen nicht faul.
Du hast einfach nur andere Prioritäten.

Genauso wie ich, wenn die Töpfe stehen bleiben, der Wäscheständer, der Tiefengrund oder der Drucker. Wenn sie wegzuräumen wichtig genug für mich ist, werde ich das schon machen und bis dahin hat halt etwas anderes Priorität. Vielleicht meine Schubladen vielleicht aber auch auf der Couch liegen. Beides ist gleich gut, gleich wichtig, gleich fleißig.

Weil es um mich geht und um das, was mir gut tut. Manchmal ist das Aufräumen. Manchmal halt nicht.

Faulheit existiert nicht.

Faulheit ist nichts als das schlechte Gewissen, das wir uns als Gesellschaft selbst schaffen. Nichts als ein weiterer dieser sinnlosen Maßstäbe, die dazu dienen, uns voneinander abzugrenzen: Die „Guten“ und die „Faulen“… Da will man doch unbedingt bei den „Guten“ sein, nicht wahr?

Weißt du was? Komm‘ lieber zu den „Faulen“! Wir sind nämlich gar nicht faul, wir haben nur unsere eigenen Prioritäten.

Urlaub zuhause?

Urlaub zuhause?

9. August 2022 Claudia Unkelbach Comments 0 Comment

Ich habe im letzten Teil der neurodivergenten Urlaubstipps angesprochen, dass ein Urlaub zuhause vielleicht die bessere Entscheidung sein kann – oder auch gar nicht anders möglich ist. Jetzt ist Urlaub ohne wegfahren aber immer mit einer gewissen Enttäuschung und Unzufriedenheit verbunden, denn irgendwie verbinden wir Urlaub mit Wegfahren und sich zu Hause erholen, dort, wo ohnedies schon viel zu viel Stress herrscht – wie soll das gehen?

Deswegen jetzt meine Ideen für Urlaub zuhause!

Was macht Urlaub zu Urlaub?

Für mich heißt Urlaub erstmal „frei haben“ und ja, das klingt vielleicht ein bisschen merkwürdig von einer Person, die keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Wovon sollte ich frei haben? Vom Nichtstun?

Die Sache ist aber die: Ich tue ja überhaupt nicht nichts!

Ich organisiere mein und unser Leben, arbeite quasi konstant an meiner psychischen Gesundheit, manage meine Schmerzen, kümmere mich um den Haushalt und schreibe solche Texte. Frei haben heißt für mich daher: Ich lasse die Dinge, die ich ruhen lassen kann, ruhen.

Natürlich hören meine Schmerzen nicht einfach so auf, nur weil ich jetzt Urlaub habe, und auch meine Psyche hält sich nicht unbedingt an Urlaubszeiten, sondern wird auch im Urlaub getriggert und dann muss ich mich darum kümmern – hilft ja nichts. Und auch der Alltag ist ja nicht einfach weg – noch weniger, wenn ich nicht wegfahre, sondern zuhause bleibe.

Es läuft also auf eine Minimal-Lösung hinaus: So wenig wie möglich, so viel wie nötig.

Bei mir heißt das, ich kümmere mich für meine festgelegte Urlaubszeit nicht um E-Mails, Briefe, Telefonate, organisiere keine Termine und lege den Urlaub – oder die Termine – so, dass ich keine Termine IM Urlaub habe.

Frage dich also: Wo kannst du deinen Alltag in eine Art Urlaubsmodus versetzen? Was kannst du vielleicht für eine Weile ignorieren? Worum musst du dich nicht ständig oder sofort kümmern und kannst es auf später verschieben? Der Alltag geht natürlich nicht weg, aber vielleicht kannst du ihn dennoch auf „später“ verschieben.

Dir würde das im Nachhinein mehr Stress bereiten? Dann finde deine persönliche Variante davon!

Stressfaktoren herausfinden und reduzieren

Was stresst dich in deinem Alltag? Ja, ich weiß, das stressigste sind die Dinge, die nicht von dir beeinflussbar sind und die wirst du natürlich auch im Urlaub nur bedingt los, aber ich denke, wir alle haben auch Stressfaktoren, die wir selbst beeinflussen können.

Das sind die Dinge, die oft mit unserer eigenen Einstellung zusammenhängen. Vielleicht denkst du, dass es wichtig wäre, eine ordentliche Wohnung zu haben, aber in Wirklichkeit stresst dich das Aufräumen viel mehr, als dir die aufgeräumte Wohnung zurückgibt. Vielleicht kochst du zwar total gerne, aber es täglich tun zu müssen, bedeutet für dich Stress. Vielleicht steigst du täglich auf die Waage und wenn sie sich in die falsche Richtung bewegt, ist dein Tag schon gelaufen.

Was ich sagen möchte: Finde die Kleinigkeiten heraus, die dafür sorgen, dass du dich gestresst oder schlecht gelaunt fühlst und schmeiße sie (mindestens) für den Urlaub aus deinem Leben – es ist total okay, die Wohnung nicht aufzuräumen, zu snacken statt täglich zu kochen oder die Waage einfach mal zu ignorieren.

Entspannungsfaktoren suchen und verstärken

Hier geht es jetzt genau in die andere Richtung: Was tut dir gut? Was erholt dich? Was beruhigt dich? Wann fühlst du dich wohl?

Ich weiß, das sind oft Dinge, die wieder andere Sachen voraussetzen und auf umso mehr Arten wir eingeschränkt sind – finanziell, körperlich, sensorisch… -, umso mehr Möglichkeiten fallen natürlich weg. Ich möchte dich aber dazu anregen, nach den Dingen zu suchen, die dir trotz deiner Einschränkungen möglich sind, denn die gibt es, selbst wenn sie manchmal nur ganz klein und unscheinbar wirken.

Wenn du erstmal weißt, was dir guttut, dann nutze deinen Urlaub dafür, umso viel davon zu machen wie möglich – und das so oft wie es nur geht.

Ein zusätzlicher Tipp: Halte dich nicht an den Dingen fest, die dir früher möglich waren, es jetzt aber nicht mehr sind. Ich weiß, das ist unheimlich bitter und frustrierend und du musst darüber trauern. Du möchtest dir aber gerade etwas Gutes tun und deswegen: Schiebe das zumindest für jetzt beiseite!

Mach‘ es dir schön

Bist du gerne bei dir zuhause? Fühlst du dich dort wohl? Oder ist es eher so, dass du selbst bei dir zuhause nie ganz zur Ruhe kommst?

Dein Zuhause sollte der Ort sein, wo du wirklich gerne bist, wo du entspannen kannst und möglichst keinen Stress hast – nicht nur, wenn du den Urlaub dort verbringst, sondern immer. Es ist dein Rückzugsort.

Deswegen frage dich, ob und was dir fehlt, um zuhause wirklich zuhause zu sein. Vieles lässt sich nicht beeinflussen – die ewig lauten Nachbar*innen wirst du nicht loswerden und wenn du seit Wochen eine Baustelle vor der Tür hast, wird sie auch nicht einfach so verschwinden, weil dir das guttun würde.

Anderes aber kannst du verändern: Du fühlst dich in deinem Bett nicht wirklich sicher? Vielleicht hilft es dir, es an einen anderen Platz zu schieben? Du würdest gerne einem neuen Hobby nachgehen, aber dir fehlt der Platz? Vielleicht kannst du etwas umräumen oder ausmisten und dir so den Platz schaffen?

Oft reichen Kleinigkeiten aus, um etwas zu ermöglichen oder besser zu machen – du musst sie nur finden.

Schließe Frieden mit deiner Entscheidung

Ich weiß, es ist hart, wenn du gerne in den Urlaub fahren würdest – und das vielleicht auch alle um dich herum machen -, du es aber nicht kannst. Es ist vielleicht nicht wirklich (d)eine Entscheidung oder du triffst sie nur aus Vernunftgründen, leidest aber dennoch darunter.

Schließe Frieden damit.

Das klingt so banal, ist es aber überhaupt nicht. Sich mit ungewollten Entscheidungen zu arrangieren ist hart. Da steckt viel Trauer darin, viel Wut, viel Hilflosigkeit. Nichts ist so schwer auszuhalten, wie nichts tun zu können!

Das Problem ist nur: Du stresst dich damit! An der Situation ändert sich nichts, aber umso mehr du sie verabscheust, dich darüber ärgerst und darunter leidest, umso mehr stresst sie dich.

Ich sage nicht, dass in jeder Situation etwas Positives ist und du es nur finden musst; dem ist nicht so. Was du aber tun kannst, ist, für dich einen – vielleicht ja auch nur vorübergehenden – Frieden damit schließen. Ärgere dich nach deinem Urlaub wieder darüber, wenn du das möchtest, aber IM Urlaub, willst du dir Gutes tun und dich zu ärgern tut dir nicht gut.

Mach‘ es dir leicht

Weißt du, was einer der Hauptgründe ist, warum wir Wegfahren als Urlaub empfinden? Dass wir uns an weniger Regeln halten, die Dinge lockerer sehen, über die Stränge schlagen, uns etwas gönnen, nicht so sehr darüber nachdenken, ob wir das 2. oder 3. oder 4. Eis wirklich noch essen sollten, sondern es einfach tun.

Deswegen: Sei großzügig zu dir selbst und mache es dir leicht.

Du hast keinen Bock zu duschen, dabei ist das letzte Mal schon zwei, drei Tage her? Solange sich deine Mitbewohner*innen nicht beschweren oder du dich selbst damit unwohl fühlst: Dann duschst du halt morgen! Du möchtest Kuchen zum Frühstück? Ja, dann iss ihn doch! Du willst den ganzen Tag nackt auf der Couch liegen und deine Lieblingsserie gucken? Nur zu!

Solange du damit anderen nicht schadest: Lebe zumindest im Urlaub so, wie du es willst. Du wirst schon nicht verlottern, nur weil du mal ein paar Tage die Dinge locker nimmst und dich nicht an gesellschaftliche Normen und Regeln hältst, nicht fleißig bist und nicht an dir arbeitest.

Die Sache mit der Sehnsucht

Vollkommen egal, wie sehr du mit deiner Entscheidung Frieden geschlossen hast, wie wohl du dich bei dir Zuhause fühlst und was für erholsame Dinge du tust: Du wirst dennoch immer wieder Sehnsucht nach etwas anderem, nach dem, was nicht geht, haben.

Ich habe immer wieder Phasen, wo ich tagelang Reisen plane, weil ich mich so danach sehne – Reisen, die ich aber nie machen werden könne. Ich sage es ganz ehrlich: Das sind nicht meine besten Phasen und es fühlt sich überhaupt nicht gut an – aber sag das mal der Sehnsucht.

Es ist okay, Sehnsucht nach etwas anderem zu haben – auch und gerade, wenn es nicht für dich erreichbar ist und vielleicht auch nie sein wird. Verliere dich nur nicht in dieser Sehnsucht und versinke nicht in deiner eigenen Hilflosigkeit gegenüber der Situation.

Achtsamkeit und der Gedanken-Stopp

Wenn du merkst, dass deine Sehnsucht nach etwas unerreichbarem immer größer wird, gewöhne dir an, sie bewusst zu stoppen. Setze dir selbst ein klares, inneres Stopp-Zeichen. Das kann zum Beispiel so aussehen, dass du dir in Gedanken selbst sagst: „Stopp jetzt! Ja, das wäre alles total schön und ich denke auch gerne darüber nach, aber JETZT will ich mein Leben weiterleben!“ Und dann tust du das auch! Beschäftige dich mit etwas, denk‘ über etwas ganz anders nach, lass‘ die Gedanken nicht wieder rein.

Ich weiß, ich weiß, das klingt schräg! Es funktioniert aber! Wahrscheinlich nicht beim ersten Mal und auch nicht beim zweiten, aber nach einer Weile wird dir auffallen, dass es tatsächlich wirkt. Es ist eine Methode aus dem Achtsamkeitstraining und nennt sich „Gedanken-Stopp“ und ich setze sie mittlerweile sehr vielfältig ein – zum Beispiel auch um abends einschlafen zu können.

Das Bild von Urlaub verändern

Zuhause Urlaub zu machen ist oft keine wirklich freie Entscheidung. Sie ist den Umständen geschuldet, den eigenen eingeschränkten Möglichkeiten und Behinderungen. Zuhause Urlaub zu machen ist nicht das, was wir uns unter Urlaub wirklich vorstellen.

Ich will dich aber einladen, dein Bild von Urlaub zu verändern. Urlaub sollte deiner Erholung und Entspannung dienen. Erholung und Entspannung findest du aber auch außerhalb dessen, was uns als Urlaub verkauft wird!

Definiere Urlaub für dich neu! Finde die Dinge, die dir gut tun und dir (problemlos) möglich sind. Finde heraus, was dir Stress bereitet und von dir beeinflussbar ist und dann reduziere es, soweit du kannst. Halte dich nicht mit dem auf, was du nicht beeinflussen und verändern kannst, sondern suche nach dem, worauf du Einfluss hast!

Ich weiß, dass das alles nicht einfach ist und das eingeschränkte Möglichkeiten – egal aus welchem Grund – immer auch mit Schmerz, Trauer und Leid verbunden sind. Lass‘ dich davon aber bitte nicht abhalten, auch glücklich zu sein – auch wenn du andere Wege dafür brauchst.

Neurodivergenz und das Bedürfnis nach Zeit für sich

Neurodivergenz und das Bedürfnis nach Zeit für sich

30. Juni 2022 Claudia Unkelbach Comments 0 Comment

Wisst ihr noch, als ich gesagt habe, ich würde verstehen, dass sich so viele Menschen für „ein bisschen autistisch“ halten würden? Oder, dass sie der Meinung wären, ADHS-Merkmale wären „normal“? Ich verstehe es immer noch, denn vieles von dem, wovon neurodivergente Menschen erzählen, gleicht dem, was andere Menschen auch mal erleben. Es ist nur weit davon entfernt, unserer Lebensrealität zu entsprechen, denn die Intensität, die Häufigkeit und die Einschränkungen, die damit einhergehen, sind ganz, ganz anders.

Ich dachte daher, ich erzähle davon, wie mein Bedürfnis nach Ruhe und Alleinsein aussieht, denn das gehört auch zu diesen Dingen, die ja jede*r kennt… oder vielleicht doch nicht?

In vorpandemischen Zeiten war es so, dass mein Mann morgens das Haus verließ, bevor ich aufstand. Er kam nachmittags zwischen 16 und 17 Uhr zurück und wir hatten dann etwa sechs gemeinsame Stunden, bevor wir schlafen gingen. Am Wochenende verbrachten wir mehr Zeit zusammen, aber im Großen und Ganzen kann man sagen, ich hatte jede Woche etwa 50 bis 60 wache Stunden für mich alleine – und ich brauchte sie nicht nur, sie waren mir auch oft nicht genug.

Durch die Pandemie hat sich viel verändert, der Ehemann hat vermehrt Homeoffice gemacht und ich fand es sehr, sehr schwierig, mich daran zu gewöhnen. Von einem Moment auf den anderen hatte ich gar keine Zeit mehr für mich! Wir waren ständig zusammen und Rückzug bedeutete auf einmal mich hinter meinem Laptop und meinen Noise-Cancelling-Kopfhörern zu verstecken, aber keine echte Ruhe, kein echtes Alleinsein mehr zu haben.

Ich habe mich damit arrangiert, habe mich abgelenkt, habe versucht, damit klarzukommen und dann kam der Moment, als er zurück ins Büro sollte. So wie mich davor der Wechsel von „viel Zeit alleine“ zu „gar keine Zeit alleine“ beeinträchtigt hatte, so ging es mir auch jetzt wieder mit dem Gegenteil. Ich hatte Angst alleine. Ich fühlte mich nicht wohl. Ich lag stundenlang wie erstarrt auf der Couch oder futterte mich durch den Kühlschrank auf der Suche nach emotionaler Regulation. Es war furchtbar.

Wir suchten Lösungen wie ein gemeinsames Mittagessen, damit ich nicht ganz alleine war, und mit der Zeit wurde es besser. Ich fing langsam wieder an, die Zeit alleine zu genießen, sie tatsächlich für mich zu nutzen, anstatt in einen tagtäglichen Wartemodus zu verfallen, wo ich nur darauf wartete, dass er wiederkam.

Und langsam begann auch der konstante Stress nachzulassen, die konstante Überreizung durch die so lange ständige Anwesenheit einer anderen Person bei gleichzeitig fehlender Erholungszeit wurde weniger und ich merkte, dass ich mich endlich wieder ruhiger fühlte.

Momentan habe ich drei Wochentage, wo ich alleine zuhause bin, an einem davon essen wir noch gemeinsam zu Mittag, an den übrigen vier Tagen ist der Mann die ganze Zeit anwesend. Das funktioniert meistens sehr gut, ich merke aber auch: In stressigen Zeiten reicht mir diese Menge an Alleinzeit nicht aus.

Die letzten fünf Wochen habe ich viel, viel Energie in Projekte für andere Menschen gesteckt. Ich mochte das und dennoch hat es mich gleichzeitig sehr, sehr angestrengt. Dazu kamen ein emotional sehr schwieriges Wochenende und das letzte Drittel meines Zyklus und Anfang dieser Woche war ich zu nichts mehr fähig. Totale Überlastung.

Ich konnte keine Gespräche mehr führen, erinnere mich an große Teile der Zeit überhaupt nicht mehr, weiß nicht einmal mehr so recht, was wir gegessen haben. Ich konnte nicht mehr nachdenken, nicht mehr schreiben, nicht mal mehr Ideen haben. Alles war weg und ich unendlich erschöpft.

Ich habe dann den Home-Office-Tag des Mannes mit Noise-Cancelling-Kopfhörern und einer Serie verbracht, habe auch an den anderen Tagen viel, viel Zeit mit nichts als Serie gucken und essen verbracht und dazwischen geputzt und aufgeräumt, weil mir das Gefühl von Ordnung und Kontrolle gut getan hat. Am ersten Tag alleine habe ich ein bisschen herumgemalt, Konzentration war noch schwierig und ich habe immer nur ein Blümchen oder ein Steinchen ausgemalt. Abends habe ich mich hinter meine Serie verkrochen, wollte meine Ruhe haben und es ging mir definitiv nicht gut. Am zweiten Tag allein habe ich den Ehemann darum gebeten, das gemeinsame Frühstück ausfallen zu lassen, damit ich mehr Zeit für mich hatte und am Nachmittag ging es mir immerhin so gut, dass ich meinen Bandwebstuhl bespannen konnte – Serienzeit für mich alleine brauchte ich dennoch. Heute ist Tag 3, an dem ich Zeit nur für mich habe, die Serie ist zu Ende geguckt, ich kann meine Gedanken wieder in Worte fassen und ich hoffe, ich schaffe es heute, etwas zu kochen.

Morgen ist Home-Office-Tag und so sehr ich mich darauf freue, dass der Ehemann anwesend ist – denn ich verbringe wirklich gerne Zeit mit ihm -, so sehr weiß ich auch jetzt schon, dass mir noch ein, zwei oder noch mehr Tage nur für mich sehr gut tun würden.

Ich BRAUCHE diese Zeit nur für mich. Ich brauche Zeit, in der nichts außer mir und meinen Gedanken anwesend ist, in der ich mich auf mich konzentrieren kann, die ich ohne Druck oder Notwendigkeiten steuern und gestalten kann. Ich tue viele Dinge für uns in dieser Zeit – ich kümmere mich um den Haushalt, schmiede Pläne, organisiere Sachen… was man halt normalerweise so nach Feierabend noch erledigen muss. Das kann ich aber wiederum nur, weil diese Tätigkeiten eingebettet sind in Ruhephasen und in Zeiten, in denen mein Kopf nicht mit der Anwesenheit einer anderen Person beschäftigt ist.

(Es gibt eine Szene in der BBC-Serie Sherlock, wo Sherlock einen Polizisten aus dem Raum schickt, weil seine Anwesenheit ihn beim Denken stört. Ich finde diese Szene sehr, sehr nachvollziehbar!)

Mit einem „normalen“ Leben sind 50-60 Stunden Alleinsein pro Woche nicht zu vereinbaren. Also zumindest, wenn man in der Zeit auch Wachsein möchte, denn da kommen ja noch mal 50-60 Stunden Schlaf dazu. Bei 168 Stunden pro Woche heißt das, dass ich selbst eine mir sehr, sehr nahestehende Person im Wachzustand gerade mal rund 40 Stunden ertrage… besser weniger. Und bei weniger nahestehenden Personen sind noch mal deutlich weniger Stunden erträglich.

Mein Leben – unser Leben – ist so weit wie möglich auf meine Bedürfnisse abgestimmt. (Disclaimer: Auch auf die des Ehemanns!) Wir haben das große Glück – das Privileg! -, dass das möglich ist – nicht ohne Einschränkungen, aber trotzdem möglich! Trotzdem komme ich regelmäßig an meine Grenzen, liege metaphorisch am Boden, weil ich nicht mehr kann und bin überfordert, überlastet, überreizt, am Ende meiner Kräfte, verliere Tage, weil nichts mehr geht – weil so das Leben mit meinen psychischen und physischen Einschränkungen nun mal ist. Weil so das Leben mit Behinderungen ist.

Und dennoch, ich wiederhole es: Ich habe Glück!

So, so viele Menschen haben dieses Glück nicht! Sie MÜSSEN irgendwie funktionieren, auch wenn sie schon am Boden liegen, wenn sie sich seit Wochen, seit Monaten, ja seit Jahren nicht mehr komplett erholen konnten, weil ihre Bedürfnisse im Kapitalismus nicht vorgesehen sind. Weil uns weißgemacht wird, dass, wer nichts „leistet“ auch nichts wert ist. Weil wir darauf gedrillt werden, davon auszugehen, dass alle anderen faul sind, sich auf Kosten anderer bereichern wollen würden oder nur einfach härter arbeiten müssten, damit es ihnen besser ginge.

Aber so ist es nicht.

Diejenigen, die sich auf Kosten anderer bereichern, sind nicht diejenigen, die arm sind, nicht diejenigen, die krank sind, nicht diejenigen, die als nicht fleißig und leistungsfähig genug gelten. Diejenigen, die sich auf Kosten anderer bereichern sind diejenigen, die unsere Vorbilder sind: Die Reichen, die Mächtigen, die Bewundernswerten.

Vielleicht ist es an der Zeit, die Vorbilder zu wechseln.

Liebe Gesellschaft: Du bist dran!

Liebe Gesellschaft: Du bist dran!

19. Juni 2022 Claudia Unkelbach Comments 0 Comment

Wie lebt man mit dem Wissen, dass das eigene Leben nie normal sein wird?

Mein Leben lang wollte ich nichts mehr als „nicht ich“ sein, sondern einfach so wie alle anderen. Ich wollte dazugehören, mich richtig verhalten, ein Teil der Gesellschaft sein, ja, auch „meinen Beitrag leisten“, damit diese Gesellschaft funktioniert. Ich habe mich angestrengt, weit über meine eigenen Möglichkeiten hinaus, habe mich immer noch mehr bemüht und mich dafür gehasst, dass ich es trotz allem Bemühen nicht geschafft habe.

Dann verstand ich endlich, dass es nicht an persönlichem Versagen, sondern an persönlichen Gegebenheiten liegt und eine Weile fand ich das tröstlich. Aber das ist es gar nicht.

Wenn es persönliches Versagen wäre, dann könnte ich mich einfach mehr anstrengen, noch mehr und immer mehr. ICH hätte es in der Hand, könnte eine Änderung bewirken und ein Scheitern liegt dann zwar auch an mir, aber wenn ich mich vielleicht noch ein bisschen mehr anstrengen würde, dann könnte ich es doch schaffen!

Wenn es in den Gegebenheiten liegt… was soll ich tun? Ich kann mich natürlich dennoch mehr anstrengen, aber so wenig, wie ich je lernen werde zu fliegen, so wenig werde ich es auch schaffen, mir durch genügend Anstrengung ein „normales“ Leben zu ermöglichen.

Ich bin traurig, dass es so ist und gleichzeitig bin ich wütend. Wütend, weil ich es einfach nicht ändern kann, weil mir der Handlungsspielraum genommen wurde, weil ich das kleine bisschen Kontrolle, von dem ich dachte, dass ich es besäße, einfach so geklaut wurde! Ich habe keine Kontrolle über meinen Platz in dieser Gesellschaft. Ich habe keine Kontrolle darüber, wie erfolgreich ich sein kann, wie schön, wie reich. Ich kann nichts kontrollieren!

Und doch sind wir es so gewohnt, dass alles eine persönliche Leistung – oder eben persönliches Versagen – ist, dass wir gar nicht mit dem Gedanken umgehen können, in Wirklichkeit überhaupt keine Kontrolle darüber zu haben.

Wo wir im Leben stehen, ist nichts als Glück.

Du hast dir dein Leben durch harte Arbeit verdient? Das ist toll! Nur ist dir schon mal der Gedanke gekommen, dass es Glück ist, dass du überhaupt so hart arbeiten kannst? Dass es vielleicht nur glückliche Umstände sind, die deine harte Arbeit erfolgreich sein lassen? Dass du vielleicht das Glück hattest, von den richtigen Personen wahrgenommen zu werden oder im richtigen Moment die richtige Idee hattest?

Ich will damit nicht sagen, dass deine harte Arbeit nichts wert ist!

Ich will nur sagen: Harte Arbeit ist nicht der einzige Faktor und deshalb ist es auch so, dass harte Arbeit auch zu überhaupt gar keinem Erfolg führen kann. Du könntest dich auch über Jahrzehnte hinweg jeden einzelnen Tag so sehr bemühen, dass du jeden Abend zu Tode erschöpft in dein Bett kippst, und trotzdem könnte es nur dafür reichen, dass du irgendwie klarkommst und es gerade noch so in dein Bett schaffst.

Harte Arbeit und der daran geknüpfte Erfolg sind nichts als eine schöne Geschichte, ein Märchen, ein Traum, der uns dazu bringen soll, genau das zu tun, was wir tun: Alles zu geben und uns trotzdem selbst die Schuld geben, wenn es nicht „reicht“.

Daran liegt auch, dass wir eigentlich nur jene Menschen sehen, die in irgendeiner Art und Weise erfolgreich sind. Wir leben für Erfolgsgeschichten und Scheitern darf nur vorübergehend sein und der Beginn einer motivierenden Geschichte, die wiederum zum Erfolg führt. Und genau das bekommen wir! Filme, Bücher, Social Media – wir sehen den Erfolg, den Wandel hin zu etwas Positivem, die Inspiration unser eigenes Leben „in die Hand zu nehmen“, weil: Wir können das doch alle!

Nein! Können wir nicht. Es gibt schlichtweg nichts, das wir einfach alle können. Natürlich können wir uns alle bemühen, wir können uns Ziele setzen und daran arbeiten, aber nicht für jede*n ist jedes Ziel gleich erreichbar.

Für mich ist das Ziel, in diese Welt, diese Gesellschaft mit all ihren Werten und Normen und Ansichten zu passen, einfach gar nicht erreichbar und ich will nicht mehr daran arbeiten. Ich will mich nicht mehr bemühen. Ich will nicht mehr meine Energie darauf verwenden als wenigstens etwas weniger seltsam durchzugehen! Ich will nicht länger auf Glück hoffen und diese Hoffnung hinter harter Arbeit verstecken.

Ich will einen Platz in dieser Welt, ohne ihn mir erkämpfen zu müssen und ich will, dass IHR ihn mir gebt. Mir und euch und allen anderen auf dieser Welt!

Es ist nicht mein Job, in diese Gesellschaft zu passen. Es ist die Aufgabe der Gesellschaft, für alle zu passen!

Liebe Gesellschaft: Du bist dran!

Selbstgespräches sind super
Selbstgespräche sind super

Selbstgespräche sind super

2. Juni 2022 Claudia Unkelbach Comments 0 Comment

Solange ich mich erinnern kann, führe ich Selbstgespräche. Sie laufen intern ab, niemand würde sie von außen bemerken, und sie sind ein nahezu konstanter Begleiter in meinem Leben. Ich habe dabei verschiedene Formen von Selbstgesprächen: Manche sind ein Dialog, bei dem ich mich mit mir selbst unterhalte, andere sind eher wie eine kommentierende oder erklärende Stimme und manche sind wie störende Zwischenrufer.

Ich empfinde meine innere Stimme die meiste Zeit als hilfreich. Sie hilft mir beim Strukturieren meiner Gedanken, sie bietet mir Trost und Ermutigung und sie erleichtert es, Ereignisse zu verarbeiten und zu memorieren.

Manchmal benutzen aber auch meine Angststörung, die Depression oder die posttraumatische Belastungsstörung die innere Stimme und dann ist sie gefährlich für mich, denn sie formuliert dann sehr viel Negatives, erzählt mir von allem, was schief gehen könnte und von allem, was schon mal schief gegangen ist, sie nimmt die Stimme meiner Traumaverursacher an und ahmt sie nach und erzählt mir, was für ein schlechter Mensch ich doch wäre, oder sie zerlegt eine Situation in lauter Einzelteile und analysiert sie endlos auf mögliche Fehler meinerseits.

Ich würde sagen, dass DAS nicht wirklich mein innerer Dialog ist. Es ist eine gekaperte, vergiftete Version davon und sie hat einen eigenen Namen: Intrusive (aufdringliche) Gedanken. Ich mag sie nicht.

Die anderen, die echten Selbstgespräche, die mag ich aber, empfinde sie als wichtigen und hilfreichen Teil von mir. Dennoch dachte ich mein Leben lang, dass meine inneren Dialoge seltsam wären und etwas, für das ich mich zu schämen hätte. Nie hätte ich jemandem davon erzählt – oder zumindest nicht so, dass ich es nicht als Witz hätte abtun können. Ich dachte, die Selbstgespräche kämen von meiner Neurodivergenz und wären nur ein weiterer Teil meiner „Seltsamkeit“ – und dann stellte sich heraus, dass dem gar nicht so ist. Oder vielleicht doch. Oder wieder auch nicht.

Zunächst: Die meisten Menschen führen Selbstgespräche UND Selbstgespräche sind etwas Gutes!

Wir beginnen im Kindesalter damit, mit uns selbst zu reden. Wir erzählen uns zum Beispiel Handlungsabläufe oder geben unseren Spielsachen Stimmen und lassen sie Situationen ausspielen. Irgendwann gehen diese gesprochenen Selbstgespräche („selbstbezogenes Sprechen“) in innere Selbstgespräche über und werden zu unserer inneren Stimme.

Sie helfen uns weiterhin dabei, Handlungen durchzuführen, Probleme zu lösen oder Situationen zu bewältigen. Der innere Monolog – oder der innere Dialog – motiviert uns, erinnert uns, verbalisiert unsere Empfindungen, bereitet uns auf Gespräche oder Situationen vor, analysiert und bewertet. Unsere innere Stimme hilft uns dabei, die Welt zu verstehen und ein Teil von ihr zu sein.

Wir können unsere Selbstgespräche bewusst initiieren und auch steuern und damit zum Beispiel gegen intrusive Gedanken vorgehen oder wir nutzen sie, um eine schwierige Aufgabe zu erleichtern oder uns auf eine Situation vorzubereiten. Daneben laufen Selbstgespräche aber auch ganz automatisch und unbewusst ab und uns fällt vielleicht gar nicht auf, dass wir gerade mit uns selbst reden.

Wie ist das jetzt mit der Neurodivergenz?

Wir haben schon gesehen: Selbstgespräche sind nicht auf neurodivergente Menschen beschränkt, sondern jeder Mensch hat einen mehr oder weniger stark ausgeprägten inneren Dialog. Die Wissenschaft geht davon aus, dass Selbstgespräche wichtig für die exekutiven Funktionen sind und untersucht daher die Wirkung und Funktionsweise von inneren Gesprächen bei Menschen mit exekutiven Dysfunktionen.

Diese Studie untersucht beispielweise speziell innere Sprache bei Autismus und bei Schizophrenie mit akustisch verbalen Halluzinationen, hat aber auch einen sehr interessanten Abschnitt über ADHS. Sie kommt dabei zu der Vermutung, dass bei Autismus der innere Dialog seltener genutzt wird (vor allem, wenn die sozio-kommunikativen Fähigkeiten eingeschränkt sind), während er bei ADHS unkontrollierter und damit tendenziell störender ist. Beides könnte nach Ansicht der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler negative Auswirkungen auf die exekutiven Funktionen haben.

Ich kann aufgrund meiner eigenen Erfahrungen gerade die ADHS-Sicht sehr gut nachvollziehen. Nachts nicht einschlafen können, weil die Gedanken noch durch den Kopf toben? Klingt doch sehr nach unkontrollierten inneren Mono- oder Dialogen! Und auch intrusive Gedanken (die ja auch bei ADHS häufig sind) sind wahrscheinlich eine Form davon.

Man kann also sagen:

  • Selbstgespräche – egal ob verbalisiert oder innerlich (innere Stimme, innerer Dialog, innerer Monolog, innerer Sprache, inneres Gespräch…) – sind sowohl für neurotypische als auch für neurodivergente Menschen üblich.
  • Selbstgespräche sind äußerst nützlich.
  • Selbstgespräche können bewusst eingesetzt werden.
  • Selbstgespräche können aber gerade in unkontrollierter Form auch hinderlich oder schädlich sein.
  • Unkontrollierte Selbstgespräche können die Form von negativen Selbstgesprächen oder intrusiven Gedanken annehmen. Es ist möglich, diese negativen Selbstgespräche bewusst zu kontern, indem man positive Selbstgespräche dagegen einsetzt.

Ich mag meine eigenen Selbstgespräche jetzt noch mehr und werde mich zukünftig sicher auch nicht mehr dafür schämen, denn was innere Dialoge alles können ist einfach sehr, sehr cool!

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