Skip to content
Unkelbach Art
  • Über mich
    • Über mich
    • Wunschliste
    • Unterstützen per Paypal
  • Ressourcen
    • Produktempfehlungen
    • Mandalas
    • Rezepte
    • Schmerzen
      • Schmerzskala
      • Schmerzen im Zyklusverlauf
  • Impressum
    • Impressum
    • Datenschutzerklärung
  • Search Icon

Unkelbach Art

My neurodivergent life is a piece of art

ADHS und Herausforderungen als Motivation

ADHS und Herausforderungen als Motivation

26. August 2022 Claudia Unkelbach Comments 0 Comment

Mein Fitnesstracker sagt: „8.607 von 1.000 Schritten – Tagesziel übertroffen!“ Er lobt mich auch dafür, dass ich seit 287 Tagen mein Schrittziel erreiche. Mein Schrittziel von 1.000 Schritten. Eintausend. Nicht die üblichen Zehntausend.

Ich liebe Herausforderungen und als ich das erste Mal einen Fitnesstracker hatte, war die Vorgabe von 10.000 Schritte für mich hoch motivierend. Ich wollte unbedingt diese 10.000 Schritte laufen, wollte mein Schrittziel erfüllen und das jeden Tag. Ich weiß noch, wie ich auf dem Parkplatz des Supermarktes auf und ab gelaufen bin, um nur ja auf meine 10.000 Schritte kommen – und noch mehr erinnere ich mich daran, wie gestresst ich war, wann immer ich nicht einmal in die Nähe dieser 10.000 Schritte kam.

Nach wenigen Tagen schon war die Menge der Schritte keine Motivation mehr für mich, sondern eine ewige Drohkulisse: „Wenn du es nicht schaffst, 10.000 Schritte zu machen, dann verlierst du deine Siegessträhne!“ Ich war gestresst, habe mit mir selbst verhandelt, wie schlimm es ist, diese Siegessträhne zu verlieren, mich dazu gezwungen, doch noch eine Runde zu drehen, obwohl ich überhaupt nicht wollte, nur, damit der Schrittzähler zufrieden war. Ging es mir nicht gut und konnte ich mich kaum bewegen, drehten sich meine Gedanken den ganzen Tag darum, wie sich das auf meinen Fitnesstracker auswirken würde und ich war noch verzweifelter als sowieso schon.

Nach einer Weile habe ich schließlich die Schrittanzahl reduziert, zwischendurch sogar bis auf 500, bis ich sie dann irgendwann auf 1.000 gestellt habe. 1.000 Schritte, das schaffe ich jeden Tag, meistens sogar noch am Vormittag und auch an den Tagen, an denen es mir nicht gut geht und an denen ich mich eigentlich nur vom Bett auf die Couch und von der Couch ins Badezimmer und zurück schleppe. 1.000 Schritte, das ist einfach und… es ist keine Herausforderung.

Für die meisten Menschen ist das absurd, denn genau diese Herausforderung ist ja das, weswegen man überhaupt einen Schrittzähler verwendet. Es ist das, was einen dazu motiviert, mehr Schritte zu machen. Dass man abends erschrocken feststellt, dass das Schrittziel ja noch gar nicht erreicht ist und dann noch rasch ein paar Schritte macht, damit der Schrittzähler zufrieden ist – und man selbst auch, denn man hat sein Tagesziel erfüllt -, das ist durchaus so beabsichtigt.

Natürlich ist das großartig. Die 10.000 Schritte sind voll, man hat sich bewegt und das Ziel erreicht, nur… ist das wirklich die Form von Motivation, die gut für uns ist?

Ein hoch gestecktes Ziel, das schwierig zu erreichen ist, ist keine positive Motivation, sondern verursacht in erster Linie Druck und Stress, oft auch noch kombiniert mit Versagensangst.

Fitnesstracker sind dafür ausgelegt, dieses Versagen zu dokumentieren, dir mitzuteilen, dass du am Sonntag aber nicht besonders fleißig warst oder am Mittwoch dein Schrittziel nicht erreicht hast. Du warst nicht gut genug – und sogar deine Elektronik weiß es und teilt dir das mit. Das soll dich dazu motivieren, dich mehr zu bemühen. Vielleicht wirst du dadurch sonntags eine Extrarunde drehen, um damit den Schrittzähler davon zu überzeugen, dass du doch fleißig bist – und vielleicht überzeugst du ja auch dich, dass du sehr wohl gut genug, fleißig genug, fit genug bist, wenn es sogar dein Fitnessarmband sagt.

Vielleicht geht dir das alles aber auch so auf die Nerven, dass du den Schrittzähler immer seltener tragen und ihn schließlich in einer Schublade „vergessen“ wirst, weil du dich einfach nicht länger von einem Gegenstand stressen lassen möchtest und du bist damit nicht allein: Statistisch gesehen lässt die Anfangsmotivation schon nach etwa fünf Wochen nach und nach drei bis sechs Monaten haben die meisten endgültig genug vom Fitnesstracker und er landet – genau – in der Schublade.

Ich glaube, das ist bei vielen Dingen so, die man nutzt, um sich zu verbessern. Am Anfang ist man hochmotiviert, will am liebsten die Anforderungen einer ganzen Woche an nur einem Tag erledigen, brennt geradezu danach, etwas zu tun, vielleicht eine Belohnung in Form eines Badges oder eines Lobs der App zu bekommen oder auch nur sich selbst auf die Schulter klopfen zu können und zu sagen: „Gut gemacht! Du hast dein Ziel erreicht! Du warst fleißig!“

Nach einer Weile stellt man jedoch fest, dass diese ganzen schönen Anforderungen doch zu viel sind. Sie passen irgendwie nicht in den Alltag, überfordern uns, bringen uns dazu, unsere Grenzen und unsere Leistungsfähigkeit zu ignorieren. Dir geht es heute nicht gut? Tja, Pech. Du musst deine 10.000 Schritte vollbekommen!

Vielleicht zwingst du dich dann dazu, hast keinen Spaß dabei, aber – puh – wenigstens hast du dein Ziel erreicht, warst willensstark und diszipliniert! Wie toll! Oder?

Vielleicht stellst du aber auch fest, dass dieses „sich selbst zwingen“ für dich nicht funktioniert und genau das Gegenteil bewirkt und verlierst mehr und mehr die Lust daran, auch nur zu versuchen, dieses Ziel weiterhin zu erreichen.

Dann bemüht man sich noch eine Weile, sie dennoch zu erfüllen – schließlich hat man ja einen Grund dafür -, bis man es entweder immer häufiger nicht schafft und deswegen frustriert ist und sich Selbstvorwürfe macht oder es gelingt einem, einen klaren Schlussstrich zu ziehen und bewusst damit aufzuhören.

Mir ging das mit den 10.000 Schritten genauso. Am Anfang wäre ich am liebsten 15.000 gelaufen oder noch mehr. Ich liebte die Schrittanzeige, liebte es, mich selbst immer wieder zu übertreffen und mir zu beweisen, dass ich mehr und immer noch mehr leisten konnte.

Dann wurde es immer schwieriger, die 10.000 wirklich jeden Tag zu schaffen. Ich drehte die oben erwähnten Parkplatz-Runden – nicht aus Freude an der Bewegung oder wegen der tollen Kulisse, sondern nur aus dem Grund, dass ich wie besessen davon war, dieses Schrittziel zu erreichen.

Dann folgte der erste Tag, an dem es nicht klappte und ich war verzweifelt, schämte mich und ärgerte mich über mich. Ich nahm mir fest vor, dass es eine Ausnahme zu bleiben hatte, dass ich am nächsten Tag wieder 10.000 Schritte gehen würde – oder noch mehr, denn ich hatte die besten Absichten! Trotzdem funktionierte es bald schon wieder nicht und ich ärgerte mich noch mehr und schließlich wollte ich die Smartwatch – diese Zeugin meines Versagens – gar nicht mehr so recht tragen. Trug ich sie doch, machte ich mir automatisch Stress.

Geholfen hat mir schließlich die Reduktion der Schritte.

Im Durchschnitt komme ich auf etwa 6.000 bis 7.000 Schritte pro Tag. Da sind Tage mit 2.000 Schritten ebenso dabei wie solche mit 15.000 oder mehr Schritten. Je nachdem, wie es halt gerade passt, worauf ich Lust habe, was mein Körper zu leisten in der Lage ist, wie ich Zeit habe und was ich so unternehme.

Man kann jetzt natürlich argumentieren, dass ich ganz offensichtlich nicht auf die magischen 10.000 Schritte am Tag komme und mutmaßen, dass das an der fehlenden Motivation liegt, der Punkt ist aber: Diese Form von „Motivation“ war für mich das genaue Gegenteil.

Zu wissen, dass mich 10.000 Schritte pro Tag regelmäßig überfordern und ich dann jedes Mal von mir selbst enttäuscht bin, hat mich massiv demotiviert. Meine 1.000 Schritte sind vielleicht keine Motivation zu mehr Schritten, aber sie sind vor allem auch keine Demotivation, die mich Tag für Tag frustriert, mein Selbstwertgefühl schmälert und mich gänzlich davon abbringt, mich mehr als notwendig zu bewegen.

Es heißt immer, Menschen mit ADHS werden durch Herausforderung motiviert und ich würde das sofort unterschreiben. Was aber oft unterschlagen wird: Wir werden genauso leicht durch etwas (auch nur scheinbar) Unerreichbares demotiviert!

Wir müssen Herausforderungen finden, die für uns machbar sind – es reicht noch nicht einmal, uns zu sagen, dass wir doch nur daran glauben müssen, dass wir es könnten, denn so ein ADHS-Kopf lässt sich nicht so einfach austricksen. Er weiß genau, was er selbst für machbar hält und was wir ihm nur einreden wollen und etwas, das nur eingeredet war, motiviert ihn einfach mal überhaupt nicht.  Im Gegenteil: Er liebt es, dann zu beweisen, dass er von Anfang an recht hatte und es eben nicht möglich war. (Ja, ich finde meine ADHS etwas rechthaberisch.)

Wenn wir etwas als nicht erreichbar betrachten – ob aus Erfahrung oder aus Sturheit -, dann motiviert es uns nicht, sondern demotiviert uns. Es bringt uns nicht dazu, etwas zu versuchen und uns zu bemühen, sondern eher dazu, trotzig in der Ecke zu sitzen und notfalls die Beweise zu vernichten; z.B. die Uhr in der Schublade zu „verlieren“.

Herausforderung ist etwas Wunderbares – gerade für Menschen mit ADHS. Wir müssen allerdings akzeptieren, dass das, was unsere ADHS als Herausforderung betrachtet nicht unbedingt mit dem übereinstimmt, von dem wir gerne hätten, dass es als Herausforderung betrachtet wird und wir müssen lernen, für uns passende Herausforderungen zu finden, die dann auch wirklich funktionieren.

Sind meine 1.000 Schritte eine Herausforderung? Nein. Aber meine Motivation, spazieren zu gehen und damit Schritte zurückzulegen, liegt auch nicht in einer Herausforderung oder der Anzahl, sondern darin, dass ich Spaß am Spazierengehen an sich habe, dass ich die Natur beobachten kann, dass ich verschiedene Untergründe fühle, Wind auf meiner Haut, Sonnenschein…

Herausforderungen sind eine tolle Motivation – aber nicht immer die Richtige und schon gar nicht die Einzige.

Wie fühlt sich (meine) Neurodivergenz an?

Wie fühlt sich (meine) Neurodivergenz an?

21. August 2022 Claudia Unkelbach Comments 0 Comment

Vieles an meiner Neurodivergenz wird erst dadurch zu einer Auffälligkeit, dass ich in einer nach neurotypischen Bedürfnissen und Vorlieben gestalteten Welt lebe – jedoch wäre ich auch in einer Welt, die auf meine Bedürfnisse ausgelegt wäre, zumindest autistisch und hätte ADHS. Bei der Frage, wie sich Neurodivergenz anfühlt, geht es meiner Meinung nach also nicht darum, wie ich mich in dieser Welt fühle, sondern wie sich meine Neurodivergenz unabhängig davon anfühlt.

Disclaimer: Das hier ist meine persönliche Wahrnehmung und basiert auf meinem persönlichen Neurodivergenzprofil und es ist lediglich der Versuch einer Darstellung – sie mag Ähnlichkeiten zu anderen aufweisen, lässt sich jedoch nicht (oder maximal teilweise) auf andere neurodivergente Menschen übertragen.

Mein Ich

Ich empfinde mich nicht als Einheit, sondern unterscheide stark zwischen „mir“, meinem Kopf und meinem Körper – gerne auch noch zusätzlich in verschiedene Körperteile, wenn sie meiner Meinung nach besondere Bedürfnisse haben, oder „Probleme bereiten“ (also zum Beispiel wehtun). Ist das eigentliche „Ich“ dann meine Seele oder vielleicht eher eine übergeordnete Instanz? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht.

Ich unterscheide nicht immer zwischen meinen verschiedenen „Teilen“ und meistens, wenn ich von mir rede, ist „ich“ einfach ich. Sobald ich aber genauer über etwas nachdenke, ist mir sehr bewusst, dass es eben nicht nur eine Gesamtheit von mir gibt, sondern einzelne Teile von mir unterschiedliche Bedürfnisse haben – zum Beispiel, wenn der Kopf gerne noch etwas unternehmen würde, der Körper aber zu müde dafür ist.

Ich spreche auch gerne mal in der dritten Person von mir oder adressiere mich als „jemand“ – normalerweise meine ich damit mich als Gesamtheit und es passiert vor allem dann, wenn ich von mir selbst amüsiert bin und mich ein wenig albern fühle.

Ich bin äußerst selbstreflektiert und hinterfrage mein Empfinden, Denken, Handeln, meine Reaktionen und meine Wahrnehmung (und die Gründe dafür) quasi ständig und verbringe viel Zeit damit mich zu analysieren, zu verstehen und zu erklären.

Mein Denken

Mein Kopf ist eigentlich ständig aktiv und so etwas wie Ruhe kennt er nicht. Es gibt kaum einen Moment, in dem ich nicht denke und schon kleinste Wahrnehmungen oder Reize führen zu neuen Gedanken. Das trägt dazu bei, dass ich oft Dinge vergesse oder mitten in einem Gedanken nicht mehr weiß, worüber ich gerade nachgedacht habe: Ein anderer Gedanke hat sich in diesem Moment in den Vordergrund gedrängt.

Grundsätzlich ist mein Denken sehr vernetzt – ich beschreibe es in erster Linie als Baum mit vielen Zweigen und Blättern, die sich gegenseitig berühren und funkeln, wenn sie einen Gedanken teilen. Manchmal aber auch als Netz, wie das einer Spinne, bei dem ein leises Zupfen an einem Faden ausreicht, um über das gesamte Netz weitergeleitet zu werden.

Viele meiner Gedankengänge laufen unbewusst ab und kommen nur an die Oberfläche, wenn sie eine bewusste Überlegung benötigen oder ich genügend Leerlauf (also eine Abwesenheit von zusätzlichen Reizen) habe. Leerlauf ist für mich sehr wichtig, denn wenn mein Gehirn ständig von neuen Reizen bombardiert wird und ich sie nicht mehr schnell genug verarbeiten kann, überreize ich und lande in einem Overload.

Mein Denken ist sehr schnell und ich erfasse Zusammenhänge meistens in kürzester Zeit und in erstaunlicher Tiefe – oft traue ich meinem schnellen Denken aber nicht über den Weg (weil ich zu oft gehört habe, dass ich „zu schnell“ denke und daher nicht ausreichend „sorgfältig“ sei) und durchdenke Dinge mehrmals und extra langsam, um mir nur ja sicher zu sein.

Ich denke in einer Mischung aus Bildern und (hauptsächlich tonlosen) Szenen, Gefühlen und Verbindungen. Allerdings bin ich es so gewohnt, diese Bilder für andere Menschen zugänglich zu machen, dass ein Teil meines Denkens mittlerweile aus Sätzen und Satzfetzen besteht, die quasi eine Übersetzung meiner Gedanken darstellen.

Mein Orientierungssinn ist ziemlich gut und ich verlaufe mich in fremden Städten selten (mit Handy ja sowieso nicht, aber auch ohne Karte komme ich sehr schnell gut zurecht). Dabei speichere ich einzelne Abschnitte als dreidimensionale Karte in meinem Kopf und orientiere mich dann an bereits bekannten Punkten – das führt allerdings dazu, dass ich für längere Strecken erst mal ALLE relevanten Abschnitte durchgehen muss, um die passenden Verbindungspunkte zu finden.

Unklare Aussagen oder (für mich) nicht sinnvoll erklärbare Handlungen sind für mich Stolpersteine und können mich stundenlang außer Gefecht setzen, weil ich verzweifelt versuche, eine für mich logische Erklärung dafür zu finden – was nicht immer klappt.

Meine Wahrnehmung

Ich nehme oft Muster, kleine Details und Veränderungen wahr – allerdings in erster Linie an meiner Umgebung, Gebäuden, der Natur, Pflanzen oder Objekten. An Menschen fallen mir Veränderungen selten auf und es ist besser, von mir keinen Kommentar zu einer neuen Frisur oder Brille zu erwarten – oder auch nur überhaupt zu erwarten, dass ich dich erkenne, denn ohne den passenden Kontext erkenne ich Menschen oft überhaupt nicht. Ich kann auch bei Menschen, die ich schon oft gesehen habe, nicht sagen, welche Augenfarbe sie haben oder sie sonst irgendwie beschreiben. Haarfarbe und vielleicht noch Haarlänge – mehr ist da selten abgespeichert. Wenn aber in der Straße ein Haus neu gestrichen wurde oder wo ein neues Plakat hängt: Das erkenne ich sofort.

Ich höre oft Geräusche, die andere nicht wahrnehmen – nicht, weil sie nicht vorhanden wären, sondern weil sie für sie zum ausgefilterten Hintergrundrauschen gehören. Es ist mir zum Beispiel sehr bewusst, dass es in der Wohnung nie wirklich still ist, weil der Kühlschrank läuft, Lichter Geräusche machen oder der Verkehr auf der anderen Hausseite zu hören ist. Ich kann aber meistens bekannte Geräusche (sofern sie zu einem gewohnten Zeitpunkt vorhanden sind) auch so weit ausblenden, dass sie mich nicht beeinflussen.

Ich nehme Bewegungen jeder Art sehr bewusst wahr, was dazu führt, dass mich Lichtreflexionen oder wehende Dinge ganz schön ablenken können. Wenn ich mit etwas beschäftigt bin und jemand in meiner Umgebung bewegt sich (und macht vielleicht auch noch zusätzlich Geräusche), komme ich aus dem Konzept und werde unruhig und kann mich nicht mehr konzentrieren.

Mir wird sehr leicht schwindelig und ich hasse Höhen, alles was schnell bergab geht oder sich dreht – neige aber dazu mich zur Selbststimulation auf einem Sessel zu drehen. Und ja, davon wird mir auch schwindelig.

Ich reagiere empfindlich auf Geschmack und vor allem Konsistenz von Nahrungsmitteln. Ich mag zwar gerne viele verschiedene Geschmäcker und Konsistenzen gleichzeitig, wenn sie aber anders sind, als sie sein sollten – oder als ich sie erwarte – fühle ich mich unbehaglich. Vor Molekularküche gruselt es mich daher etwas. Ich probiere an manchen Tagen gerne Neues aus, an anderen geht es wiederum überhaupt nicht, weil ich schon den Gedanken an einen unerwarteten Geschmack oder eine unangenehme Konsistenz nicht ertragen kann. Ich habe deswegen für fast jedes Nahrungsmittel eine Lieblingsmarke und bin sehr gestresst, wenn diese Marke nicht vorhanden ist oder – das Allerschlimmste – die Rezeptur verändert wird.

Gerüche nehme ich je nach Zyklusphase unterschiedlich stark wahr und gegen Zyklusende werde ich sehr empfindlich und finde Deos, verdorbene Lebensmittel und Müll nahezu unerträglich. Ungewohnte Gerüche finde ich oft anstrengend und ich bin sehr pingelig darin, welche Gerüche ich an mich ranlasse: Seifen, Shampoos, Waschmittel – das muss alles lange ausgetestet werden, bis ich das für mich passende finde. Habe ich es aber erstmal, möchte ich es nie wieder wechseln und hasse es, wenn „mein“ Produkt verändert oder aus dem Sortiment genommen wird.

Berührungen von fremden Menschen sind sehr unangenehm für mich; bei entsprechender emotionaler Nähe zu der Person, werde ich aber sehr gerne berührt. Ich mag Umarmungen und – ausreichende emotionale Nähe vorausgesetzt – sanftes, langsames Streicheln.

Etiketten in Klamotten sind furchtbar für mich, weil ich sie als ständiges Kratzen wahrnehme, das bei längerem Tragen auch noch immer schlimmer wird. Auch Wolle kratzt mich oft und ich bestehe auf (geruchslosen) Weichspüler beim Wäsche waschen, weil ich sie sonst als kratzig wahrnehme. Ich trage nicht gerne Socken oder enge Kleidungsstücke, laufe am liebsten barfuß herum und bestehe auf regelmäßig gekehrte oder gestaubsaugte Böden, weil mich die Staubkörner am Boden ganz gewaltig stören.

Overloads

Overloads entstehen bei mir vor allem durch zu viele Reize, dabei kann ich am schlechtesten mit Lärm umgehen, wobei das Hauptproblem weniger die eigentliche Lautstärke ist, sondern eher die Kontrollierbarkeit, die Komplexität und die „Unangenehmheit“ des Geräusches. So sind Konzerte für mich meistens okay, aber ich hasse Staubsauger, Baulärm (außer ich verursache ihn selbst), Verkehrslärm und vor allem Sirenen. Mein zweitgrößtes Problem ist sichtbare Bewegung und Menschenmengen werden dadurch für mich zu einer Qual: Sie verursachen nicht nur Bewegung, sondern auch noch unkontrollierbare, komplexe Geräusche und ich muss zusätzlich versuchen, eventuellen Berührungen zu entgehen.

Bin ich mehr Reizen, als ich gerade ertragen kann, ausgesetzt, werde ich immer unruhiger und unausgeglichener, und jeder zusätzliche Reiz – selbst, wenn er an sich eigentlich überhaupt nicht schlimm wäre – lädt diese Unausgeglichenheit weiter auf. Ich werde dann ärgerlich, wenn jemand mit mir spricht oder etwas von mir möchte oder halte mir bei zusätzlichen Geräuschen zum Beispiel die Ohren zu. Hören die Reize nicht auf, fühle ich mich, als würde mein innerer Halt auseinanderbrechen und ich würde einfach von Unangenehmem überschwemmt werden. Ich will dann auf gar keinen Fall berührt werden, am liebsten nichts sehen und hören und einfach meine Ruhe habe, bis ich mich wieder beruhigt habe.

Mein Empfinden

Ich habe sehr ausgeprägte Gefühle und erlebe sie sehr, sehr stark und körperlich. Glück oder Freude fühlen sich zum Beispiel an, als würde ich mit meinem Kopf inmitten eines Regenbogens stecken, in meiner Brust ein kleines, ploppiges Konfetti-Feuerwerk gezündet werden und meine Haut prickelt wie an einem heißen Sommertag. Trauer legt sich wie eine schwere Last auf meine Schultern und ich fühle mich, als würde ich durch einen tiefen Sumpf waten und immer weiter hinabgezogen werden – jedes Gelenk tut mir dann weh und ich verliere rasend schnell meine Energie.

Es fällt mir leicht, meine Gefühle zu erkennen und in Worte zu fassen – das liegt aber in erster Linie an viel, viel Übung, sowohl im Beschreiben von mir selbst, meinen Gedanken und Gefühlen, als auch im Identifizieren der Gefühle. Ich verfolge sie oft zu ihrem Ursprung zurück und kann sie dann besser erklären.

Meine Gefühle können sehr schnell wechseln und Kleinigkeiten belasten mich oft stark – vor allem, wenn es sehr viele negative Kleinigkeiten in kurzer Zeit sind. Genauso reagiere ich aber auch sehr stark auf positive Kleinigkeiten und kann mich stundenlang über etwas Winziges freuen – vorausgesetzt, ich habe es selbst erlebt oder entdeckt.

Wenn ich mich freue, möchte ich es am liebsten allen sagen – fühle mich deswegen aber oft nervig und lasse es dann lieber sein -, wenn ich traurig bin, bleibe ich lieber für mich und möchte mit niemandem reden. Wenn ich wütend bin, fühle ich mich oft hilflos und werde leicht unfair.

Ich bin unheimlich neugierig und interessiert und kann mich selbst für Themen, die mich eigentlich nicht interessieren, begeistern, wenn sie mit Leidenschaft erzählt werden – gleichzeitig bin ich aber oft zu ängstlich und unsicher, um etwas zu fragen und mein Interesse zu zeigen und halte mich grundsätzlich stark zurück.

Langeweile kenne ich eigentlich nicht, denn es gibt immer irgendetwas, das ich gerade spannend finde und worüber ich mehr wissen möchte, was ich ausprobieren will oder worüber ich nachdenken kann. Mein Energielevel ist das, was mich häufig ausbremst.

Ich fühle mich oft innerlich sehr angespannt, weil sich zum Beispiel irgendetwas gerade „falsch“ für mich anfühlt oder wenn ich das, was ich gerade ausdrücken möchte, nicht ausdrücken kann – oder zu langsam rede oder schreibe. Diese Anspannung ist körperlich schmerzhaft und kann bis zu einem Overload führen.

Meine Interessen

Ich interessiere mich leicht für alles, was bunt ist, leuchtet oder glitzert, was mit EDV oder Nahrung oder menschlichem Verhalten zu tun hat, für Natur und Säugetiere und Sprachen und für Dinge, die ich mit meinen Händen tun kann.

Meine Interessen wechseln oft sehr schnell und ich kann im Vorhinein selten sagen, was mich als nächstes begeistern wird – oder wie lange das anhalten wird. Manchmal finde ich auch etwas zwar spannend, halte mich aber bewusst zurück, weil es zu umständlich, aufwändig oder teuer wäre, dem Interesse tatsächlich nachzugehen.

Wenn ich ein Interesse gefunden habe, „verliere“ ich mich extrem darin, suche Infos zu allen möglichen (unwichtigen) Details, habe viele, viele Ideen dazu und will alles Mögliche ausprobieren. Ich habe dann das extrem starke Bedürfnis, den Großteil meiner Zeit damit zu verbringen, und reagiere ungehalten, wenn ich das nicht kann. Wenn ich es aber kann, fühle ich mich sehr ruhig und entspannt und in mir selbst ruhend – ein eher seltener Zustand außerhalb meiner Interessen.

Die „Obergruppen“ meiner Interessen bleiben langfristig bestehen, allerdings ändert sich häufig die exakte Ausprägung – so liebe ich zum Beispiel seit Ewigkeiten alles, was mit Nahrung zu tun hat, zurzeit ist der Schwerpunkt aber bei Bubble Tea, während er vor ein paar Monaten noch bei französischer Patisserie lag. Diese Schwerpunkte kommen und gehen, manche verschwinden schlagartig, andere werden einfach durch andere ersetzt und manche beende ich ganz bewusst, wenn ich merke, dass sie mir nicht gut tun.

Meine Einstellungen

Ich neige dazu, Menschen und Themen als entweder „gut“ oder „schlecht“ einzustufen und finde die Tatsache, dass sowohl Menschen, als auch Themen durchaus beides gleichzeitig – und noch vieles dazwischen – sein können, sehr schwierig zu begreifen und zu ertragen. Eine einmal getroffene, negative Einstufung wieder zu revidieren, fällt mir nicht leicht und dauert oft sehr, sehr lange – genauso andersrum: Ich suche lange Zeit nach „Entschuldigungen“ für schlechtes Verhalten von Menschen, die ich als positiv eingestuft habe oder für negative Auswirkungen von „guten“ Themen.

Mein Gerechtigkeitssinn ist stark ausgeprägt und ich hadere sehr damit, wenn eine Ungerechtigkeit dennoch rechtlich korrekt ist – auch, wenn ich verstehe, dass Recht nicht jeden Einzelfall abdecken kann.

Wenn ich von etwas fest überzeugt bin, ist es für mich schwierig zu verstehen, dass andere Menschen das anders sehen (können) und ich bin dann oft erstmal empört und verwirrt und will eigentlich gar nichts mit diesen Menschen zu tun haben.

Ich glaube daran, dass Menschen Gründe für ihr Tun und Denken haben und bin bereit, ihnen vieles nachzusehen. Ich bin jedoch auch der Meinung, dass sie diese Gründe reflektieren und an sich arbeiten sollten und kein Recht darauf haben, andere schlecht zu behandeln oder abzuwerten – schon gar nicht wenn diese Gründe nur dafür erfunden wurden, um sich selbst eine (scheinbare) Legitimation für dieses Verhalten zu erschaffen!

Es fällt mir sehr schwer, mir ein Urteil von einer Situation zu bilden, wenn ich nicht alle Seiten und Details kenne. Bei Themen oder Menschen die mir wichtig sind, neige ich aber – wie alle Menschen – dazu, „meiner“ Seite einen Vertrauensvorschuss zu geben.

Mein Handeln

Ich bin sehr hartnäckig und ausdauernd, wenn ich etwas umsetzen möchte und lasse mich zwar von Fehlschlägen kurzfristig aus dem Konzept bringen und frustrieren, nehme aber meistens nach einer Pause einen neuen Anlauf – und dann noch einen, bis es doch noch funktioniert. Aufgeben liegt mir nicht.

Wenn ein Thema oder eine Tätigkeit mich anspricht oder mir wichtig ist, bin ich extrem geduldig und kann in aller Ruhe auch langwierige oder eintönige Arbeiten erledigen und fühle mich dabei sogar entspannt. Diese Geduld lässt sich auch bewusst abrufen, kostet dann aber viel Energie. Ich nutze das häufig, um ruhig und ausführlich Sachverhalte oder Technik erklären zu können – auch mehrfach, wenn es notwendig ist.

Ich sehe sehr oft Verbesserungspotential oder ungenutzte Möglichkeiten – in Menschen, aber noch viel mehr in Dingen, Technik oder Nutzungsmöglichkeiten und -verhalten. Das führt dazu, dass ich häufig etwas erneut ausprobiere oder verbessere – immer und immer wieder, bis ich das Gefühl habe, jetzt die bestmögliche Lösung gefunden zu haben. Zumindest so lange, bis mir wieder etwas auffällt. Das erscheint häufig wie Perfektionismus, aber für mich ist es nur eine logische Nutzung von vorhandenen Möglichkeiten.

Ich kommuniziere deutlich lieber schriftlich als mündlich, was auch daran liegt, dass ich so meine Gedanken leichter für andere „übersetzen“ kann und mehr Kontrolle über die Feinheiten meiner Aussagen habe. Manchmal kann ich auch überhaupt nicht reden – die Worte bleiben dann in meinem Gehirn „stecken“ und ich bekomme sie nicht raus.

Und sonst?

Es fehlt vieles – gefühlt sogar sehr vieles, denn umso mehr ich darüber nachdenke, umso mehr fällt mir ein, was ich vielleicht auch noch erwähnen könnte oder sollte, was für mich einen Teil meiner Neurodivergenz bedeutet und mich ausmacht.

Liegt alles, was ich hier beschreibe an meiner Neurodivergenz? Ja und nein. Es liegt natürlich vieles an meinen Erfahrungen, meinen Unterhaltungen, meinen Informationen. Gleichzeitig ist aber all das von meiner Neurodivergenz beeinflusst, denn sie formt, wie ich Informationen erhalte, aufnehme und verarbeite.

Ich bin, denke, fühle, verarbeite und handle so, wie ich es tue, weil ich neurodivergent bin.

Das bedeutet nicht, dass du ebenso denken, fühlen, verarbeiten und handeln musst, wenn du neurodivergent bist – oder dass du es eben nicht tust, wenn du neurotypisch bist. Es bedeutet nur, dass ICH so bin, weil ich neurodivergent bin – und ich bin sehr gerne so.

ADHS und Schlaf

ADHS und Schlaf

14. August 2022 Claudia Unkelbach Comments 0 Comment

Schlaf ist für neurodivergenter Menschen oft ein schwieriges Thema – einschlafen, durchschlafen, erholsam schlafen, all das ist nicht gerade einfach mit einem neurodivergenten Kopf.

Erholsam schlafe ich so gut wie nie. Das Konzept von „erholt aufwachen“ ist mir fremd und ich wundere mich regelmäßig darüber, dass es wohl üblich ist, in der Früh tatsächlich erholt zu sein! Es ist dabei vollkommen egal, wie lange ich schlafe, ob 4 Stunden oder 10 Stunden – oder alles dazwischen –, ob ich mich vom Wecker wecken lasse oder von selbst aufwache: Erholt fühle ich mich nicht.

Mein Fitnesstracker sagt dazu, dass ich nachts sehr unruhig und gestresst bin und ja, so fühlt es sich an.

Auch kurze Nickerchen oder Power-Naps funktionieren bei mir nicht. Diese klassischen 15- bis 30-minüten Power-Naps bekomme ich schlichtweg nicht hin. Ich bin dann 15 bis 30 Minuten mit geschlossenen Augen in Alarmbereitschaft, weil ich nur darauf warte, dass die Zeit um ist und ich aufstehen muss! Für ein Nickerchen muss ich die Gewissheit haben, mindestens eine Stunde schlafen zu können. Alles darunter und ich komme nicht aus dem Alarmmodus.

In Wirklichkeit dauern meine Nickerchen dann aber zwei Stunden, weil ich nach einer Stunde zwar vom Wecker geweckt werde, mich aber so erschlagen fühle, dass ich dann noch eine Stunde schlafe, bis ich von selbst aufwache – ohne fit zu sein.

Die Wissenschaft erklärt das damit, dass die ein, zwei Stunden zu lang sind und man in die Tiefschlafphase kommt und ein Nickerchen sich aber nur in der leichten Schlafphase abspielen sollte, um erholsam zu sein.

Ich schätze, ich bin kein Nickerchen-Mensch.

Auch nachts durchschlafen ist ein eher ungewöhnliches Konzept für mich und die paar Nächte im letzten Jahr, die ich durchschlafen konnte, kann ich an einer Hand abzählen. Ich wache jede Nacht vier- bis fünfmal auf – ein Teil davon ist körperlichen Beschwerden geschuldet, ein Teil meinem Kopf, der mich immer wieder mit „tollen Ideen“ aufweckt. ADHS halt. Die Hyperaktivität lässt auch nachts nicht nach und lässt mich nicht so wirklich schlafen – beschert mir aber auch immer wieder spannende Ideen, die ich dann beim wieder Einschlafen prompt vergessen kann. An manche erinnere ich mich aber irgendwann wieder und ja, doch, mein Kopf hat nachts echt gute Ideen!

Das Einzige, was ich mittlerweile deutlich besser im Griff habe ist die Sache mit dem Einschlafen.

Jahrzehntelang konnte ich abends nicht einschlafen. Während der Ehemann neben mir binnen Sekunden tief und fest schlief, lag ich wach daneben, drehte mich von einer Seite auf die andere und fand keine gute Schlafposition und die Gedanken tobten durch meinen Kopf. Wie Spielfilme liefen Momente des Tages in mir ab, ich versuchte die ungelösten Probleme der letzten Monate zu lösen oder plante den nächsten Tag. Das Einzige, was ich dabei nicht tat, war schlafen und es störte mich ungemein.

Ich probierte vermutlich jeden Einschlaftipp aus, der mir unter die Augen kam, arbeitete an meiner Schlafhygiene, benutzte das Bett ausschließlich zum Schlafen, versuchte es mit White, Pink, Brown und Einhorn-farbenem Noise, hörte Hörbücher, reduzierte die abendliche Bildschirmzeit, verwendete Blaufilter, machte vor dem Schlafengehen Sport – aber nicht zu kurz vor dem Schlafengehen! -, meditierte, führte ein Dankbarkeitstagebuch, probierte Düfte, spezielle Kissen, die angeblich perfekte Temperatur, Melatonin-Spray, -Drops und -Tabletten, CBD-Produkte und Schlaftabletten. Nichts davon half dauerhaft! Nichts!

Dennoch schlafe ich mittlerweile nahezu immer innerhalb von fünf bis zehn Minuten ein!

Das, was mir hilft, hat sich für mich im Laufe der Jahre durch Zufall ergeben. Am Anfang habe ich abends oft ganz bewusst den Tag Revue passieren lassen, habe mir die schönen Momente in Erinnerung gerufen, versucht, mich mit schönen Gedanken zur Ruhe zu bringen. Alles sollte schön und positiv und beruhigend sein und für mich den Schlaf mit etwas Angenehmen verbinden.

In Wirklichkeit habe ich damit jedoch das Gegenteil erreicht.

Mein ADHS-Kopf braucht nur einen Gedanken-Funken, um darauf anzuspringen. Zu jedem noch so kleinen Gedanken, findet er Zusammenhänge, Geschichten, Erinnerungen, Ideen und alles davon möchte beachtet und betrachtet und durchgedacht werden. Während ich also versuchte, meinen Kopf mit schönen Gedanken zu füttern, war mein Kopf damit beschäftigt, all diese Gedanken auszubauen und zu erweitern und mich damit wachzuhalten, denn da war doch NOCH etwas, worüber ich dringend nachdenken sollte!

CN: Tod, Trauer für den nächsten Absatz
2019 starb mein bester Freund gänzlich unerwartet und es ging mir monatelang sehr, sehr schlecht. Meine schönen Einschlafgedanken waren nicht mehr schön, sondern durchzogen von traurigen Erinnerungen, von Vermissen und Trauern und auch die Vorfreude auf den nächsten Tag war getrübt von dem Wissen, dass es ein weiterer Tag ohne ihn werden würde.

Ich suchte für mich verschiedene Hilfen und probierte unter anderem Achtsamkeits-Training und Meditation.

Das Achtsamkeits-Training fand ich irgendwo zwischen faszinierend und albern, zwischen spannend und nutzlos und fühlte mich von der Umsetzung überfodert. Die Meditationen wiederum halfen mir für eine Weile sehr und ich nutzte lange Zeit eine Einschlaf-Meditation statt meiner jetzt nicht mehr so schönen Gedanken.

Irgendwann brauchte ich die Hilfsmittel immer weniger und als mir die Einschlaf-Meditation schließlich nichts mehr gab, ließ ich sie sein und nahm stattdessen meine Schöne-Gedanken-Gewohnheit wieder auf. Schlief ich damit besser? Nein. Aber ich hatte ja ohnedies noch nie wirklich besser geschlafen.
Monate vergingen. Ich versuchte mich immer wieder in neuen Maßnahmen für besseres Einschlafen, doch nichts half dauerhaft und so lag ich im Bett, der Ehemann neben mir schlief, und meine Gedanken beschäftigten sich damit, wie ich das Schlafzimmer am besten umbauen könnte oder ob ich mich nicht vielleicht vor 3 Wochen unangemessen verhalten hatte.

Plötzlich sagte ich in Gedanken „Stopp!“ und „Wir schlafen jetzt!“ und das nächste, an das ich mich erinnerte war, wie ich nachts wie üblich aufwachte.

Erst war mir das gar nicht wirklich bewusst, es passierte einfach und als es mir bewusst wurde, fand ich es absurd: Seit wann hörte mein Kopf auf mich? Doch er tut es.

Ich gehe inzwischen davon aus, dass es eine der Achtsamkeitsübungen ist, die mir dabei hilft. Die Übung nennt sich Gedanken-Stopp und funktioniert so, dass man ein Stopp-Schild oder eine ausgestreckte Hand visualisiert und sich gleichzeitig in Gedanken ein nachdrückliches „Stopp“ zuruft. Dadurch unterbricht man den aktuellen Gedankenstrom. Danach lenkt man die Gedanken auf etwas Positives und vermeidet dadurch, dass der ursprüngliche Gedanken wieder zurückkommt.
Ich habe mir offenbar angewöhnt, diese Umleitung sein zu lassen – mein ADHS-Kopf würde ja ohnedies nur in einem neuen endlosen Gedankenzug landen – und mich schlafen zu schicken.

Das funktioniert heute (3 Jahre nachdem ich die Technik kennengelernt habe) tatsächlich fast immer! Ich glaube aber, dass dazu noch etwas anderes beiträgt, dass ich mir aus der Einschlaf-Meditation abgeleitet habe.

In den Meditationen sprach mich immer wieder ein Satz an, der aussagte, dass ich alles für diesen Tag erledigt hatte und das, was ich nicht erledigt hatte auf einen anderen Tag warten würde. Für mich hieß das: „Du darfst den Tag jetzt beenden.“

Ich nutze es heute so, dass ich mich etwa eine Stunde vor dem Schlafengehen frage, ob es noch etwas gibt, dass ich unbedingt heute erledigen möchte/muss. Früher war da immer eine ganze Liste an Dingen, die ich unbedingt noch tun wollte: Malen, Häkeln, Basteln, Spielen, Fernsehen, Lesen… Alles, was ich gerne mochte und wofür ich am Tag keine Zeit oder Energie gehabt hatte. Ich „musste“ das doch noch tun! Wer weiß, ob ich am nächsten Tag dazu kommen würde!
Heute sage ich mir fast immer: „Das kann ich auch ein anderes Mal tun.“ Vielleicht ist dieses „andere Mal“ dann tatsächlich am nächsten Tag, vielleicht stelle ich aber auch am nächsten Tag fest, dass mir gerade etwas anderes wichtiger ist – oder das, was mir am Abend noch so dringend und unaufschiebbar schien, jetzt doch nicht mehr so wichtig für mich ist.

Ich schließe dadurch den Tag für mich ab, beende ihn und gehe ohne Drängendes „aber ich will doch noch…“ schlafen. Auch Gedanken oder Pläne verschiebe ich auf ein anderes Mal. Manchmal schreibe ich sie mir auf, damit ich sie nicht vergesse, aber oft sind es Dinge, die wirklich überhaupt nicht wichtig sind oder mich unnötig belasten.

Ich meine, ich muss ja wohl echt nicht darüber nachdenken, ob ich mich vor x Wochen im Gespräch mit einer mir völlig fremden Person unpassend verhalten habe! Auch, wenn der Kopf das gerne genau vor dem Einschlafen dringend tun wollen würde.

Ich gehe mit der Überzeugung schlafen, dass ich alles erledigt habe und nichts so wichtig ist, dass es nicht bis zur nächsten Gelegenheit warten kann. Und wenn der Kopf dann anfängt, doch über irgendetwas nachdenken zu wollen, dann sage ich ihm „Stopp!“ und erinnere ihn daran, dass „heute“ gar nichts mehr zu tun oder zu denken ist und dass wir jetzt schlafen. Und dann schlafen wir. Manchmal auch erst nach der zweiten oder dritten Erinnerung, aber wir schlafen.

Nach wie vor nicht durch und nicht erholsam, aber wir schlafen, anstatt stundenlang wach zu liegen und über unnötige Dinge nachzudenken und auch, wenn ich nachts aufwache, weil da wohl doch noch etwas durchdacht werden wollte, kann der Kopf das ja wohl auch ohne meine bewusste Anwesenheit und ich kann so lange schlafen!

Selbst so ein ADHS-Kopf hat Stellschrauben! Vielleicht hat deiner ganz andere, aber der Punkt ist: Sie existieren und du kannst sie für dich finden. Nicht, indem du einer vorgegebenen Lösung folgst, sondern indem du deinen Kopf inspirierst, herumprobierst und ihn seine eigene Lösung bauen lässt, denn genau darin, sind ADHS-Köpfe echt gut!

Das wird nicht alle deine Probleme lösen, aber vielleicht hilft es dir dabei einzuschlafen oder durchzuschlafen oder erholsam zu schlafen – oder bei etwas ganz anderem; Hauptsache, es macht dein Leben ein kleines bisschen einfacher für dich.

Ein behinderter Blick: Online-Shops vs. lokaler Handel

Ein behinderter Blick: Online-Shops vs. lokaler Handel

14. August 2022 Claudia Unkelbach Comments 2 comments

Kennt ihr diese Schlagzeilen, dass die Innenstädte veröden, die lokalen Einzelhändler sterben und an allem der böse, böse Onlinehandel Schuld hat? Ja? Aber kennt ihr auch die Schlagzeilen, dass der Onlinehandel so zugänglich und behindertenfreundlich ist und zu Recht immer größeren Zulauf erhält? Nein? Verständlich, weil darüber berichtet nämlich niemand.

Ich bin Autistin, habe ADHS, eine soziale Angststörung, eine (komplexe) posttraumatische Belastungsstörung, chronische Schmerzen, Fatigue, bin dick und noch ein paar Dinge mehr, die hier aber nicht so wichtig sind. Was wichtig ist: Meine verschiedenen Probleme führen dazu, dass klassisches Shopping für mich voller Probleme und Hürden steckt.

Das beginnt schon damit, dass ich nicht ohne weiteres zum nächstgelegenen Laden komme. Wir wohnen am Stadtrand, bis zu einem Basic-Lebensmittelladen ist es ein Kilometer. An guten Tagen laufe ich das – aber die guten Tage sind gerade sehr selten.

Brauche ich mehr als Lebensmittel wird es schon komplizierter, denn schon alleine der nächste Schuhladen ist fußläufig nicht mehr wirklich erreichbar. Ich könnte also den Bus nehmen, aber der Bus ist als Autistin mit sozialer Angststörung jedes Mal eine enorme Belastung und ich bin nach der Busfahrt so erschöpft, dass ich eigentlich direkt wieder ins Bett müsste, um mich dort den Rest des Tages zu erholen.

Also Auto? Ja, funktioniert, aber dann kommt das nächste Problem: Sensorische Überreizung.

Läden sind hell, laut und oft voller Menschen und ich kann nichts davon ausblenden, weil mein Kopf Reize nicht filtert, sondern jeden einzelnen davon verarbeiten möchte. Das ist so, als würden 10 wichtige Menschen gleichzeitig mit dir reden und du MUSST allen zuhören, weil ihre Informationen wichtig sind und sie von dir erwarten, dass du sie beachtest. Sie werden sie nicht wiederholen, du bekommst sie auch nicht schriftlich und Fehler darfst du dir nicht erlauben, also hörst du besser zu. Allen! Klingt anstrengend? Ja! Genau das ist es.

Und jetzt stell‘ dir vor, du musst, während diese Menschen mit dir reden, auch noch entscheiden, was du in dem Laden kaufen möchtest. Du musst Schuhe anprobieren (noch mehr Reize!), du musst sie vergleichen, Preise nachschauen und schließlich eine Entscheidung treffen – und immer noch reden diese zehn Menschen mit dir und du darfst nichts von dem, was sie sagen verpassen!

Währenddessen bereitet das grelle Licht dir Kopfschmerzen, deine Ohren tun weh vom Lärm, deine Haut fühlt sich an, als wärst du durch ein Brennnessel-Feld gelaufen und innerlich möchtest du am liebsten explodieren, weißt aber, dass das gerade nicht geht.

Irgendwann schaffst du es in dem ganzen Trubel, dich für ein paar Schuhe zu entscheiden, du schaffst es, sie zu bezahlen und jetzt musst du nur noch mit ihnen nach Hause kommen – und hoffen, dass deine Entscheidung nicht allzu schlecht war, denn sonst musst du sie zurückbringen und neue aussuchen und das ganze Drama geht von vorne los!

Aber selbst, wenn du es irgendwie geschafft hast, tolle Schuhe mit denen du echt glücklich bist zu finden: Der Preis dafür ist hoch, denn dieser eine Einkauf hat deine Energie für den ganzen Tag erschöpft – und oft auch für den nächsten und den übernächsten. Ja, du hast deine Schuhe, aber du wirst heute nichts mehr kochen können, dich nicht mit Freund*innen unterhalten können – von treffen reden wir gar nicht erst -, nicht mehr arbeiten können und dein geliebter Sport? Vergiss ihn – du hast doch ein paar Schuhe!

Ja, es gibt Läden, die angenehmer sind. Sie sind vielleicht kleiner oder leiser oder du hast das Glück zu einem Zeitpunkt dort zu sein, zu dem kaum andere Menschen unterwegs sind und das ganze Einkaufserlebnis ist dadurch deutlich weniger anstrengend.

Jetzt kommt aber noch dazu, dass ich dick bin und dass ich oft sehr spezielle Interessen habe und dafür sehr spezielle Dinge benötige. Kleidung in meiner Größe vor Ort kaufen? Schwierig. Sehr schwierig. Eine sehr spezielle Silikonform für mein Spezialinteresse Backen vor Ort kaufen? Unmöglich. Ernsthaft. Unmöglich.

Das, was ich möchte, gibt es oft vor Ort nicht. Auch, wenn ich einen echt guten Tag habe und es schaffe, 3, 4, 5 Läden abzuklappern – es gibt diese Dinge nicht und noch nicht mal etwas Vergleichbares! Online tippe ich das, was ich möchte in eine Suchmaschine ein und in 9 von 10 Fällen werde ich fündig und kann das Gewünschte direkt bestellen – manchmal habe ich Pech und es ist in Deutschland nicht verfügbar (oder die Lieferkosten sind mir hoch).

Ich bekomme also das, was ich gerne hätte und es kostet mich auch noch deutlich weniger Energie.

Für mich ist Onlineshopping einfach so, so viel zugänglicher!

  • Ich bin nicht darauf angewiesen, dass ich körperlich dazu in der Lage bin, das Haus zu verlassen, zu einem Laden zu kommen und ihn zu betreten.
  • Ich muss nicht mit sensorischen Problemen im Laden kämpfen, denn der „Laden“ ist direkt in meinem Wohnzimmer und dort bestimmte ich die Umgebungsparameter.
  • Ich muss nicht mit fremden Menschen kommunizieren um das, was ich gerne hätte, auch zu bekommen, denn Onlineshops haben dafür Suchfunktionen.
  • Ich bekomme Dinge, die ich vor Ort einfach nicht bekommen kann.
  • Ich kann Preise direkt zwischen verschiedenen Shops vergleichen.
  • Ich kann über Produkte recherchieren und bekomme oft bessere Informationen als im Laden.
  • Ich bekomme alles nach Hause geliefert.
  • Ich kann zuhause ganz ohne Stress alles an- und ausprobieren.
  • Ich habe Zeit, um mich zu entscheiden, ob ich etwas möchte oder nicht und reduziere damit Impulskäufe.
  • Ich kann Fehlkäufe zurückschicken.

Ja, Onlineshopping hat Probleme, viele sogar! Aber ich habe so die Nase voll davon, dass der „lokale Einzelhandel“ als besonders schützenswert angesehen wird, während darüber nachgedacht wird, wie man Onlineshopping unattraktiver machen kann!

Ich erwarte überhaupt nicht mehr, dass der lokale Einzelhandel für mich zugänglich – geschweige denn attraktiv – ist, aber die Sache ist doch die: Entweder der lokale Einzelhandel passt sich an mich als Kundin an oder er lebt damit, dass ich mir eine Alternative suche!

Einzelhändler*innen haben immer weniger Kundschaft, weil alle lieber online kaufen? Ich verrate euch was: Es liegt nicht an den günstigen Preisen. Online ist oft überhaupt nicht billiger. Aber es ist zugänglicher, verfügbarer, einfacher, energiesparender und nervenschonender!

Natürlich kann der lokale Einzelhandel nicht alle Wünsche abdecken – ich verstehe total, dass meine ganz spezielle Silikonform vor Ort nicht verfügbar ist -, aber ist es wirklich so, dass 90 % der Menschen im Gegensatz zu mir gerne helle Lichter und laute Musik beim Einkaufen haben? Oder stört es sie nur einfach nicht und der Handel freut sich, weil er dann nichts verändern muss und die Marketing-Bibeln doch alle sagen, dass Dauerbeschallung zu mehr Einkäufen führt? Dann freut euch, aber wundert euch nicht länger, dass Menschen, die mit lauter Musik nicht zurechtkommen, nicht bei euch einkaufen wollen – ihr wollt sie ja offensichtlich überhaupt nicht als Kund*innen haben!

Wollt ihr doch? Dann werdet verdammt noch mal zugänglicher für Menschen wie mich, bevor sie euch alle davonlaufen!

Bei mir ist es schon zu spät, denn ich genieße die Vorteile des Onlineshoppings mittlerweile viel zu sehr, als dass ich mich wieder auf den ach so guten, alten lokalen Einzelhandel einlassen wollen würde, aber es gibt Menschen, die tatsächlich gerne vor Ort einkaufen und es wird Zeit, dass der lokale Einzelhandel sich für deren Bedürfnisse interessiert!

Zerstört mein Verhalten den lokalen Einzelhandel? Nein. Der lokale Einzelhandel zerstört sich selbst und das tut mir so leid für die Menschen, die auf ihn angewiesen sind!

PS: Ja, Mitarbeiter*innen im Onlinehandel und Paketzusteller*innen haben es oft hart und das finde ich echt Mist – nur glaubt bitte nicht, dass Mitarbeiter*innen im lokalen Einzelhandel es so viel besser haben. Die Probleme sind oft andere – und oft auch die gleichen.

PPS: Ja, große Onlinehändler, die ihre Steuern möglichst klein rechnen sind scheiße. Aber glaubt ihr, dass euer lokaler Einzelhändler vor Ort – der ja in den meisten Fällen auch nur Teil einer größeren Kette ist -, das nicht auch macht – soweit es ihm halt möglich ist?

Das ist meine Sicht und meine Gründe, warum ich lieber online einkaufe. Es gibt aber genau so auch behinderte Menschen, für die vor Ort einkaufen Vorteile gegenüber Online-Shopping hat!

Unsere Probleme und Lösungsansätze sind einfach unterschiedlich. Gemeinsam haben wir, dass wir uns wünschen würden, dass unsere Bedürfnisse besser berücksichtigt werden und das Einkaufen – wie und wo auch immer – dadurch für uns einfacher werden und uns weniger Energie kosten würde.

Let’s talk about: Faulheit

Let’s talk about: Faulheit

13. August 2022 Claudia Unkelbach Comments 0 Comment

Wenn ich mich in der Wohnung umsehe, sehe ich Dinge, die herumstehen. Den Drucker, den wir einlagern wollen, den wir dafür aber erst mal ordentlich in den Karton bekommen müssen und der so schwer ist, dass mir die Kraft dafür fehlt und dafür, danach auch nur dabei zu helfen, ihn ins Auto zu bekommen.

Den neuen Abfluss fürs Badezimmer-Waschbecken, den ich nicht montieren konnte, weil Werkzeug fehlte und der seit Monaten als Erinnerung daran, dass ich das noch tun muss, herumliegt.

Den Rest Tiefengrund, der vom Badezimmer übrigblieb, weil ich ihn fürs Schlafzimmer brauche, das ich aber noch nicht angefangen habe, weil meine Ideen zu teuer sind und ich ja auch ständig anderes zu tun finde.

Den Wäscheständer, den ich mal wieder seit Tagen ignoriert habe, dann zwar abgeräumt habe, aber der gleich wieder gefüllt werden wird.

Zwei Töpfe von gestern, als ich köstliche Spaghetti mit Karotten und Zucchini gekocht habe, aber nach dem Essen zu erschöpft zum Spülen war.

Ich schaue mich um und ich sehe Dinge, die herumstehen und ich sehe: „Da ist aber jemand faul!“

„Jemand“ bin natürlich ich, denn ich bin ja hier die „Hausfrau“, diejenigen, die nicht lohnarbeitet, die doch den ganzen Tag Zeit hat, die Dinge, die hier herumstehen, nicht herumstehen zu lassen, sondern wegzuräumen, aufzuräumen, sauber zu machen.

Diejenige, die das nicht macht. Diejenige, die faul ist.

Ich bin aber auch diejenige, die heute Morgen trotz richtig schlechter Nacht, einfach mal zwei Stunden lang das Schlafzimmer aufgeräumt hat, inklusive Schränke und Schubladen sortieren und ausmisten.

Ich bin auch diejenige, die gestern Abend gekocht hat, obwohl ich Schmerzen hatte, obwohl ich danach schon beim Essen total erledigt war und den Rest des Abends nur noch auf der Couch verbringen konnte.

Und ich bin diejenige, die sich fünf Wochen lang einfach so um einen anderen Haushalt und einen Garten kümmert.

Mein Leben lang habe ich gelernt, dass ich faul bin.
Weil ich mich nicht „genügend“ anstrenge. Weil es um mich herum nicht „ausreichend“ ordentlich ist. Weil ich dieses oder jenes nicht mache, von dem die Person, mit der ich gerade rede, aber überzeugt ist, dass es meine Priorität zu sein hätte. Oder weil ich es nicht so mache, wie sie es machen würde.

Oh, und natürlich weil ich dick bin und dicke Menschen halt sowieso faul sind. /s

Wenn du das immer und immer wieder gesagt bekommst, dann glaubst du es. Das ist wie mit Falschnachrichten und Lügen: Es geht überhaupt nicht um den Wahrheitsgehalt, sondern nur um die Wiederholung. Hörst du es nur oft genug, glaubst du es auch und wenn du es erstmal glaubst, findest du plötzlich auch „Beweise“ dafür.

Wenn du erstmal fest daran glaubst, faul zu sein, dann kannst du noch so viel tun, noch so umtriebig sein, noch so vieles bewegen du wirst trotzdem die Töpfe vom Vorabend sehen, den Wäscheständer, den Tiefengrund, den Drucker.

Du wirst sie sehen und du wirst dir sagen, dass du faul bist. Schon wieder!

Vielleicht wirst du dich für einen von Grund auf schlechten Menschen halten, weil du auch das wieder und immer wieder zu hören bekommen hast, bis du es geglaubt hast. Du wirst dich schämen, dich hassen, akzeptieren, dass andere Menschen dich schlecht behandeln, weil ist es nicht das, was du verdient hat, du faules Ding?

Dabei bist du gar nicht faul.

Du tust, was dir möglich ist.

Dein Leben besteht nicht nur aus Aufräumen und Sauberhalten und ordentlich sein, aus Sport treiben und alles im Griff haben.

Nur, weil jemand anderes, andere Prioritäten in seinem Leben setzt und vielleicht lieber eine blitzblanke Wohnung hat, anstatt auf der Couch zu liegen, durch Instagram zu scrollen und zur Ruhe zu kommen, bist du nicht faul.

Vielleicht machst du dafür etwas anderes – vielleicht aber auch nicht. Vielleicht brauchst du mehr Pausen. Vielleicht willst du einfach mehr Pausen.

Du bist deswegen nicht faul.
Du hast einfach nur andere Prioritäten.

Genauso wie ich, wenn die Töpfe stehen bleiben, der Wäscheständer, der Tiefengrund oder der Drucker. Wenn sie wegzuräumen wichtig genug für mich ist, werde ich das schon machen und bis dahin hat halt etwas anderes Priorität. Vielleicht meine Schubladen vielleicht aber auch auf der Couch liegen. Beides ist gleich gut, gleich wichtig, gleich fleißig.

Weil es um mich geht und um das, was mir gut tut. Manchmal ist das Aufräumen. Manchmal halt nicht.

Faulheit existiert nicht.

Faulheit ist nichts als das schlechte Gewissen, das wir uns als Gesellschaft selbst schaffen. Nichts als ein weiterer dieser sinnlosen Maßstäbe, die dazu dienen, uns voneinander abzugrenzen: Die „Guten“ und die „Faulen“… Da will man doch unbedingt bei den „Guten“ sein, nicht wahr?

Weißt du was? Komm‘ lieber zu den „Faulen“! Wir sind nämlich gar nicht faul, wir haben nur unsere eigenen Prioritäten.

Urlaub zuhause?

Urlaub zuhause?

9. August 2022 Claudia Unkelbach Comments 0 Comment

Ich habe im letzten Teil der neurodivergenten Urlaubstipps angesprochen, dass ein Urlaub zuhause vielleicht die bessere Entscheidung sein kann – oder auch gar nicht anders möglich ist. Jetzt ist Urlaub ohne wegfahren aber immer mit einer gewissen Enttäuschung und Unzufriedenheit verbunden, denn irgendwie verbinden wir Urlaub mit Wegfahren und sich zu Hause erholen, dort, wo ohnedies schon viel zu viel Stress herrscht – wie soll das gehen?

Deswegen jetzt meine Ideen für Urlaub zuhause!

Was macht Urlaub zu Urlaub?

Für mich heißt Urlaub erstmal „frei haben“ und ja, das klingt vielleicht ein bisschen merkwürdig von einer Person, die keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Wovon sollte ich frei haben? Vom Nichtstun?

Die Sache ist aber die: Ich tue ja überhaupt nicht nichts!

Ich organisiere mein und unser Leben, arbeite quasi konstant an meiner psychischen Gesundheit, manage meine Schmerzen, kümmere mich um den Haushalt und schreibe solche Texte. Frei haben heißt für mich daher: Ich lasse die Dinge, die ich ruhen lassen kann, ruhen.

Natürlich hören meine Schmerzen nicht einfach so auf, nur weil ich jetzt Urlaub habe, und auch meine Psyche hält sich nicht unbedingt an Urlaubszeiten, sondern wird auch im Urlaub getriggert und dann muss ich mich darum kümmern – hilft ja nichts. Und auch der Alltag ist ja nicht einfach weg – noch weniger, wenn ich nicht wegfahre, sondern zuhause bleibe.

Es läuft also auf eine Minimal-Lösung hinaus: So wenig wie möglich, so viel wie nötig.

Bei mir heißt das, ich kümmere mich für meine festgelegte Urlaubszeit nicht um E-Mails, Briefe, Telefonate, organisiere keine Termine und lege den Urlaub – oder die Termine – so, dass ich keine Termine IM Urlaub habe.

Frage dich also: Wo kannst du deinen Alltag in eine Art Urlaubsmodus versetzen? Was kannst du vielleicht für eine Weile ignorieren? Worum musst du dich nicht ständig oder sofort kümmern und kannst es auf später verschieben? Der Alltag geht natürlich nicht weg, aber vielleicht kannst du ihn dennoch auf „später“ verschieben.

Dir würde das im Nachhinein mehr Stress bereiten? Dann finde deine persönliche Variante davon!

Stressfaktoren herausfinden und reduzieren

Was stresst dich in deinem Alltag? Ja, ich weiß, das stressigste sind die Dinge, die nicht von dir beeinflussbar sind und die wirst du natürlich auch im Urlaub nur bedingt los, aber ich denke, wir alle haben auch Stressfaktoren, die wir selbst beeinflussen können.

Das sind die Dinge, die oft mit unserer eigenen Einstellung zusammenhängen. Vielleicht denkst du, dass es wichtig wäre, eine ordentliche Wohnung zu haben, aber in Wirklichkeit stresst dich das Aufräumen viel mehr, als dir die aufgeräumte Wohnung zurückgibt. Vielleicht kochst du zwar total gerne, aber es täglich tun zu müssen, bedeutet für dich Stress. Vielleicht steigst du täglich auf die Waage und wenn sie sich in die falsche Richtung bewegt, ist dein Tag schon gelaufen.

Was ich sagen möchte: Finde die Kleinigkeiten heraus, die dafür sorgen, dass du dich gestresst oder schlecht gelaunt fühlst und schmeiße sie (mindestens) für den Urlaub aus deinem Leben – es ist total okay, die Wohnung nicht aufzuräumen, zu snacken statt täglich zu kochen oder die Waage einfach mal zu ignorieren.

Entspannungsfaktoren suchen und verstärken

Hier geht es jetzt genau in die andere Richtung: Was tut dir gut? Was erholt dich? Was beruhigt dich? Wann fühlst du dich wohl?

Ich weiß, das sind oft Dinge, die wieder andere Sachen voraussetzen und auf umso mehr Arten wir eingeschränkt sind – finanziell, körperlich, sensorisch… -, umso mehr Möglichkeiten fallen natürlich weg. Ich möchte dich aber dazu anregen, nach den Dingen zu suchen, die dir trotz deiner Einschränkungen möglich sind, denn die gibt es, selbst wenn sie manchmal nur ganz klein und unscheinbar wirken.

Wenn du erstmal weißt, was dir guttut, dann nutze deinen Urlaub dafür, umso viel davon zu machen wie möglich – und das so oft wie es nur geht.

Ein zusätzlicher Tipp: Halte dich nicht an den Dingen fest, die dir früher möglich waren, es jetzt aber nicht mehr sind. Ich weiß, das ist unheimlich bitter und frustrierend und du musst darüber trauern. Du möchtest dir aber gerade etwas Gutes tun und deswegen: Schiebe das zumindest für jetzt beiseite!

Mach‘ es dir schön

Bist du gerne bei dir zuhause? Fühlst du dich dort wohl? Oder ist es eher so, dass du selbst bei dir zuhause nie ganz zur Ruhe kommst?

Dein Zuhause sollte der Ort sein, wo du wirklich gerne bist, wo du entspannen kannst und möglichst keinen Stress hast – nicht nur, wenn du den Urlaub dort verbringst, sondern immer. Es ist dein Rückzugsort.

Deswegen frage dich, ob und was dir fehlt, um zuhause wirklich zuhause zu sein. Vieles lässt sich nicht beeinflussen – die ewig lauten Nachbar*innen wirst du nicht loswerden und wenn du seit Wochen eine Baustelle vor der Tür hast, wird sie auch nicht einfach so verschwinden, weil dir das guttun würde.

Anderes aber kannst du verändern: Du fühlst dich in deinem Bett nicht wirklich sicher? Vielleicht hilft es dir, es an einen anderen Platz zu schieben? Du würdest gerne einem neuen Hobby nachgehen, aber dir fehlt der Platz? Vielleicht kannst du etwas umräumen oder ausmisten und dir so den Platz schaffen?

Oft reichen Kleinigkeiten aus, um etwas zu ermöglichen oder besser zu machen – du musst sie nur finden.

Schließe Frieden mit deiner Entscheidung

Ich weiß, es ist hart, wenn du gerne in den Urlaub fahren würdest – und das vielleicht auch alle um dich herum machen -, du es aber nicht kannst. Es ist vielleicht nicht wirklich (d)eine Entscheidung oder du triffst sie nur aus Vernunftgründen, leidest aber dennoch darunter.

Schließe Frieden damit.

Das klingt so banal, ist es aber überhaupt nicht. Sich mit ungewollten Entscheidungen zu arrangieren ist hart. Da steckt viel Trauer darin, viel Wut, viel Hilflosigkeit. Nichts ist so schwer auszuhalten, wie nichts tun zu können!

Das Problem ist nur: Du stresst dich damit! An der Situation ändert sich nichts, aber umso mehr du sie verabscheust, dich darüber ärgerst und darunter leidest, umso mehr stresst sie dich.

Ich sage nicht, dass in jeder Situation etwas Positives ist und du es nur finden musst; dem ist nicht so. Was du aber tun kannst, ist, für dich einen – vielleicht ja auch nur vorübergehenden – Frieden damit schließen. Ärgere dich nach deinem Urlaub wieder darüber, wenn du das möchtest, aber IM Urlaub, willst du dir Gutes tun und dich zu ärgern tut dir nicht gut.

Mach‘ es dir leicht

Weißt du, was einer der Hauptgründe ist, warum wir Wegfahren als Urlaub empfinden? Dass wir uns an weniger Regeln halten, die Dinge lockerer sehen, über die Stränge schlagen, uns etwas gönnen, nicht so sehr darüber nachdenken, ob wir das 2. oder 3. oder 4. Eis wirklich noch essen sollten, sondern es einfach tun.

Deswegen: Sei großzügig zu dir selbst und mache es dir leicht.

Du hast keinen Bock zu duschen, dabei ist das letzte Mal schon zwei, drei Tage her? Solange sich deine Mitbewohner*innen nicht beschweren oder du dich selbst damit unwohl fühlst: Dann duschst du halt morgen! Du möchtest Kuchen zum Frühstück? Ja, dann iss ihn doch! Du willst den ganzen Tag nackt auf der Couch liegen und deine Lieblingsserie gucken? Nur zu!

Solange du damit anderen nicht schadest: Lebe zumindest im Urlaub so, wie du es willst. Du wirst schon nicht verlottern, nur weil du mal ein paar Tage die Dinge locker nimmst und dich nicht an gesellschaftliche Normen und Regeln hältst, nicht fleißig bist und nicht an dir arbeitest.

Die Sache mit der Sehnsucht

Vollkommen egal, wie sehr du mit deiner Entscheidung Frieden geschlossen hast, wie wohl du dich bei dir Zuhause fühlst und was für erholsame Dinge du tust: Du wirst dennoch immer wieder Sehnsucht nach etwas anderem, nach dem, was nicht geht, haben.

Ich habe immer wieder Phasen, wo ich tagelang Reisen plane, weil ich mich so danach sehne – Reisen, die ich aber nie machen werden könne. Ich sage es ganz ehrlich: Das sind nicht meine besten Phasen und es fühlt sich überhaupt nicht gut an – aber sag das mal der Sehnsucht.

Es ist okay, Sehnsucht nach etwas anderem zu haben – auch und gerade, wenn es nicht für dich erreichbar ist und vielleicht auch nie sein wird. Verliere dich nur nicht in dieser Sehnsucht und versinke nicht in deiner eigenen Hilflosigkeit gegenüber der Situation.

Achtsamkeit und der Gedanken-Stopp

Wenn du merkst, dass deine Sehnsucht nach etwas unerreichbarem immer größer wird, gewöhne dir an, sie bewusst zu stoppen. Setze dir selbst ein klares, inneres Stopp-Zeichen. Das kann zum Beispiel so aussehen, dass du dir in Gedanken selbst sagst: „Stopp jetzt! Ja, das wäre alles total schön und ich denke auch gerne darüber nach, aber JETZT will ich mein Leben weiterleben!“ Und dann tust du das auch! Beschäftige dich mit etwas, denk‘ über etwas ganz anders nach, lass‘ die Gedanken nicht wieder rein.

Ich weiß, ich weiß, das klingt schräg! Es funktioniert aber! Wahrscheinlich nicht beim ersten Mal und auch nicht beim zweiten, aber nach einer Weile wird dir auffallen, dass es tatsächlich wirkt. Es ist eine Methode aus dem Achtsamkeitstraining und nennt sich „Gedanken-Stopp“ und ich setze sie mittlerweile sehr vielfältig ein – zum Beispiel auch um abends einschlafen zu können.

Das Bild von Urlaub verändern

Zuhause Urlaub zu machen ist oft keine wirklich freie Entscheidung. Sie ist den Umständen geschuldet, den eigenen eingeschränkten Möglichkeiten und Behinderungen. Zuhause Urlaub zu machen ist nicht das, was wir uns unter Urlaub wirklich vorstellen.

Ich will dich aber einladen, dein Bild von Urlaub zu verändern. Urlaub sollte deiner Erholung und Entspannung dienen. Erholung und Entspannung findest du aber auch außerhalb dessen, was uns als Urlaub verkauft wird!

Definiere Urlaub für dich neu! Finde die Dinge, die dir gut tun und dir (problemlos) möglich sind. Finde heraus, was dir Stress bereitet und von dir beeinflussbar ist und dann reduziere es, soweit du kannst. Halte dich nicht mit dem auf, was du nicht beeinflussen und verändern kannst, sondern suche nach dem, worauf du Einfluss hast!

Ich weiß, dass das alles nicht einfach ist und das eingeschränkte Möglichkeiten – egal aus welchem Grund – immer auch mit Schmerz, Trauer und Leid verbunden sind. Lass‘ dich davon aber bitte nicht abhalten, auch glücklich zu sein – auch wenn du andere Wege dafür brauchst.

Neurodivergente Urlaubstipps – Teil 3

Neurodivergente Urlaubstipps – Teil 3

5. August 2022 Claudia Unkelbach Comments 0 Comment

Das hier ist eine Aufstellung an Tipps, die MIR (mit ADHS, Autismus, einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung, einer sozialen Angststörung und chronischen Schmerzen) im und für den Urlaub helfen. Mir ist klar, dass vieles davon nicht für jede*n machbar ist – zum Beispiel aus finanziellen Gründen, weil Kinder mitbedacht werden müssen oder die persönlichen Bedürfnisse einfach ganz andere sind. Auch wird das, was für mich gut ist, nicht zwingend auch für dich gut sein. Neurodivergenz ist individuell und genauso sind unsere Probleme (und das, was uns keine Probleme bereitet) sehr individuell.

Verstehe das hier also bitte mehr als: „Da könnte ich mal darüber nachdenken, ob das auch was für mich wäre, oder wie ich es für mich anpassen könnte.“ anstatt als direkte oder ultimative Lösung.

Dieses Mal geht es darum, wie du deinen Urlaub für dich passend gestaltest.

Erholungszeit

Ich habe das schon in Teil 1 kurz angesprochen: Ich brauche mehr Zeit als andere, um mich von der Anreise zu erholen und einzugewöhnen. Es ist tatsächlich so, dass ich erstmal zwei bis drei Tage so gut wie gar nichts tue und erst dann offen für Urlaubserlebnisse bin.

In diesen ersten Tagen kümmere ich mich um Essen und verbringe die übrige Zeit mit den Dingen, die mir gerade gut tun. Und ja, das ist oft einfach nur herumliegen und fernsehen oder durch Instagram scrollen und daran ist überhaupt nichts schlecht. Körper und Geist brauchen einfach Erholung von den Reisevorbereitungen und der Reise selbst und möchten sich langsam an die neue Umgebung gewöhnen.

Aber auch danach brauche ich oft mehr Erholung als andere. Ich verbringe zwischen Unternehmungen oft Stunden mit „Nichtstun“, bin mal ganze Vor- oder Nachmittage nicht ansprechbar und bei langen Urlauben kommt es auch schon vor, dass ich zwischendurch einfach für zwei Tage nichts mehr tun kann: Erholungsmodus.

Jetzt ist das Bild von Urlaub natürlich durchaus, dass man sich dabei erholt, aber die Vorstellung, wie diese Erholung auszusehen hat, ist eher nicht, dass man im Bett oder auf der Couch herumliegt und fernsieht – da hätte man ja auch gleich zuhause bleiben können /hj (Tonindikator: half-joking) Wir stellen uns Erholung eher so vor, dass das gesamte Urlaubserlebnis Erholung zu sein hat: Ein anderer Ort, spannende Erlebnisse, gutes Essen, vielleicht am Strand liegen – das prägt unser Bild von Erholung(surlaub)!

Ich weiß nicht ob das bei anderen Menschen eher zutrifft, bei mir ist es definitiv nicht so. Urlaub ist Stress. Urlaub ist ohne Zweifel auch toll, er bringt mir viele tolle Momente und Erinnerung, aber als Erholung würde ich ihn wirklich nicht bezeichnen.

Mein Rat wäre daher: Freunde dich mit dem Gedanken an, dass du DEINE persönliche Form von Erholung finden musst und vollkommen egal, was für dich tatsächlich erholsam ist, es ist richtig! Auch im Urlaub.

Lass den Gedanken los, dass du im Urlaub etwas erleben oder Dinge tun musst. Höre auf deine Bedürfnisse! Du fühlst dich nicht so richtig fit? Mach‘ Pause! Du bist überreizt und überfordert? Mach‘ Pause! Dir ist gerade nicht nach einer Unternehmung? Mach‘ Pause!

Ehrlich. Du musst in deinem Urlaub keinen Besichtigungsrekord aufstellen oder alles, was nur irgendwie möglich erscheint, in deine Urlaubstage pressen. Es ist DEIN Urlaub und du holst das für dich Beste dadurch heraus, dass du auf dich und deine Bedürfnisse achtest – und wenn das bedeutet, dass du die Hälfte deines Urlaubs verschläfst, dann ist das eben so. Dein Wohlbefinden ist das Wichtigste.

Das ist unheimlich schwierig, weil wir es so gewohnt sind, vorgelebt zu bekommen, wie Urlaub angeblich zu sein hat – mit Party und Abenteuern und Erlebnissen -, dass wir denken, genau diese Dinge wären es, was einen Urlaub toll machen würde. Das stimmt aber überhaupt nicht. Urlaub ist dann toll, wenn es dir gut geht – und das hat meistens überhaupt nichts mit unserem Bild von Urlaub zu tun.

Wenn das bedeutet, dass der für dich beste Urlaub darin besteht, gar nicht erst in Urlaub zu fahren ist das übrigens genauso gut!

Urlaubserlebnisse

Wenn wir jetzt aber tatsächlich an einem anderen Ort sind und Lust haben, etwas zu tun – was wollen wir überhaupt tun?

Mein großer Tipp: Orientiere dich an deinen Spezialinteressen und an dem, was dir grundsätzlich Freude bereitet!

Bei mir ist das zum Beispiel nahezu alles, was mit Nahrungsmitteln und Kochen zu tun, dazu liebe ich Natur und Wasser, Säugetiere und Farben. Ich habe kein großes Interesse an den meisten klassischen Sehenswürdigkeiten und Touristenattraktionen – ganz abgesehen davon, dass diese sowieso oft total überlaufen sind und ich Menschenmassen hasse.

Klassische Reiseführer bringen mir daher nicht gerade viel. Was ich aber oft toll finde, sind Reiseführer, die Routen anbieten, um eine Stadt zu Fuß zu erkunden – da gibt es oft richtig spannende Orte zu entdecken.

Meistens gehe ich im Urlaub aber so vor, dass ich mir überlege, worauf ich gerade Lust habe und dann einen Ausflug mit Hilfe Google Maps plane. Ich habe Lust auf Wasser? Dann scrolle ich durch die Umgebung und suche nach Teichen oder Seen und wie ich dort hin komme. Ich hätte jetzt gerne ein Eis? Dann suche ich nach Eisdielen und wähle eine aus, die vielleicht ein Stück weiter weg ist, um mich auf dem Weg von der Umgebung überraschen zu lassen.

Ganz grundsätzlich folge ich oft Wegen, die spannend aussehen, auch wenn sie nicht direkt zum Ziel führen. Manchmal sind sie ein unnötiger Umweg, manchmal entdecke ich dabei großartige Orte, die ich sonst wahrscheinlich nie gesehen hätte.

Letzten Endes geht es immer nur um eines: Was würde dir gerade gut tun?

Du machst Urlaub, vergiss das nicht. Du hast nichts zu erledigen oder abzuarbeiten. Auch wenn du am historisch bedeutendsten Ort der Welt Urlaub machst: Es ist nicht deine Aufgabe, all die historischen Orte auch zu besichtigen! Selbst wenn du historische Orte liebst! Schau dir jene an, die dir am wichtigsten sind und selbst davon nur so viele, wie du wirklich genießen kannst – und den Rest kannst du vielleicht bei einem weiteren Urlaub in der Zukunft sehen.

Dir läuft nichts davon! Ehrlich. Auch wenn du mal irgendein Ereignis verpasst: Es wird andere dafür geben. Es geht nicht um ein spezielles, umwerfendes, einmaliges Urlaubserlebnis. Es geht um schöne Erinnerungen und die bekommst du in den Momenten, wo du es am wenigstens erwartest.

Planen oder nicht planen?

Meine ersten Urlaube als Erwachsene waren immer vollgestopft mit Plänen und Erlebnissen. Ich kaufte Reiseführer, las sie sorgfältig durch und dachte dann, ich müsste ganz, ganz viel aus diesem Reiseführer auch tatsächlich tun, alles besichtigen, alles erleben. So, als wäre der Reiseführer eine To-Do-Liste, die ich abzuarbeiten hatte.

Irgendwann fing ich dann – sehr zur Verwirrung anderer Menschen – damit an, KEINE Pläne mehr zu machen. Wenn man mich fragte, was ich am Urlaubsort alles geplant hätte, antwortete ich immer, dass ich keine Pläne hätte und einfach alles auf mich zukommen lassen würde. Nur um dann prompt eine Liste an Dingen zu bekommen, die ich unbedingt tun sollte, wenn ich dort wäre! Urlaubs-To-Do-Listen! It’s a thing!

Ich plane heute also eigentlich nicht mehr – ich recherchiere aber sehr, sehr viel. Egal also ob vorab oder erst direkt im Urlaub: Kommen wir zur Recherche.

Recherche

Mein bester Freund für die Recherche ist Google Maps. Nicht nur, dass ich darüber Wasserflächen und Parks – und auch gleich den Weg dorthin – finden kann, ich kann auch nach Lokalen und Geschäften suchen und bekomme bereits einen Einblick in das Angebot.

In Städten, in denen Street View funktioniert, ist auch das eine tolle Möglichkeit, um sich schon mal umzusehen und herauszufinden, wie zugänglich ein Ort ist.

Ich stöbere auch sehr gerne auf den Internetseiten von Unternehmen und Veranstaltern, denn so kann ich mich im Voraus auf das, was mich erwartet, vorbereiten – manchmal führen die Informationen (oder ihre Abwesenheit) aber auch dazu, dass ich einen Ort von Anfang an meide, weil ich bereits ahne, dass ich dort nicht klarkommen – oder mich nicht willkommen fühlen – werde.

Städte selbst bieten auf ihren Internetseiten oft Infos für Touristen an – die Qualität ist sehr unterschiedlich und natürlich stark an klassischen Touristeninteressen orientiert, aber es gibt dennoch immer wieder spannende Tipps. Auch Veranstaltungstermine finden sich meistens auf den Internetseiten der Städte – vielleicht ist ja was für dich dabei?

Wenn du ein Spezialinteressen hast, empfehle ich eine Internetsuche nach „Spezialinteresse + Reiseziel“. Oft findest du dann Tipps von anderen Menschen, die das selbe Interesse haben und vor Ort wohnen oder schon mal dort im Urlaub waren und lernst dadurch coole Orte kennen, die du sonst nicht gefunden hättest.

Planen!

So wenig ich auch ein Freund von festen Plänen für den Urlaub bin: Manchmal möchte man etwas unternehmen, für das man sich bereits im Vorfeld anmelden muss, Tickets benötigt oder was nur zu bestimmten Zeiten möglich ist. Da hilft dann alles nichts und das entsprechende Event muss im Voraus festgelegt werden.

Ich weiß mittlerweile aber, dass fixe Termine für mich sehr, sehr schwierig sind – ich kann einfach nie vorher wissen, ob ich zum entsprechenden Termin auch tatsächlich fit genug sein werde. Ich verzichte daher (zumindest derzeit) komplett auf so etwas.

Abgesehen davon bietet es sich oft an, Tickets für Sehenswürdigkeiten und Museen bereits im Voraus zu buchen. Oft kann man dann die lange Schlange am Eingang umgehen und eine „Fast Lane“ benutzen. Manchmal sind vorab gebuchte Eintrittskarten auch günstiger.

Viele Museen bieten darüber hinaus freien Eintritt an bestimmten Tagen – zum Beispiel montags oder am ersten Sonntag im Monat.

Von A nach B

Eine fremde Umgebung stellt immer gewisse Anforderungen an die Fortbewegung. Ich bin meistens zu Fuß unterwegs und freue mich sehr über die vielen unerwarteten Dinge, die ich so zu sehen bekomme. Zur Navigation nutze ich meistens Google Maps – allerdings ohne mich tatsächlich navigieren zu lassen, sondern mehr wie eine gute, alte Landkarte.

Ich bin aber nicht nur wegen der schönen Umgebung zu Fuß unterwegs oder weil ich halt einfach gerne zu Fuß gehe, sondern auch, weil ich immer erst meine Scheu vor Menschen und öffentlichen Verkehrsmitteln bekämpfen muss. Zu Fuß ist der Unternehmungsradius allerdings etwas begrenzt und so schaffe ich es meistens erst im späteren Verlauf des Urlaubs, auch Dinge, die weiter weg sind zu unternehmen.

Die meistens Städte habe ein eigenes System an öffentlichen Verkehrsmitteln mit eigenen Abrechnungssystemen und man muss sich an jedes einzelne davon erst einmal gewöhnen. Normalerweise gibt es aber eine dazugehörige App, die auch eine Fahrplanauskunft beinhaltet und über die man Tickets kaufen kann. Es kann sich lohnen, sich die App schon im Vorfeld zu installieren, sich eventuell anzumelden und sich schon einmal mit ihr vertraut zu machen.

In manchen Städten benötigt man spezielle Karten, um die öffentlichen Verkehrsmittel zu benutzen. Diese kann man meistens an Automaten am Bahnhof oder an größeren Haltestellen kaufen und eventuell aufladen. In London zum Beispiel genügt aber auch eine Kreditkarte mit NFC, um jederzeit Fahrkarten zu lösen.

Google Maps ist auch für öffentliche Verkehrsmittel hilfreich und bietet inzwischen in vielen Städten und Regionen Fahrplanauskünfte!

Falls Leih-Räder oder -Roller eine Möglichkeit für dich sind: Auch die gibt es in vielen Städten und du kannst sie über Apps ausleihen.

Essen im Urlaub

Obwohl ich unheimlich gerne neues Essen ausprobieren, bin ich halt trotzdem Autistin und umso gestresster ich bin, umso eher möchte ich mein Safe Food. Da gerade die ersten Urlaubstage immer Stress bedeuten ernähre ich mich an diesen Tagen oft sehr eingeschränkt.

Ich mag es, noch am ersten Urlaubstag – nachdem ich das Reisegepäck in der Unterkunft abgestellt habe – in einen Laden zu gehen und etwas zu essen zu kaufen. Das ist dann erstmal nur Safe Food und vielleicht ein bisschen Obst, aber damit komme ich über die ersten paar Tage.

Wenn einkaufen für dich stressig ist: Nimm dir doch was von zuhause mit, mit dem du dich ganz sicher wohl fühlst!

Im späteren Urlaubsverlauf gehe ich dann durchaus auch mal essen – zumindest, wenn der Ehemann dabei ist, denn alleine fällt mir das oft sehr schwer. In den meisten Urlauben koche ich aber in erster Linie selbst oder esse Brot/Brötchen mit Belag – deswegen ist es für mich bei der Unterkunft auch so wichtig eine Küche, oder zumindest einen Kühlschrank zu haben!

Ich denke, die Essensfrage im Urlaub ist sehr stark davon abhängig, was für dich weniger Stress ist (selber kochen oder essen gehen) und was dir an Geld zur Verfügung steht, denn Essen ist leider auch immer eine Preisfrage.

Wenn du dich sowieso schon gestresst fühlst und das ganze Thema Essen dich noch zusätzlich stresst: Es ist auch total in Ordnung einen ganzen Urlaub lang, nur dein(e) Safe Food(s) zu essen! Echt. Das ist ja kein dauerhafter Zustand, sondern ein vorübergehender Urlaub und wie immer ist das wichtigste dabei, dass du dich wohlfühlst. Wenn das über dein Safe Food funktioniert, dann iss es!

Wenn du gerne kochst sind lokale Läden und Märkte immer ein toller Ort – und wenn du vom Schauen und Riechen schon total überfordert bist, dann kaufst du dort vielleicht trotzdem nichts, sondern bleibst lieber bei deinem Safe Food. Auch das ist überhaupt nicht schlimm.

Auch Convenience Food – vorgeschnittenes Obst, fertige Salate, belegte Brote – ist oft extrem praktisch im Urlaub!

Trinken – auch für unterwegs

Ich trinke hauptsächlich Wasser und habe auch immer eine Wasserflasche mit, die ich einfach mit Leitungswasser fülle. Manchmal schmeckt mir das Wasser am Urlaubsort aber nicht und nachdem ich mich einmal tagelang damit gequält habe, dieses Wasser trotzdem zu trinken, mache ich es jetzt so, dass ich in so einem Fall eben Wasser oder andere Getränke kaufe. Klingt total simpel, aber manchmal braucht ein neurodivergentes Gehirn dafür eine Erlaubnis.

Auch unterwegs habe ich meine Wasserflasche mit – manchmal nur halb gefüllt, wenn ich nicht so viel tragen kann. Man kann die Wasserflasche meistens unterwegs auffüllen, zum Beispiel am Waschbecken von (öffentlichen) Toiletten, bei speziellen Trinkbrunnen oder es gibt Läden, wo man die Wasserflasche wieder füllen lassen kann – und die ich wegen meiner sozialen Angststörung natürlich noch nie ausprobiert habe. Aber es gibt sie!

Ansonsten: Kauf dir was zu trinken! Echt. Kopfschmerzen wegen zu wenig Flüssigkeit sind uncool.

Die Comfort Zone (nicht) verlassen

Ich weiß, viele Menschen nutzen den Urlaub, um aus ihrer „Comfort Zone“ zu kommen. Wenn du neurodivergent oder auf andere Weise marginalisiert bist, ist es aber häufig so, dass ohnedies große Teile deines Lebens außerhalb deiner Comfort Zone ablaufen. Daher bitte: Stresse dich im Urlaub nicht zusätzlich damit, dass du dich dazu zwingst, Dinge zu tun, die dir schwerfallen. Bleibe ruhig IN der Comfort Zone. Tue das, von dem du weißt, dass du dich damit wohlfühlst. Urlaub ist Erholung, kein Selbstoptimierungstrip!

Dein Urlaub hat nur eine Aufgabe: DIR gut zu tun. Alles, was dazu beiträgt ist eine gute Maßnahme und es ist vollkommen egal, wie passend das für einen Urlaub erscheint. Wenn es für dich passt, dann ist es richtig.

Schlusswort

Urlaub stellt uns vor viele Herausforderungen und selbst wenn wir wissen, was uns gut tut, sind uns oft finanzielle – oder andere – Grenzen gesetzt und wir können unseren Urlaub nicht so gestalten, wie wir das brauchen würden.

Gerade dann ist es aber umso wichtiger, herauszufinden, was für dich persönlich wichtig ist und was du benötigst, um dich erholen zu können, deswegen will ich dich darin bestärken, deine ganz eigene Art von Urlaub für dich zu (er)finden. Wenn es dir hilft, dann fahre alleine, mache Urlaub „gleich ums Eck“, liege drei Tage im Bett und schaue fern und iss dabei nichts als dein Safe Food!

Wenn Geld, Zeit und Nerven aber gar keinen Wegfahr-Urlaub zulassen – oder du so viele Abstriche machen müsstest, dass er mehr Stress als Urlaub wäre: Vielleicht kannst du dein Zuhause für die Urlaubszeit so gestalten, dass du dort Abstand vom Alltag bekommst.

Das ist nämlich das, was Urlaub für uns zum Urlaub macht: Alles für eine Weile zurücklassen, Post, Termine und Verpflichtungen ignorieren und die Außenwelt einfach außen sein lassen, denn im Urlaub geht es um uns. Nur um uns.

Neurodivergente Urlaubstipps – Teil 2

Neurodivergente Urlaubstipps – Teil 2

4. August 2022 Claudia Unkelbach Comments 0 Comment

Das hier ist eine Aufstellung an Tipps, die MIR (mit ADHS, Autismus, einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung, einer sozialen Angststörung und chronischen Schmerzen) im und für den Urlaub helfen. Mir ist klar, dass vieles davon nicht für jede*n machbar ist – zum Beispiel aus finanziellen Gründen, weil Kinder mitbedacht werden müssen oder die persönlichen Bedürfnisse einfach ganz andere sind. Auch wird das, was für mich gut ist, nicht zwingend auch für dich gut sein. Neurodivergenz ist individuell und genauso sind unsere Probleme (und das, was uns keine Probleme bereitet) sehr individuell.

Verstehe das hier also bitte mehr als: „Da könnte ich mal darüber nachdenken, ob das auch was für mich wäre, oder wie ich es für mich anpassen könnte.“ anstatt als direkte oder ultimative Lösung.

Die Urlaubstipps beziehen sich auf Urlaub mit dem Auto oder dem Zug, in erster Linie innerhalb Deutschlands, mit Übernachtung in einem Airbnb und mit einer Aufenthaltsdauer von einer Woche oder mehr.

Reisegepäck

Sofern du nicht mit dem Auto in Urlaub fährst, versuche immer, dein Gepäck so weit wie möglich zu reduzieren! Ich verreise normalerweise mit einem Koffer, einem Rucksack und einer kleineren Tasche oder einem kleineren Rucksack, die ich aber im Koffer transportiere, um nicht zu viele Gepäckstücke zu haben.

Wähle Gepäckstücke aus, die du gut transportieren kannst und in denen dein Gepäck sicher verstaut ist. Ich bevorzuge Koffer, am liebsten mit 4 Rollen – weiche Rollen machen weniger Lärm, gehen aber schneller kaputt. Es gibt auch Reisetaschen mit Rollen, wobei ich zwar die Rollen praktisch finde, aber in Taschen fliegt meistens alles wild herum. Als „Handgepäck“ liebe ich Rucksäcke, weil sich das Gewicht gut verteilt und man immer die Hände frei hat.

Wenn ich mein Gepäck unterwegs nicht ständig im Auge haben kann, weil es zum Beispiel auf einer Sammelablage im Zug liegt oder ich es für den Flug aufgebe, dann verwende ich Schlösser. Mein Lieblingskoffer hat ein integriertes Schloss, für den Rucksack habe ich ein kleines Vorhängeschloss, dass sich mit Fingerabdruck entsperren lässt.

Außerdem verwende ich als kleine Tasche für den Urlaubsalltag (und auch für den normalen Alltag) eine Tasche von Pacsafe. Die haben sich auf Taschen mit Diebstahlsicherung spezialisiert und zum Beispiel Drähte in den Umhängeschlaufen, ein Drahtgewebe unter dem Stoff oder clevere Reißverschluss-Lösungen, die man sicherer verschließen kann. Seit mir in Paris mein Portemonnaie aus einer ganz normalen Handtasche geklaut wurde, verwende ich nur noch Pacsafe-Taschen und fühle mich damit deutlich sicherer.

Koffer packen

Ich kann Koffer packen nicht ausstehen und schiebe es meistens bis zum letztmöglichen Zeitpunkt hinaus – sprich bei Autofahrten bis zum Tag der Abfahrt, bei Zugfahrten bis zum Vorabend. Ich mache mir allerdings im Vorfeld schon oft Gedanken darüber und weiß dadurch bei vielen Dingen schon, dass sie mitkommen sollen – oder nicht.

Grundsätzlich: Ich erstelle Stapel für alles, was ich mitnehmen möchte und ordne es dabei in Kategorien, die für mich Sinn ergeben. Erst, wenn ich alle Stapel fertig habe, packe ich sie in den Koffer – ohne Packwürfel, weil ich die nicht mag.

Normalerweise passt das. Manchmal muss ich danach noch reduzieren – und reduzieren heißt, dass ich schaue, dass ich nach dem Packen noch freien Platz im Koffer habe, denn es gibt immer Urlaubsmitbringsel und wir haben bereits mehr Taschen, als wir je verwenden können, weil wir regelmäßig IM Urlaub welche nachgekauft haben, weil wir keinen Platz mehr hatten.

Meine Stapel (die beziehen sich auf Auto- oder Zugfahrten, beim Fliegen ist es oft komplizierter wegen Handgepäck und Flüssigkeiten usw.):

Medikamente

Meine Medikamente sind super wichtig und ich darf sie auf keinen Fall vergessen, daher ist das der allererste Stapel, um den ich mich kümmere. Ich packe alle meine täglichen Medikamente in Tablettenboxen und ich verwende so viele, wie ich brauche, um den gesamten Urlaub abzudecken. Dazu kommen ein paar Hilfsmittel (z.B. Nadeln für den Insulin-Pen), die ich in Zip-Lock-Beuteln transportiere. Wenn du Medikamente hast, die gekühlt werden müssen: Ein Kühlkissen hilft da schon.

Ansonsten nehme ich Medikamente mit, die ich häufig benötige, wie:

  • Wund- und Heilcreme (z.B. Bepanthen)
  • Aciclovir (Herpescreme)
  • Schmerzmittel
  • Fenistil (bei Insektenstichen und allergischen Reaktionen)
  • Otriven (Nasenspray)
  • Pflaster

Alles, was rezeptfrei ist, lässt sich aber meistens auch problemlos vor Ort in einer Apotheke kaufen, wirklich wichtig sind deine rezeptpflichtigen Medikamente.

Wichtig! Denke rechtzeitig daran, Rezepte und Medikamente nachzubestellen, damit du über den gesamten Urlaub kommst!

Kleiner Hinweis für Auslandsreisen mit Medikamenten, die unter das Betäubungsmittelgesetz fallen (alles, wofür du ein Betäubungsmittel-Rezept bekommst): Es gibt dafür bestimmte Regeln und du benötigst eine Bescheinigung. Die Bescheinigung muss dein*e Arzt*Ärztin ausfüllen und sie muss von der für dich zuständigen Behörde beglaubigt werden! Du findest die Bescheinigung und eine Liste der zuständigen Stellen beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Grundsätzlich darfst du im Schengen-Raum Betäubungsmittel für bis zu 30 Tage mitnehmen. Kümmere dich frühzeitig um diese Bescheinigung!

Kulturbeutel

Wir haben einen Kulturbeutel, in dem der Reisebedarf dauerhaft verstaut ist: Vor allem Zahnbürsten und -creme, Rasierbedarf, Bürste, Shampoo, Sonnencreme, Nagelset (super praktisch). Ich schaue diesen Kulturbeutel vor der Abreise noch mal durch, aber es ist bei den wenigsten Dingen dramatisch, wenn sie fehlen, denn man kann sie im Normalfall vor Ort nachkaufen.

Von daher: Achte darauf, dass du die Produkte, die schwierig zu besorgen sind, mit hast, bei allen anderen ist es nicht so wichtig.

Klamotten

Du brauchst weniger als du denkst. Wenn du eine Waschmaschine in deiner Unterkunft hast, brauchst du noch weniger.

Wann immer ich kann, wähle ich eine Unterkunft mit Waschmaschine, dadurch muss ich deutlich weniger mitnehmen. Ich verreise meistens im Frühsommer oder -herbst und dafür packe ich ein:

  • 4 x Unterwäsche + Socken
  • 2 x Hosen
  • 1 x Rock (weil ich Röcke mag, sonst einfach weglassen)
  • 4 x Shirts
  • 1 x Schlafshirt
  • 2 x „Schlumpf“-Klamotten (Sachen, die ich nur zuhause trage, die super bequem sind und die gerne auch dreckig werden dürfen)
  • 1 x Schuhe
  • 1 x Jacke oder Cardigan

Die Shirts müssen zu allen Hosen und Röcken passen, ebenso die Socken und Schuhe. Alles (außer Schlaf- und Schlumpf-Sachen) muss miteinander kombinierbar sein, so dass ich beliebig wechseln kann. Und alles müssen Dinge sein, die ich WIRKLICH gerne trage! Es ist hübsch, aber unbequem? Es bleibt da! Das gilt auch für Schuhe.

Nimm unbedingt bequeme Schuhe mit! Am besten sowohl die, die du im Koffer hast, als auch die, die du für die Reise anziehst. Bei mir ist das meistens ein paar bequeme Sandalen und ein Paar Sportschuhe. Lass Schuhe, bei denen du dir nicht sicher bist, ob du blasenfrei längere Strecken laufen kannst, direkt zuhause – egal, wie hübsch sie sind! (Ich spreche aus Erfahrung xD)

Periodenzeit

Wenn ich weiß, dass ich im Urlaub meine Periode bekommen werde, kommen zusätzlich meine Menstruationstasse und Menstruationsunterwäsche mit, sowie ein Badetuch, das ich nachts im Bett unterlegen kann. Ich fühle mich dann sicherer, auch wenn ich dank Menstruationstasse kaum noch Probleme habe.

Technik

Eine Mehrfachsteckdose ist im Urlaub oft praktisch – wir verwenden mittlerweile aber ein USB-Ladegerät, das je zwei USB-C- und USB-A-Anschlüsse hat und zwei Ladekabel, die USB-C- und Mikro-USB-Anschlüsse kombinieren, so dass wir Laptop, Handys, Tablets und Noise-Cancelling-Kopfhörer damit laden können. Zusätzlich nehmen wir die Ladekabel für unsere Smartwatches mit (die leider jeweils ein ganz eigenes System haben).

Außerdem haben wir ein bis zwei einzelne USB-Netzteile mit für alles, was vielleicht an einer anderen Stelle Strom bekommen soll.

An Geräten nehmen wir unsere Smartphones, die Laptops, die Tablets und die Noise-Cancelling-Kopfhörer mit. Wir sind allerdings ein Geek-Haushalt und so kommen bei uns auch noch ein kleiner Echo und ein Chromecast mit in den Urlaub.

Bei langen Ausflügen kann eine Powerbank echt hilfreich sein.

Wenn ich genug Platz habe, packe ich auch gerne noch anderen technischen Kram ein (der Insektenvernichter ist z.B. echt toll!), gebe aber zu, dass das nicht unbedingt notwendig ist.

Unterhaltung + Stim Toys

Meine liebsten Stim Toys kommen mit in den Urlaub, ebenso wie ein paar Dinge für meine aktuellen Hyperfixierungen. Dieses Mal waren das Stifte und Papier und Sachen zur Schmuckherstellung, letztere habe ich dann aber überhaupt nicht verwendet und eigentlich hatte ich das auch beim Packen schon vermutet, aber konnte sie dennoch nicht zuhause lassen.

Bücher lesen wir fast nur noch elektronisch, das geht auf dem Tablet sehr gut, wobei der Ehemann seinen E-Book-Reader mithatte.

Durch den Chromecast können wir auch im Urlaub am Fernseher Serien oder Filme streamen – geht natürlich auch am Laptop.

Nimm Dinge mit, die dir guttun, die dich entspannen und ausgleichen und die dir vertraut sind – und es sollten die Dinge sein, die du tatsächlich aktuell gerne verwendest, sonst geht es dir wie mir mit Schmucksachen, die ich einfach nur einmal hin und her transportiert habe.

Dokumente

Die meisten solcher Listen beginnen ja mit den Dokumenten, die man mitnehmen soll, aber für mich sind das entweder Dinge, die ich sowieso bei mir habe (Personalausweis oder Krankenkassenkarte sind zB im Portemonnaie und das kommt sowieso mit) oder die ich in digitaler Form habe. Buchungsbestätigungen habe ich als E-Mails vorliegen, im Voraus gekaufte Tickets funktionieren meistens direkt über QR-Code oder lassen sich notfalls vor Ort ausdrucken.

Vor größeren Reisen mache zusätzlich Fotos meiner wichtigsten Dokumente und speichere sie in der Cloud.

Sonstiges

Ich finde es immer praktisch, eine Wasserflasche dabei zu haben, außerdem einen Stift und irgendeine Form von Papier und in meiner Tasche finden sich immer ein bis zwei kleine, zusammenlegbare Taschen für Einkäufe.

Wenn ich weiß, dass ich eine Küche haben werde, packe ich immer mein liebstes Kochmesser (in Geschirrtücher gewickelt) ein. Meistens auch noch ein kleines Messer und meinen Kartoffelschäler (weil ich da ein bestimmtes Modell bevorzuge, aber die Einzige zu sein scheine, die dieses Modell mag) und den verstellbaren Hobel. Dieses Mal hatte ich auch noch mein Schneidebrett dabei, aber das geht wirklich nur, wenn wir mit dem Auto in Urlaub fahren.

Die Frage ist einfach: Was brauchst du für diesen Urlaub sonst noch?

Was vergessen?

Es ist nicht weiter schlimm, wenn du etwas vergisst, weil sich die meisten Dinge im Notfall vor Ort beschaffen lassen – gerade Körperpflegeartikel sind – sofern du nicht ganz spezielle verwendest – überhaupt kein Problem. Klamotten sind für mich auf Grund meiner Kleidergröße schwieriger, Schuhe wiederum sind unproblematisch. Deine elektronischen Geräte solltest du nicht vergessen – Ladekabel wiederum kannst du einfach vor Ort kaufen.

Gibt es das, was du benötigst nicht vor Ort, hast du – selbst ohne Postanschrift am Urlaubsort – die Möglichkeit, online zu bestellen.

Packstation

Innerhalb Deutschlands kannst du als registrierte*r Packstation-Kund*in jede beliebige Packstation nutzen, um deine Pakete dorthin liefern zu lassen. Du brauchst dafür die Post&DHL-App und musst dich VOR der Reise als Packstation-Kund*in registrieren – du bekommst im Registrierungsvorgang eine PIN per Brief.

Wenn du registriert bist, kannst du jede beliebige Packstation verwenden und musst nur die Nummer der gewünschten Packstation (findet sich auf der Packstation oder online) und deine Postnummer (die findet sich in der App unter „Mehr“) angeben.

Es liefern allerdings nicht alle Shops an Packstationen.

Amazon Locker

Die zweite Möglichkeit ist eine Bestellung über Amazon mit Lieferung an einen Amazon Locker. Davon gibt es meistens mehrere pro Stadt und du kannst dir den für dich am besten gelegenen aussuchen und deine Bestellung einfach dorthin schicken lassen.

Wenn sie geliefert wurde, bekommst du eine Benachrichtigung per Mail, in der du einen Abholcode findest, den gibst du am Locker ein, das entsprechende Fach geht auf und du bekommst dein Paket.

Gerade bei vergessenem Elektronikzubehör ist das oft eine großartige Lösung.

Voraus denken

Was du bereits vor dem Packen erledigen solltest:

  • Dauermedikation für die gesamte Urlaubsdauer nachbestellen
  • Evtl. Betäubungsmittelbescheinigung besorgen
  • Schauen, ob dein Personalausweis oder Reisepass noch gültig sind
  • Tickets für Veranstaltungen buchen und evtl. ausdrucken
  • Evtl. für den Packstation-Service anmelden

Teil 3

Alles was „im Urlaub“ betrifft, packe ich mal in einen dritten Teil – das hier wird schon wieder deutlich länger, als ich dachte.

Neueste Beiträge

  • Deine Neurodivergenz macht dich nicht zum Safe Space
  • Selbstdiagnosen SOLLTEN ein Trend sein!
  • Picture-perfect love🤍
  • Autistische Menschen sind ja so anstrengend
  • Behinderung(en) und unserer Partnerschaft

Kategorien

  • Allgemein
  • Behinderung
  • Gesellschaft
  • Kommunikation
  • Neurodivergenz
    • ADHS
    • Allgemein
    • Autismus
    • Tipps

Archiv

  • März 2023
  • Februar 2023
  • Januar 2023
  • Dezember 2022
  • November 2022
  • Oktober 2022
  • August 2022
  • Juli 2022
  • Juni 2022
  • Mai 2022
  • April 2022
© 2023   All Rights Reserved.