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My neurodivergent life is a piece of art

Neurodivergente Urlaubstipps – Teil 1

Neurodivergente Urlaubstipps – Teil 1

31. Juli 2022 Claudia Unkelbach Comments 0 Comment

Das hier ist eine Aufstellung an Tipps, die MIR (mit ADHS, Autismus, einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung, einer sozialen Angststörung und chronischen Schmerzen) im und für den Urlaub helfen. Mir ist klar, dass vieles davon nicht für jede*n machbar ist – zum Beispiel aus finanziellen Gründen, weil Kinder mitbedacht werden müssen oder die persönlichen Bedürfnisse einfach ganz andere sind. Auch wird das, was für mich gut ist, nicht zwingend auch für dich gut sein. Neurodivergenz ist individuell und genauso sind unsere Probleme (und das, was uns keine Probleme bereitet) sehr individuell.

Verstehe das hier also bitte mehr als: „Da könnte ich mal darüber nachdenken, ob das auch was für mich wäre, oder wie ich es für mich anpassen könnte.“ anstatt als direkte oder ultimative Lösung.

Reisezeit

Meine perfekte Reisezeit ist der September, alternativ Mitte April bis Mitte Mai. Da ist das Wetter meistens ziemlich gut und die Temperaturen sind angenehm. Im Sommer (Mitte Mai bis August) ist es mir zu heiß, im Winter (November bis Februar) mag ich selten nach draußen – in diesen Monaten versuche ich Reisen also grundsätzlich zu vermeiden.

Die grundsätzliche Frage dabei ist: Zu welcher Jahreszeit fühlst du dich am wohlsten? Bist du eher Typ „Sommer und warm“ oder magst du Temperaturen um die 20 Grad? Wähle deine Reisezeit so aus, dass Wetter und Temperaturen am Reiseziel für dich passen (sollten).

Aufenthaltsdauer

Ich habe früher immer Kurz-/Wochenendtrips unternommen, weil ich dachte, das wäre perfekt, um mein Zuhause nicht zu lange zu vermissen. Inzwischen weiß ich aber: Das Gegenteil ist der Fall. Kurztrips stressen mich SEHR!

Ich brauche nach der Anreise erstmal mindestens zwei, eher drei Tage, um mich von der Reise zu erholen und mich in einer neuen Umgebung einzuleben. Meine optimale Reisedauer liegt also schon mal bei mehr als vier Tagen, weil ich sonst schlichtweg gar nichts vom Urlaub habe. Optimal für mich sind 10 bis 14 Tage, ich verreise aber wenn es möglich ist auch gerne noch länger. Das längste waren bisher 4 1/2 Wochen und das gefiel mir sehr.

Die wichtige Frage ist hierbei: Wie lange brauchst du, um wirklich anzukommen? Wenn du das bisher nicht in deinen Urlaub einplanst, versuche vielleicht mal deine übliche Urlaubsdauer um diese Zeit (am besten plus einen zusätzlichen Tag) zu verlängern und schau, ob das für dich gut ist, oder du es doch lieber kürzer (oder vielleicht noch länger) magst.

Und dann nimm dich an deinen „Ankunftstagen“ tatsächlich zurück: Ruh‘ dich aus, erhole dich, komm‘ an. Du hast noch genug Zeit um alles zu erleben!

Grundsätzlich: Umso mehr dich Urlaubsvorbereitungen und Anreise stressen, umso eher würde ich selteneren, aber dafür längeren Urlaub empfehlen.

Urlaubsort

Ich bevorzuge Großstädte – sofern sie nicht ZU groß sind. So von 200.000 bis max. 2 Millionen Einwohner*innen fühle ich mich (im Urlaub) am wohlsten. Wenn es dann noch Wasser und viele Parks gibt und vieles fußläufig erreichbar ist, bin ich glücklich. Am meisten mochte ich Bordeaux, Paris und Wien und auch Wiesbaden ist echt toll. London und Berlin waren mir hingegen zu groß (sie sind trotzdem cool).

Ich mag keinen reinen „Badeurlaub“, sondern will was „sehen“, wobei ich mir nichts aus Sehenswürdigkeiten mache, aber halt auch nichts aus am Strand herumliegen – bei 7 Tagen am Strand würde meine ADHS wahrscheinlich vor Langeweile toben. Am liebsten laufe ich einfach durch die Stadt, folge vielleicht grob einem Ziel oder einer spannend aussehenden Straße – oder dem Klang von Musik oder der Aussicht auf Wasser.

Die Hauptfrage hierfür ist: Was macht dir in deinem Alltag Freude? Was interessiert dich? Was stresst dich? Du willst deinen Urlaub so gestalten, dass du Dinge tun kannst, die dir IMMER Spaß machen. Keine Experimente – außer natürlich, du liebst Experimente.

Badeurlaub ist nichts für Menschen, die es schon hassen, einen Nachmittag im Freibad zu verbringen und ruhiges Landleben kann für ADHSler*innen schnell mal zu langweilig werden. Großstädte wiederum überfordern reizüberflutete Autist*innen sehr leicht.

Unterschätze nicht den Faktor Erreichbarkeit! Wenn du lange Fahrten hasst, wirst du mit einem Urlaub in deiner Nähe deutlich glücklich sein. Wenn du mit der Bahn anreist, suche dir ein Urlaubsziel, das für dich gut und unproblematisch mit dem Zug erreichbar ist.

Wichtig ist: Du wirst im Urlaub nicht plötzlich an den Dingen Freude haben, die dich sonst langweilen, nur weil sie zu deinem Bild von Urlaub dazugehören. Ich mag zum Beispiel das Bild von einem Urlaub, wo ich auf einer einsamen Almhütte bin und den ganzen Tag über die Wiesen schaue und nichts tue. In Wirklichkeit würde ich mich furchtbar langweilen (und dann vielleicht wandern gehen und mich ärgern, dass ich das nicht gleich in einer flacheren Umgebung angefangen habe).

Reisebegleitung

Klingt vielleicht hart, aber meine beste Reisebegleitung ist: Niemand.

Nicht nur brauche ich sehr viel Ruhe und Zeit nur für mich, ich mag noch zusätzlich, dass ich mich nicht an andere Menschen anpassen muss, mich nicht um ihre Vorlieben sorgen muss, mich nicht mit ihnen abstimmen muss, sie schlichtweg einfach nicht berücksichtigen muss. Ich fahre gerne mit dem Ehemann in Urlaub, denn es ist auch schön, Erlebnisse zu teilen (und momentan hilft seine Anwesenheit mir enorm bei meiner Angststörung), aber am liebsten ist mir dennoch ein Urlaub ganz alleine und ich hoffe, dass auch das irgendwann wieder für mich möglich sein wird.

Frage dich auch hier, wie du dich am wohlsten fühlst: Wenn du viel Zeit alleine brauchst und möchtest, kann ein Urlaub alleine großartig für dich sein. Ich liebe es, alleine in Urlaub zu fahren, kann das momentan wegen meiner sozialen Angststörung aber nicht. Bei mir ist der Ehemann aber ein sehr guter Reisepartner.

Hast du – so wie ich derzeit – Angst, alleine unterwegs zu sein, dann nimm jemanden mit, aber achte darauf, dass du dich in der Nähe deiner angedachten Reisebegleitung auch wirklich entspannt fühlst, dass du deine Bedürfnisse kommunizieren kannst und dich nicht schlecht fühlst, wenn du gerade etwas nicht kannst, Unterstützung brauchst oder andere auf dich Rücksicht nehmen sollen.

Es kann auch hilfreich sein, bereits im Vorfeld darauf hinzuweisen, dass du Zeit alleine brauchen wirst, oder vielleicht nicht jeden Tag etwas unternehmen wirst wollen, dass du dich vielleicht häufiger ausruhen möchtest oder bei manchen Dingen Unterstützung brauchen wirst.

Unterkunft

Ich fühle mich am wohlsten, wenn keine anderen Menschen in der Nähe sind. Das schließt viele Unterkunftsmöglichkeiten von Anfang an aus. Wenn der Ehemann dabei ist (und im absoluten Notfall auch alleine), ist Hotel akzeptabel, meine liebste Variante ist aber Airbnb (und Vergleichbares) – noch lieber, wenn man eigenständig einchecken kann und somit gar keinen Kontakt mit Menschen haben muss.

Weitere Vorteile daran sind, dass ich eine Küche zur Verfügung habe und ich achte meistens darauf, auch eine Waschmaschine zu haben – das spart enorm viel Gepäck und erleichtert das Leben sehr. Außerdem sind es Vermieter*innen auf Airbnb gewohnt, dass man schriftlich mit ihnen kommuniziert, man sieht vor dem Buchen sämtliche Kosten und Verfügbarkeiten. Die Option „sofort buchen“ ist dabei deutlich angenehmer, als Buchungen anfragen zu müssen – letzteres ist für mich sehr anstrengend.

Ich suche mir meistens Unterkünfte, die entweder in (fußläufiger) Zentrumsnähe sind oder so gelegen, dass sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln leicht zu erreichen sind – bei Anreise mit dem Auto auch so, dass sie Parkmöglichkeiten haben (siehe auch unter „Anreise“). Auch ein Park oder Wasser in der Nähe ist immer gut.

Grundsätzlich ist die Unterkunft natürlich der Faktor, der am meisten ins Geld geht und mit dem ich mich am wohlsten fühlen muss und damit auch der, mit dem ich am längsten beschäftigt bin. Ich stöbere oft wochenlang auf Airbnb, bis ich etwas finde, mit dem ich zufrieden bin.

Grundsätzlich: Länger im Voraus zu planen hilft sehr! Und das bei allen möglichen Formen von Unterkünften.

Billiger wird es natürlich, wenn Jugendherbergen oder Campingplätze für dich okay sind. Auch Hotels können (vor allem wenn man alleine reist) zum Teil deutlich günstiger sein. Airbnb-Vermieter*innen bieten aber oft Rabatte für längere Aufenthalte an.

Anreise

Ich reise äußerst ungern mit dem Flugzeug (obwohl ich fliegen an sich liebe). All das „Drumherum“ stresst mich enorm. Da muss ich auch noch überlegen, wie ich denn zum Flughafen komme, dann muss ich einchecken, durch die Security, aufs Boarding warten, auf den Start warten und so weiter. Fliegen ist in so viele einzelne Schritte aufgeteilt, dass ich quasi schon beim Gedanken daran Stress empfinde.

Ich mag dafür Bahnfahren sehr gerne – allerdings unter der Voraussetzung, dass ich maximal zweimal umsteigen muss, dafür ausreichend Zeit habe und am besten ICE fahren kann und das außerhalb von üblichen Urlaubs- oder Reisezeiten (Dienstag bis Donnerstag ist zum Beispiel toll). Regionalzüge finde ich anstrengend – während der Urlaubszeit noch viel mehr.

Autofahren ist je nach Ziel auch in Ordnung, sollte dann aber nicht länger als zwei, maximal drei Stunden dauern und ich brauche eine im Voraus geplante Parkoption. In Wiesbaden haben wir das zum Beispiel so gelöst, dass wir erstmal in ein Parkhaus gefahren sind, das Auto danach auf einen Park+Ride-Parkplatz gestellt haben und am Ende des Urlaubs wieder abgeholt haben.

Sei dir in jedem Fall bewusst, dass die Anreise IMMER stresst – vollkommen egal, welches Verkehrsmittel du wählst. Die Frage ist also: Welches Verkehrsmittel stresst dich am wenigsten und wie kannst du Stress zumindest reduzieren?

Flug:
Vermeide Flüge. Ehrlich. Flüge sind einfach immer stressig.

Wenn du sie nicht vermeiden kannst/willst: Bei frühen Flügen kann es den Stress reduzieren, wenn man bereits am Vortag in die Stadt des Flughafens reist (und eventuell den Vorabend-Checkin nutzt).

Suche dir frühzeitig die Verbindungen zum und vom Flughafen heraus und plane Puffer ein – ein ausgefallener oder stark verspäteter Zug zum Flughafen führt unter Garantie zu Panik!

Echt… vermeide Flüge einfach. Der Stress ist enorm.

Bus:
Ich halte das wie mit Flügen, aber sie sind zumindest etwas weniger stressig, weil man sich zumindest Security & Co. spart.

Zug:
Suche eine Reisemöglichkeit mit möglichst wenig Umstiegen, auch auf den „letzten Metern“. Wenn du von x Stunden Fahrt total erschöpft bist, möchtest du nicht auch noch 3 verschiedene öffentliche Verkehrsmittel nehmen müssen, um zu deiner Unterkunft zu gelangen.

Fernzüge sind angenehmer als Regionalzüge, weil sie zum einen bequemer sind und natürlich auch schneller am Ziel.

Plane großzügige Pufferzeiten – vor allem bei komplizierten Umstiegen oder wenn eines der Verkehrsmittel nur selten fährt.

Bei Zug-, Bus- und Flugreisen helfen Noise Cancelling Kopfhörer ENORM. Sie unterdrücken nicht nur den Lärm des Verkehrsmittels, sondern filtern auch die Mitreisenden zum Teil aus.

Wenn du nicht mit dem Auto anreist:
Reduziere dein Gepäck soweit es geht und nimm nicht mehr als zwei Gepäckstücke mit. Auch keine zusätzlichen Taschen! Umso öfter du umsteigen musst, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass du was vergisst.

Auto:
Suche dir ein Ziel, das nicht weiter weg ist, als du als Fahrtzeit angenehm findest und informiere dich frühzeitig über Parkmöglichkeiten. In Städten kann es eine Möglichkeit sein, zum Aus- und Einladen bis zur Unterkunft zu fahren und das Auto später auf einen Park+Ride-Parkplatz etwas außerhalb zu parken.

Grundsätzlich:
Wähle (wenn möglich) deine Reisetage so, dass weniger andere Menschen unterwegs sind. So ist Dienstag bis Donnerstag bei Fernzügen oft gut und außerhalb der Ferienzeiten zu verreisen ist grundsätzlich deutlich entspannter (natürlich nicht für alle möglich, schon klar).

Plane die Anreise. Wirklich – auch wenn du Planung hasst.

Und vor allem: Berücksichtige die Anreise bei deiner gesamten Urlaubsplanung. Ein Reiseziel, das weniger Stress bei der Anreise verursacht, wird den gesamten Urlaub viel erholsamer machen – und auch eine entspannte Rückreise ist nicht zu verachten!

Zwischenfazit

Urlaub, der auf die Bedürfnisse neurodivergenter Menschen abgestimmt ist, ist oft teurer und erfordert viel Planung im Voraus. Beides ist für neurodivergente Menschen oft problematisch. Mein bester Tipp ist: Mache lieber selten Urlaub, aber wenn möglich, (etwas) länger. Du planst jeden Urlaub nur EINMAL, du hast nur einmal die Anreise, nur einmal Packen und so weiter.

Bonustipp: Wenn du dich wo wohlfühlst, überlege, ob du dort nicht wieder Urlaub machen möchtest. Das reduziert oft viel Planung und Unsicherheit – kann aber natürlich auch langweilig für dich sein.

Teil 2

Um hier nicht noch mehr auf einmal zu schreiben, gibt es dann irgendwann auch noch einen zweiten Teil zum Thema Reisegepäck und Urlaubserlebnisse.

Longread: Neurodivergente Vorbereitungen auf den Urlaub – eine Geschichte

Longread: Neurodivergente Vorbereitungen auf den Urlaub – eine Geschichte

28. Juli 2022 Claudia Unkelbach Comments 0 Comment

Ich liebe Urlaub. Oder halt, nein, ich sollte sagen: Mein ADHS-Anteil liebt Urlaub, denn die Wahrheit ist, dass der autistische Anteil in mir Urlaub unglaublich schrecklich findet, die Angststörung – nun ja – Angst davor hat und die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) denkt, sie kann ihren Spaß damit haben.

Ein, zwei Wochen vor dem Urlaubsbeginn, geht es los: Der Autismus merkt immer wieder vorsichtig an, ob wir nicht vielleicht, so ganz langsam, also zumindest schon mal überlegen wollen, was wir mitnehmen sollen. Wir könnten ja eine Liste schreiben? Die ADHS schnaubt empört: „Eine Liste? Wer braucht schon eine Liste? Und außerdem ist es viel zu früh!“

Der Autismus beginnt dennoch heimlich, still und leise an einer Liste zu arbeiten – nur intern natürlich, denn Aufschreiben, das mag hier niemand. Dann fällt dem Autismus ein, dass wir uns auch Gedanken darüber machen sollten, wie wir am besten an unseren Urlaubsort kommen und die Angststörung findet das einen guten Moment, um einzuwerfen, was alleine auf der Fahrt alles schiefgehen könnte. Darauf springt der Autismus gerne auf, denn viele Fortbewegungsmethoden sind enorm stressig. Öffentliche Verkehrsmittel! Höllisch!

„Müssen wir jetzt darüber reden?“ fragt die ADHS und merkt an, dass noch sooo viel Zeit bis dahin wäre und wir doch einfach alles auf uns zukommen lassen sollten, das wäre ohnedies viel lustiger und aufregender und planen würde doch echt keinen Spaß machen, oder?

Autismus, Angststörung und PTBS rollen genervt mit den Augen: „Warum versteht die ADHS nie, dass man sich auf alle Eventualitäten vorbereiten muss?“ „Genau“, ruft die PTBS, „erinnert ihr euch noch an diese Geschichte, also das ist sicher schon ein paar Jahrzehnte her, aber ich habe mir gemerkt, dass das IMMER so ist und es war schrecklich und…“ „Pah“, unterbricht die Angststörung, „du immer mit deinen alten Geschichten. Wir müssen uns doch nur vorstellen, wie es werden wird, das ist doch schon gruselig genug“, und sofort beginnt sie, ein Szenario zu entwickeln, bei dem einfach alles furchtbar ist und der Autismus mischt eifrig mit, denn sensorische Überreizung, viele Menschen und Störungen im geplanten Ablauf, das sind Punkte, wo er sich sofort in Panik denken kann.

„Hey, Leute“, die ADHS platzt mitten rein und deutet auf das Handy, „wie wäre es, wenn wir uns mal das Wetter anschauen! Oh, eine E-Mail von der Unterkunft, auf die wir antworten sollen….“ Die ADHS erstarrt. Antworten! Das böse Wort. Die Angststörung starrt mit großen Augen auf die E-Mail: „Mach sie zu! Mach sie zu! Wir können da nicht antworten!“ Für den Rest des Tages meiden alle das Mailprogramm und bemühen sich, sich mit anderen Themen zu beschäftigen. Das mit der Antwort, das eilt doch sicher nicht. Die Ordnungsrufe des Autismus ignorieren alle.

In der Nacht folgt ein gruseliger E-Mail-Traum auf den nächsten und am nächsten Morgen schauen alle etwas bedröppelt drein. „Die E-Mail?“ murmelt der Autismus vorsichtig und alle versuchen sich, hintereinander zu verstecken. Da prescht die ADHS vor und schnaubt: „Pah, wir machen das jetzt einfach! So. Und so. Und so. Zack, weg damit!“ „Ähh“, merkt der Autismus leise an. „Was?“ die ADHS guckt in Erwartung von Kritik möglichst böse. „Nichts, nichts, es ist nur, also…“, der Autismus ziert sich etwas, schließlich weiß er diese impulsiven Aktionen der ADHS durchaus zu schätzen – wenn sie nur nicht immer die Hälfte vergessen würde. Da meldet sich die Angststörung zu Wort: „Können wir jetzt bitte das Handy weglegen und den Rest des Tages nicht mehr in die Hand nehmen? Ich habe Angst vor der Antwort, wisst ihr?“ Die anderen nicken verständnisvoll und starten das Ablenkungsprogramm.

„Wir könnten durch Instagram scrollen, das gibt Dopamin!“ ruft die ADHS. „Kein Handy!“ schallt es im Chor zurück.
Der Autismus schlägt vor: „Wie wäre es, wenn wir jetzt das beste Transportmittel ermitteln, das geht auch ganz schnell mit…“ „Kein Handy!“
Die PTBS setzt mehrfach an, um ein paar beängstigende Geschichten aus der Vergangenheit zu erzählen und die Stimmung zu trüben, da schnappt sich die ADHS doch das Handy und beginnt zu scrollen. Die anderen gucken empört, sagen aber nichts und der Rest des Tages geht in ADHS-bestimmter Ablenkung unter.

Irgendwann trifft auch die Antwortmail ein und ist – sehr zur Enttäuschung von PTBS und zur (mal wieder) riesengroßen Überraschung der Angststörung – absolut harmlos. Der PTBS-Recovery-Modus macht eine Notiz und die PTBS schaut ihn wütend an: Was mischt der sich ständig ein? Am Ende hört ihr irgendwann niemand mehr zu.

Am Abend versucht der Autismus die anderen mal wieder von der Sinnhaftigkeit von Planung zu überzeugen und möchte jetzt wirklich gerne das Anfahrtsproblem lösen. ADHS und Angststörung zoffen sich kurz über die Vor- und Nachteile von Bahnfahrten, während die PTBS den Hypervigilanz-Modus aktiviert und Nachrichten liest. „Da steht was von Bauarbeiten auf der Strecke“, informiert sie die anderen. Alle verstummen. „Kein Zug?“ fragt der Autismus hoffnungsvoll. „Nein“, antwortet die PTBS, „aber Schienenersatzsverkehr mit Bussen!“ Sie grinst boshaft. Alle hassen Busse und sie hat viele wunderbare Geschichten darüber auf Lager, warum sie sie weiterhin hassen sollten. Die Angststörung jammert sofort los, der Autismus stöhnt und die ADHS wirft spontan ein: „Wir könnten das Auto nehmen!“

Es ist kurz still. „Autofahren ist doch immer so anstrengend und außerdem…“, die PTBS kramt nach einer schlechten Erinnerung, da unterbricht sie der Autismus: „Also Autofahren wäre eigentlich okay.“ Die Angststörung weist auf die Parkplatzproblematik hin, aber die ADHS läuft jetzt zur Höchstform auf und präsentiert aus dem Stand drei verschiedene Lösungen. Der Autismus nickt. Die Angststörung murmelt nur noch leise vor sich hin und die PTBS zieht sich verwirrt von so viel guten Ideen erstmal zurück. Sie fühlt sich mit Verzweiflung und Verwirrung deutlich wohler.

Am nächsten Morgen, die ADHS ist immer noch ganz stolz auf ihren Erfolg vom Vortag, fragt der Autismus nach, ob wir jetzt nicht doch langsam über die Packlisten reden könnten. „Listen!“ die ADHS schnaubt. Hat denn der Autismus immer noch nicht verstanden, dass Listen langweilig sind? Langweilig, langweilig, langweilig! Sie denkt sich ein bisschen in Rage und plündert dann erstmal den Kühlschrank: Süßes hilft bei all dieser Aufregung!

„Wir sollten das Kochmesser mitnehmen“, platzt sie kauend heraus, „für Obstsalat!“ Der Autismus hebt den Kopf: Das klingt nach einer Liste! Nach Planung! Gutmütig spielt er mit: „Machen wir! Möchtest du sonst noch etwas einpacken?“ Die ADHS denkt einen Sekundenbruchteil nach, bevor die Worte nur so aus dem Mund schießen: „Das kleine Tomatenmesser! Und den Gemüseschäler! Und den Hobel! Und natürlich das große Brett! Und den Wok brauchen wir auch!“ Der Autismus nickt und nickt. Lauter Dinge für das Spezialinteresse! Manchmal liebt er die ADHS!

Da macht sie weiter: „Und die neuen Stifte, Papier dazu, dann noch die Perlen und Werkzeug zum Schmuck machen, die Lupenlampe, Faden und Nadeln, falls wir Buchbinden wollen, den Stapelschneider, den Drucken oh und den Webrahmen und ein, zwei Boxen Garn. Ach, und wir nehmen doch eh das Auto, da könnten wir doch auch noch die Malbücher mitnehmen und vielleicht ein paar Häkelnadeln, falls wir doch mal wieder Häkeln wollen und die Schwimmsachen, ein extra Paar Schuhe, falls wir wandern wollen und können wir vielleicht auch die Kräutertöpfe mitnehmen?“

Alle starren mit offenem Mund auf die ADHS. „Du meinst nicht, dass das vielleicht ein bisschen“, der Autismus räuspert sich, „also nur ein klitzekleines bisschen, also äh, zu viel sein könnte?“ Die ADHS erstarrt, schaut zum Autismus, der Autismus lächelt beruhigend zurück, doch es ist bereits zu spät. Die ADHS fühlt sich zurückgewiesen, kämpft mit den Tränen und zieht sich ganz weit zurück, felsenfest davon überzeugt, dass niemand sie mag. Die PTBS wittert ihre Chance, setzt sich zur ADHS und flüstert ihr zu, dass es doch immer das Gleiche wäre, dass immer alle gegen sie wären und sie einfach zu schlecht für diese Welt wäre. Dass der Autismus versucht, herauszufinden, wie er all diese Dinge vielleicht doch ins Auto bekommen könnte, damit die ADHS nicht traurig sein muss, bekommt sie nicht mehr mit. Der Rest des Tages endet in allgemeiner Traurigkeit.

Am nächsten Morgen verschläft die PTBS – die Erfolgsparty am Abend davor war vermutlich zu lang – und ADHS und Autismus setzen sich zusammen, um über die „Unterhaltungsmaterialen“ zu sprechen. Die ADHS hat sich inzwischen ausreichend beruhigt, um Abstriche zu machen und wird noch zusätzlich von der Aussicht auf: „Vielleicht finden wir ja einen tollen Laden mit Bastelsachen?“ abgelenkt. Die Angststörung merkt vorsichtig an, dass sie sich aber vielleicht nicht in den Laden hinein trauen würde, aber die ADHS beruhigt sie mit vor Vorfreude glitzernden Augen: „Selbstverständlich trauen wir uns in Laden mit Bastelsachen! Ich helfe dir!“ Der Autismus grinst.

In den nächsten Tagen wirft er immer mal wieder verschiedene Reisethemen ein und Schritt für Schritt organisiert er den chaotischen Haufen. Beim Thema Klamotten müssen die anderen ihn allerdings ordentlich zurückhalten und davon überzeugen, dass er nicht für jede mögliche Wetter- und Temperaturlage fünf verschiedene Outfits einpacken muss. Das schlagende Argument ist immer: „Fühlst du dich darin denn wirklich so wohl, dass du es im Urlaub anziehen möchtest?“ was der Autismus meistens verneinen muss, denn eigentlich trägt er nur eine Handvoll Sachen wirklich, wirklich gerne und genau die schaffen es schließlich in den Koffer. So wie das Schneidbrett, das Messer und die Stifte, für die die ADHS schließlich die perfekte Lösung findet: Ein zweiter Koffer. Unbemerkt packt sie dann auch noch die Lupenlampe, den Ventilator und die Insektenlampe ein – die anderen werden mit Sicherheit begeistert davon sein, wenn sie sie erstmal entdecken!

Immer wieder versucht die PTBS die Stimmung zu trüben, erzählt davon, wie wenig diese ganzen Pläne funktionieren werden und die Angststörung fühlt sich immer wieder zu den negativen Gedanken hingezogen und steigert sich am Abend vor der Abfahrt endgültig in ihre Panik hinein. „Alles wird schiefgehen!“ ist sie überzeugt. Entsprechend unruhig und anstrengend wird die Nacht und sie fühlt sich bestätigt: „So kann ein Urlaub nicht gut werden.“

Doch die ADHS ist jetzt im Urlaubsmodus und hüpft aufgeregt herum. Autofahren! Eine neue Stadt! Das Wetter ist toll! Wir können uns einen neuen Laden anschauen! Und noch einen! Und der Bastelladen! Und sicher können wir auch in das tolle Restaurant! Und Eis! Wir werden Eis essen!

Der Autismus ist zurückhaltender und hat ziemliche Bauchschmerzen: Das Zuhause zurück lassen… was, wenn es traurig ist? Was wenn die Wohnung uns vermisst? Und die Pflanzen? Und vielleicht haben wir etwas vergessen…

Die Angststörung fürchtet sich vor den vielen fremden Menschen und Situationen und eigentlich könnte man doch auch einfach zuhause bleiben und die Wohnung nicht mehr verlassen…?

Die PTBS ist verwirrt von so vielen unterschiedlichen Gefühlen und weiß gar nicht, worauf sie sich zuerst stürzen soll. Da grinst der Recovery-Modus und meint: „Wie wäre es, wenn du einfach zuhause bleibst? Du kannst ja die Wohnung trösten, damit der Autismus sich keine Sorgen mehr machen muss.“ Die PTBS schnaubt empört, doch der Vorschlag bringt alle anderen zum Lachen und das Lachen überdeckt die Sorgen und Ängste lange genug, um sich auf den Weg zu machen.

„Nächster Halt. Urlaub!“ jubelt die ADHS, der Autismus zieht den Sonnenhut etwas tiefer in die Stirn und die Angststörung klammert sich an die Hand der ADHS. Manchmal ist es gut, einen mutigen Freund an der Seite zu haben.

Let’s talk about: Exekutive Dysfunktion

Let’s talk about: Exekutive Dysfunktion

5. Juli 2022 Claudia Unkelbach Comments 0 Comment

Viele unserer Tätigkeiten passieren ganz oder großteils automatisch, man spricht auch vom Autopiloten. Wenn du etwas trinken möchtest, gehst du zum Beispiel zum Schrank, nimmst ein Glas heraus und füllst es mit deinem üblichen Getränk. Du denkst normalerweise nicht darüber nach, welches Glas du nimmst, wo du es abstellst, um es zu füllen oder wie voll du es machen wirst. All das passiert ganz von selbst.

Die meiste Zeit kann ich das auch, aber wenn meine exekutiven Funktionen gerade nicht auf der Höhe sind, setzt dieser Autopilot aus.

Das beginnt dann schon damit, dass ich darüber nachdenke, wie ich denn den Schrank mit den Gläsern überhaupt öffne. Muss ich meinen Arm heben? Aber tut mir nicht die Schulter weh? Wird der Schmerz schlimm sein? Wo greife ich die Schranktür an? Wie viel Kraft brauche ich, um sie zu öffnen?

All das, was eigentlich eine ganz automatisch ablaufende Handlung ist, wird mit einem Mal in lauter einzelne Teile zerlegt.

Oder ich muss ganz bewusst darüber nachdenken, in welcher Reihenfolge ich etwas mache. Erst die Schranktür öffnen? Oder erst den Wasserhahn aufdrehen?

Stell dir vor, dich würde jemand fragen, ob du beim Händewaschen erst das Wasser aufdrehst und die Hände nass machst oder erst die Seife nimmst. Oder drehst du vielleicht das Wasser auf, nimmst aber erst Seife und machst die Hände dann nass?

Wenn du die Aufgabe in einzelne Schritte zerlegst, wird sie plötzlich kompliziert, du musst sie dir vielleicht genau vorstellen und vielleicht bekommst du sogar Zweifel, ob du es wirklich so machst, wie du denkst.

Bei einer Beeinträchtigung der exekutiven Funktionen entsteht genau dieses Nachdenken und diese Unsicherheit. Gerne noch zusätzlich verbunden mit konstantem Hinterfragen: Mache ich das richtig? Brauche ich das wirklich? Geht es nicht vielleicht doch anders? Was kommt als nächstes?

Du wäschst dir nicht mehr einfach die Hände, holst dir nicht mehr einfach ein Glas Wasser, sondern die simple Tätigkeit wird zu einer riesengroßen Aufgabe.

Es gibt verschiedene Hilfen dafür.

Manchen hilft es, wenn sie visuelle oder auditive Anweisungen bekommen, zum Beispiel Zeichnungen, wie man Zähne putzt.

Anderen hilft es, die einzelnen Schritte aufzuschreiben, um das Chaos im Kopf ein wenig zu sortieren und sich einen Plan zurechtlegen zu können.

Bei mir hilft am Besten, nicht darüber nachzudenken.

Ich versuche, den Moment der Verwirrung und des Planens zu überspringen und doch wieder in den Automatismus zu kommen, indem ich an einer „späteren“ Stelle ansetze.

Vielleicht kennst du die Taktik von der Eingabe von Passwörtern oder PINs.

Wenn du ein Passwort häufig benutzt, tippen es deine Finger quasi automatisch, du denkst nicht bewusst darüber nach. Wenn du aber längere Zeit im Urlaub warst, fällt dir vielleicht am Abend des letzten Urlaubstags ein: „Mist, ich habe mein Passwort vergessen!“ Du denkst darüber nach und es fällt dir einfach nicht ein oder du erinnerst dich an alte Passwörter oder die für ganz andere Accounts.

Am nächsten Tag öffnest du trotzdem das Anmeldefenster, willst noch ein letztes Mal darüber nachdenken und mit einem Mal tippen deine Finger ganz automatisch das Passwort ein. Das richtige Passwort. Du hast nicht darüber nachgedacht, dich nicht bewusst erinnert, deine Finger wussten einfach, was zu tun ist. Das ist das Muskel- oder Körpergedächtnis.

Genau das nutze ich bei Phasen von exekutiver Dysfunktion. Ich denke nicht über das, was ich tun möchte, nach, sondern überlasse dem Körper die Führung.

Es funktioniert nicht bei Tätigkeiten, die ich noch nicht oft genug gemacht habe oder die ganz neu sind oder wenn ich einer Anleitung folgen muss. Deswegen kann ich in solchen Phasen zum Beispiel nicht backen. Ich kann aber damit zum Beispiel trotz exekutiver Dysfunktion die Küche aufräumen – WENN es mir gelingt, den Schritt des Nachdenkens zu überspringen und das Muskelgedächtnis aktiviert wird.

Wenn nicht… tja, dann kann ich für eine ganze Weile gar nichts mehr tun, weil ich einerseits versuche, mich dazu zu bringen, diese Sache zu machen, es aber andererseits nicht schaffe und quasi „feststecke“.

Wichtig für mich ist also immer: NICHT NACHDENKEN! TUN!

… und mich nicht darüber ärgern, wenn es mal wieder nicht funktioniert. Dann räume ich die Küche halt ein anderes Mal auf und backe den Kuchen dann, wenn die exekutiven Funktionen besser sind.

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